Welchen Weg geht der Open Access?
Im Fach Medizin werden Open-Access-Journale mindestens mit gleicher Häufigkeit wie Subskriptionsjournale zitiert
Der kürzlich in BMC Medicine veröffentlichte Artikel Open access versus subscription journals: a comparison of scientific impact der Autoren Bo-Christer Björk und David Solomon belegt, dass im Fach Medizin Open-Access-Journale mit gleicher Häufigkeit wie Subskriptionsjournale zitiert werden. Die Zitationshäufigkeit oder –rate wissenschaftlicher Journale ist in der Wissenschaftswelt so wichtig, weil (vor allem unter Naturwissenschaftlern und Medizinern) häufig angenommen wird, sie gebe die Qualität eines Journals wieder. Zumindest, und das ist für Björks und Solomons Artikel wichtig, bestimmen diese Werte, die die Autoren anhand der Datenbanken Scopus und Web of Science ermittelten, für die meisten Wissenschaftler das Ansehen eines Journals.
Generell, so die Forscher, erhielten Subskriptionsjournale 30% höhere Zitationsscores, dieser Effekt löse sich aber auf, wenn man Merkmale wie Alter der Journale, regionale Herkunft und fachliche Zuordnung kontrolliere. Dass nach der Studie der beiden Autoren Open Access Journale und ihre Subskriptionspendants vergleichbar häufig zitiert werden, spiegelt die gestiegene Akzeptanz des Open Access wieder und dürfte diese weiter stärken. Jedoch existieren Untersuchungen, welche, anders als Björk/Solomon, die außerhalb der Medizin sogar eine geringere Zitationswahrscheinlichkeit für Open-Access-Journale entdecken, sogar einen Zitationsvorteil von Open-Access-Dokumenten ermittelten.
Die britische Forscherin Alma Swan stellte diese 2010 in einer Metastudie mit dem Titel The Open Access citation advantage: Studies and results to date zusammen: 27 der 31 ausgewerteten Studien wiesen eine höhere Zitationshäufigkeit zugunsten von Open-Access-Dokumenten nach, eine ermittelte teils einen Zitationsvorteil von 600%. Die von Swan ausgewerteten Erhebungen waren allerdings weniger breit angelegt und basierten meist auf einem geringeren Datenvolumen, zudem wurden darin auch andere methodische Ansätze gewählt und etwa Vergleiche zwischen den Zitationen von Dokumenten, die in einem Subskriptionsjournal und zusätzlich auf einem Open-Access-Server erschienen, mit den Zitationen von ausschließlich im Bezahlmodus erhältlichen Artikeln des selben Journals angestellt. Dennoch ging man in der Open-Access-Szene meist davon aus, dass offen zugängliche Artikel häufiger zitiert würden als kostenpflichtige. Die neue Erhebung wurde dementsprechend zurückhaltend aufgenommen.
Gleichviel ob das Verhältnis der Studien zugunsten des Open-Access-Zitationsvorteils nun 27 zu 5 (und nicht mehr zu 4 wie in Swans Auswertung) steht und die Björk/Solomon-Studie es nicht über einen Fußnoten-Status in der Open-Access-Diskussion hinaus schafft oder ob sie die Ergebnisse anderer Erhebungen grundlegend in Frage stellt: Es findet sich noch eine andere diskutable Aussage in ihrem Artikel. Open-Access-Journale, die sich aus Publikationsgebühren (den sogenannten Article Processing Charges ACPs) finanzieren, werden häufiger zitiert als Artikel aus Journalen, die keine derartigen Zahlungen kennen.
Dieses Statement könnte aktuelle Entwicklungen beflügeln, wonach die als "Grüner Weg des Open Access" bezeichnete parallele Publikation von Artikeln in Subskriptionsjournalen und auf Open-Access-Servern (den Repositories) derzeit gegenüber dem "Goldenen Weg des Open Access", dem Publizieren originärer Open Access Werke in reinen Open Access Journalen oder Verlagen, an Boden und Anerkennung verliert. Durch das Aufkommen günstiger Open-Access-Journale mit flexiblen Pricing-Modellen dürfte der ACP-finanzierte Goldene Weg zusätzlichen Zuspruch finden. Das im Mai 2012 beendete europaweite [http://www.heise.de/tp/artikel/29/29166/1.html] Projekt Publishing and the Ecology of European Research] (PEER) kam generell zum Schluss, dass Wissenschaftler die originale Verlagsversion gegenüber einem inhaltsgleichen Repositorydokument bevorzugt rezipieren, und zweifelte an, dass der Grüne Weg geeignet sei Open Access zum Durchbruch zu verhelfen.
Der Goldene Weg des Open Access hingegen dürfte vor diesem Hintergrund für viele kommerzielle Verlage, deren Einnahmen auf Subskription basieren, ein interessantes Geschäftsmodell darstellen, denn ACPs werden, sofern sich die Ergebnisse von Björk/Solomon replizieren lassen, hoffähig. Auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) signalisierte im zu Beginn des Monats publizierten Positionspapier Die digitale Transformation weiter gestalten umfangreiche Unterstützungsabsichten des Golden Wegs des Open Access.