Warum Snowden auch in der Schweiz nicht vernommen wurde

Washington machte Bern ein Angebot, das man nicht ablehnen konnte

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Zwischenzeitlich sah es für Whistleblower Edward Snowden in der Schweiz ganz gut aus. Dort interessierte man sich dafür, was der Insider über seine Arbeit etwa in Genf zu sagen hatte. Denn die US-Geheimdienste hatten die Gastfreundschaft der Schweizer bereits anderweitig strapaziert, in dem sie sich über die erklärte Ablehnung hinwegsetzten, ihre Liegenschaften auf Schweizer Boden mit eigenen Sicherheitsdiensten zu observieren. Zudem nutzte die NSA sowohl die US-Botschaft als auch die US-Mission bei der UNO als Standort für Abhörtechnik.

Die Schweizer Staatsanwaltschaft kam 2014 zu dem Schluss, dass man Snowden bei freiem Geleit verhören könne und wolle (vgl. Gutachten: Snowden könnte in der Schweiz auf freies Geleit hoffen). Damit nicht genug, ließ man die privaten Sicherheitsfirmen der US-Spione durchsuchen, fand jedoch nichts, was nach neun Monaten Vorwarnung auch eher überraschend gewesen wäre. Nicht nur die Justiz, sondern auch Oppositionsparlamentarier wollten Snowden in der Schweiz vernehmen. Doch dann verliefen die Dinge auf einmal im Sande.

Nunmehr hat der Schweizer Tagesanzeiger herausgefunden, warum: US-Botschafterin Suzi LeVine bat 2014 beim Bundesamt für Justiz um ein diskretes Gespräch. Trotz aller Geheimnisse ist nun eines klar: Der lange Arm der US-Geheimdienste, mit dem man Aufmüpfigen auf die Finger klopft, reicht auch bis in die Schweiz. Unter Trump, dessen Berater Snowden wahlweise im Gefängnis oder tot sehen wollen, wird sich das nicht ändern.

Mit Abhören kennt man sich in der Schweiz grundsätzlich aus. So gestattete man im Zweiten Weltkrieg dem OSS-Mann und späteren CIA-Direktor Allen Dulles, in Bern ein Spionagebüro einzurichten, weil die Eidgenossen an dessen Telefonaten interessiert waren. Kürzlich hat die Schweiz ihren eigenen Nachrichtendiensten die Totalüberwachung gestattet. Zuvor empfahlen sich die US-Kollegen mit einem angeblich aus Überwachungstechnik resultierenden Tipp bzgl. einer islamistischen Terrorzelle, was zu Festnahmen und Verurteilungen von drei Irakern führte. Ob die gelieferten Informationen wirklich belastbar waren und wirklich auf Überwachung beruhten, lässt sich von außen schwerlich beurteilen.