Waffen für Kurdistan

Die Diskussion um die Unterstützung der von der IS bedrohten Kurden knüpft an alte linke Traditionen an, könnte aber das antiimperialistische Weltbild in Frage stellen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Seit Tagen gehen auch in Deutschland Menschen auf die Straße, die sich mit den kurdischen Kämpfern gegen die IS in Syrien solidarisieren. Die Parolen klangen noch recht allgemein und teilweise hilflos. Die internationale Solidarität allgemein und die kurdischen Kämpfer in Kobane wurden gegrüßt und zum Durchhalten ermuntert. Vereinzelt war auch die Parole "Bombardiert die IS" zu hören. Nun hätte man gerne gewusst, an wen diese Aufforderung ging: an die Türkei, die USA oder andere Natostaaten?

Ein Bündnis linker Gruppen will sich darauf nicht verlassen. Unter dem Motto "Waffen für Rojava" haben sie eine Geldsammlung begonnen, um die Bewaffnung der Kurden zu unterstützen. "Wir wollten eine bundesweite Möglichkeit bieten, die rund 40.000 KämpferInnen zu unterstützen", erklärte der Pressesprecher der Kampagne Michael Prütz in einem Interview mit der Taz. Obwohl die Kampagne offiziell erst am kommenden Montag beginnt und der Aufruf bisher nur über soziale Netzwerke verbreitet wurde, sollen schon 23000 Euro eingegangen sein.

Kann man sich wieder mit einer Seite identifizieren?

Endlich scheint es im syrischen Konflikt wieder eine Seite zu geben, die auch linke Gruppen unterstützen können. Zu Beginn war es die syrische Zivilbevölkerung, die gegen die Assad-Diktatur aufgestanden war, die von dem Bündnis "Adopt the revolution" unterstützt wurde. Doch ein Teil der traditionellen Linken, argwöhnte, dass damit indirekt auch die Politik der Nato unterstützt werde.

Andererseits gab es lange Zeit unter der syrischen Opposition auch sehr unterschiedliche Einschätzungen über die Rolle der kurdischen Selbstverwaltungskräfte. Noch vor einigen Monaten kritisierten manche Beobachter, dass diese nicht den sofortigen Sturz des Assad-Regimes forderten und allerhöchstens zur moderaten Opposition in Syrien zählte.

Einige verdächtigten die kurdischen Kräfte sogar, mit dem Assad-Regime zu kooperieren. Doch seit dem Aufstieg der IS ist diese Diskussion in den Hintergrund geraten. Selbst den Kritikern der kurdischen Selbstverteidigungskräfte war klar, dass die von ihnen kontrollierten Gebiete Inseln der Demokratie und der Selbstbestimmung in einem Land sind, dass von islamistischen Banden und einem autoritären Regime terrorisiert werden.

Die Waffenkampagne hat viele Vorläufer. Manchen wird die Kampagne "Waffen für El Salvador" aus den 1980er Jahren noch in Erinnerung sein, die wesentlich von der Taz organisiert worden war. Wesentlich umstrittener war die Kampagne "10 Euro für den irakischen Widerstand", die auch juristisch inkriminiert wurde und bald in der Versenkung verschwandt.

Die Unterstützer der von der IS bedrohten Kurden beziehen sich aber teilweise noch auf viel ältere Traditionen internationaler Solidarität. Sie vergleichen Kobanê mit der spanischen Republik zwischen 1936 und 1939. Während die Nationalsozialisten und die italienischen Faschisten in Spanien einen rechten Militärputsch unterstützen, solidarisierten sich Antifaschisten in aller Welt mit der spanischen Republik. Sie beschränkten sich allerdings nicht auf schöne Worte und Waffenlieferungen, sondern kämpften im Rahmen der Internationalen Brigaden mit der Waffe in der Hand gegen die Faschisten.

Noch in den 1980er Jahren gab es allerdings im kleineren Rahmen ähnliche Brigaden in Lateinamerika und auch in Kurdistan. Dass nun ein italienischer Publizist ausgerechnet die IS-Freiwilligen aus aller Welt in die Tradition der Internationalen Brigaden im spanischen Bürgerkrieg stellen will, zeugt von historischer Amnesie.

Abschied vom Feindbild USA?

Da aber Spenden für Waffen die unmittelbare Situation in Kobanê und anderen von der IS bedrohten Regionen wenig ändern, stellt sich die Frage, wie die Linke zu Luftangriffen durch Natostaaten wie die USA beurteilt. Eine positive Zustimmung wäre in der Tat eine Zäsur, denn zumindest die antiimperialistische Linke sah in den USA wenn nicht den Hauptfeind so doch einen zentralen Gegner.

Ein Teil der außerparlamentarischen Linken hatte nach 1989 und vor allem nach den Anschlägen vom 11.9. die These von dem Hauptfeind USA zunehmend stärker infrage gestellt. Zwischen ihr und der antiimperialistischen Linken waren die Gräben immer größer geworden. Und nun könnte der Aufstieg der IS die scheinbaren Gewissheiten der antiimperialistischen Linken nachhaltiger erschüttern als andere Ereignisse der letzten Jahrzehnte.

Wer soll sich einer Gruppierung entgegenstellen, die unverhohlen mit der Ermordung all ihrer Gegner droht und es nicht bei Worten belässt? Wie sollten Linke hierzulande reagieren, wenn die kurdischen Kämpfer im eingeschlossenen Kobanê zur Entlastung eine Verstärkung der Luftangriffe fordern?

Da kann eine antiimperialistische Linke natürlich darauf verweisen, dass auch die Fehler der US-Politik in der Nahostregion zur Entstehung der IS beigetragen haben. Mit genau so gutem Recht können andere Beobachter der Situation darauf verweisen, dass das Assad-Regime die IS lange Zeit durchaus pfleglich behandelte. Schließlich nützt sie dem Regime, um sich im Ausland als kleineres Übel wieder als Partner anzudienen. Den von der IS eingeschlossenen und mit ihrem Überleben ringenden Kurden jedenfall nutzen solche Erörterungen wenig. Daher fordern sie die Intensivierung der Luftangriffe.

Auch in der Linkspartei wird heftig darüber gestritten, ob man im Kampf gegen die IS auch bewaffnete Interventionen unterstützen sollte Während der außenpolitische Sprecher der Linksparteifraktion, Stefan Liebich, eine solche Initiative unterstützt, wendet sich die profilierte Politikerin des linken Flügels, Sara Wagenknecht gegen solche Forderungen. Auch Oskar Lafontaine hat sich in dieser Frage wieder einmal in einem Gastbeitrag im Tagesspiegel geäußert:

Das immer wieder vorgebrachte Argument, man könne doch nicht tatenlos zusehen, wenn Menschen leiden und sterben, ist heuchlerisch und verlogen. Die westliche Wertegemeinschaft sieht täglich mehr oder weniger tatenlos zu, wie Menschen verhungern und an Krankheit sterben. Flüchtlinge ertrinken und Seuchen wie Ebola breiten sich aus, ohne dass die Industriestaaten auch nur im Entferntesten daran denken, zur Rettung dieser Menschen ähnlich viel Geld auszugeben, wie sie dem Militär jährlich zur Verfügung stellen.