Krankenkassen vor dem Kollaps: Warum Sie bald tiefer in die Tasche greifen müssen
Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps. Krankenkassen können Kosten nicht mehr stemmen. Warum Sie über private Zusatzversicherungen nachdenken sollten.
Ohne eine grundlegende Reform der Gesetzlichen Krankenkassen wird das System nicht überleben können. Es wurden den Kassen zu viele Leistungen aufgebürdet, die von den Mitgliedern nicht mehr getragen werden können.
Langfristig müssen diese auf politischen Wunsch den Kassen aufgebürdeten Leistungen vom Staat übernommen oder der Leistungsumfang der Kassen muss weiter zurück gebaut werden.
So wie heute die zahnmedizinische Versorgung eine private Zusatzversicherung benötigt und viele augenoptische Leistungen nur noch als privat bezahlter Aufwand realisierbar sind, müssen dann auch bei bestimmten Krankheitsbildern private Zuzahlungen die Regel werden. Die Folgen von Rauchen und Trinken können auf Dauer nicht von der Allgemeinheit getragen werden.
In anderen Ländern ist es heute schon üblich, dass die allgemeine Krankenversicherung Risiken wie Krebs nicht mehr abdeckt und Krebspatienten, die keine entsprechende Police abgeschlossen haben, im besten Falle noch palliativ versorgt werden.
Das Gleiche wäre auch für Krankheiten möglich, welche auf einem ungesunden Lebenswandel basieren, wenn dieser im Rahmen einer ärztlichen Vorsorgeuntersuchung festgestellt wurde. Derartige Vorsorgeuntersuchungen müssten dann verpflichtend werden. Wenn sie dauerhaft verweigert werden, kann die Kasse im Erstfall die Bezahlung der Behandlung verweigern.
Was bei der deutschen Gesetzlichen Krankenversicherung jetzt als Über-, Unter- oder Fehlversorgung betrachtet werden kann und korrigiert werden sollte, müsste Teil der politischen Diskussion sein. Da sich die Politik jedoch konsequent um diese Fragen drückt, wird die Folge sein, dass abhängig Beschäftigte und Rentner einen steigenden Anteil ihres Einkommens für ihre Krankenversicherung abtreten müssen.
Rentner, welche freiberuflich dazu verdienen, werden von diesem steigenden Kostendruck in besonderem Maße eingeholt, weil sie nach bisheriger Gesetzeslage neben dem Arbeitnehmeranteil der Versicherung auch den Arbeitgeberanteil zu tragen haben.
Zur Lösung des aktuellen Kostendilemmas gibt es zwei Bereiche, welche vergleichsweise einfach und kurzfristig realisierbar wären, weil diese Kassenausgaben letztlich nur eine Verlagerung staatlicher Ausgabenblöcke darstellen. Ihre Rückverlagerung auf den Staat würde jedoch die Staatskassen mehr belasten, als die politischen Parteien bereit sind, zu verantworten.
Krankenkassen bezahlen Milliardenbeträge an Mehrwertsteuer
Der GKV-Spitzenverband fordert, die Mehrwertsteuer für Medikamente zu senken. Im vergangenen Jahr hätten Versicherte und Arbeitgeber über ihre jeweiligen Krankenkassenbeiträge für Arzneimittel rund 8,4 Milliarden Euro an Mehrwertsteuer in den Bundesetat eingezahlt. Schon ein auf sieben Prozent ermäßigter Steuersatz würde die gesetzlichen Krankenversicherungen um mehr als fünf Milliarden Euro entlasten.
Es ist heute kaum noch vermittelbar, dass für Schnittblumen und Tierfutter lediglich der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent gilt, der Staat dagegen für lebensrettende Krebsmedikamente und Blutdrucksenker mit 19 Prozent von den Krankenkassen den vollen Steuersatz verlangt. Den meisten gesetzlich Versicherten fällt dies kaum auf, weil sie in der Apotheke nur die geforderte Zuzahlung leisten und der Rest letztlich den Krankenkassen belastet wird.
Medizinische Versorgung von Bürgergeldbeziehern zulasten der Beitragszahler
Was den Beitragszahlern ebenso verborgen bleibt, ist die Tatsache, dass sie mit ihren Beiträgen die Leistungen für die Gesundheitsversorgung der Bürgergeldbezieher mitfinanzieren.
Es zählt zu den Aufgaben des Staates, das festgestellte Existenzminimum von bedürftigen Einwohnern zu gewährleisten. Dazu zählt verständlicherweise auch die Absicherung der medizinischen Versorgung im Krankheitsfall.
Mit dieser Aufgabe hatte der Staat die gesetzlichen Krankenkassen beauftragt. Bei dem finanziellen Ausgleich für diese Leistungen kommt der Bund seinen Ausgleichsverpflichtungen gegenüber den Krankenkassen aber nicht annähernd nach. Aktuell bezahlt der Bund den gesetzlichen Krankenversicherungen jedes Jahr rund zehn Milliarden Euro weniger, als sie für diese Leistungen im Auftrag des Staates ausgeben. Diese Summe wird ganz einfach auf die regulären Beitragszahler umgelegt.
Mit einer ausreichenden Finanzierung der von den gesetzlichen Krankenkassen zu leistenden gesundheitlichen Versorgung der Bürgergeldbezieher wären die Beitragerhöhungen am Anfang des nächsten Jahres kein so drängendes Thema.
Versicherungsfremde Leitungen über einen dynamisierten Bundeszuschuss auffangen
Die Politik hat die Gesetzlichen Krankenkassen im Laufe der Jahre mit zahlreichen versicherungsfremden Aufgaben beaufschlagt. Sie bezahlen etwa das Mutterschaftsgeld, obwohl dies eine familienpolitische Leistung ist und damit im Grunde vom Staat zu finanzieren wäre. Dass die Mutterschaft als Krankheit gewertet wird, ist durchaus verwegen.
Dabei beträgt der reguläre Bundeszuschuss seit dem Jahr 2016 14,5 Milliarden Euro pro Jahr. Diese Höhe ist gesetzlich festgeschrieben, während die Ausgaben für die versicherungsfremden Leistungen schon aufgrund der Kostenentwicklung Jahr für Jahr steigen. Daher führt kein Weg an einer Dynamisierung beim Bundeszuschuss vorbei, um ihn an die Höhe der Kosten- und Inflationsentwicklung anzupassen.
Es ist jedoch zu befürchten, dass weder die jetzige Regierung noch ihr Nachfolger dieses Thema aufgreifen werden, sondern eher klammheimlich weiteren Leistungseinschränkungen zustimmen werden.