Whistleblower dürfen nicht zum Anwalt
Verfassungsbeschwerde gegen undurchdachten § 202d StGB
Heute vor einem Jahr trat der neue Straftatbestand der Datenhehlerei § 202d StGB inkraft. Die Vorschrift war im Gesetz zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung quasi als Malware ins Strafgesetzbuch eingeschleppt worden. Wer nicht allgemein zugängliche Daten, die ein anderer rechtswidrig erlangt hat, in Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht hortet und weitergibt, muss mit bis zu drei Jahren Haft rechnen.
Beim Gesetzgebungsverfahren orientierten sich die Verantwortlichen offenbar an anderen Einflüssen als an fachlichen, denn das Gesetz lässt den Anwender etwa im Unklaren, wann man es mit rechtswidrig erlangten Daten zu tun hat und woran man dies erkennen soll. Prof. Dr. Carl-Friedrich Stuckenberg sprach von einem missratenen Tatbestand, der kurioserweise genau den Fall der Steuer-CD nicht erfasse, mit welchem das neue Gesetz vorangetrieben worden war. Denn etwa ein Whistleblower, der von Berufs wegen Zugriff auf Datensätze hat und diese vertrags- oder dienstrechtswidrig an einen "Datenhehler" weitergibt ("Datenunterschlagung"), verwirklicht keine für § 202d StGB erforderliche Vortat.
Für einige der "Datenhehler" statuiert § 202d Abs. 3 StGB Ausnahmen von der Strafbarkeit, nämlich für Amtsträger oder für Journalisten (§ 53 bs. 1 Nr 5 StPO) - nicht aber für andere normalerweise Zeugnisverweigeurngsberechtigte wie etwa Rechtsanwälte. Ein Blogger, dem jemand etwas geleakt hat, dürfte "seine" brisanten Daten also einzig Beamten oder Pressevertretern zeigen, nicht aber IT-Fachleuten oder Rechtsanwälten. Die Weitergabe solcher Daten ist in diesen Fällen dann auch für den Whistleblower selbst strafbar. Damit verstößt das Gesetz gegen den verfassungsrechtlich anerkannten Grundsatz der freien Advokatur.
Nunmehr hat der Berliner Rechtsanwalt Ulrich Kerner Verfassungsbeschwerde gegen § 202d eingelegt. Die Datenhehlerei schränke Rechtsanwälte in ihrer freien Berufsausübung ganz erheblich ein. Dies gelte zumindest für Anwälte, die mit Whistleblowern und Medienvertretern zusammen arbeiten und helfen, gesellschaftliche Missstände an die Öffentlichkeit bringen. Eine demokratische Gesellschaft
brauche heute Whistleblower mehr als je zuvor. Dies hätten nicht nur die Enthüllungen von Edward Snowden gezeigt, sondern z.B. auch die Luxemburg-Leaks. Dort waren erst Mitte des Jahres zwei Personen wegen der Aufdeckung der Steuerbegünstigungen von Großunternehmen zu Haftstrafen verurteilt worden.