Zypries misst mit zweierlei Maß

Die Bundesjustizministerin kritisiert das Verhalten von Wirtschaftsminister Guttenberg als "Geldverschwendung", lagert aber selbst Arbeiten auf eine teure amerikanische Kanzlei aus

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Fall der Kanzlei Linklater, die für das Wirtschaftsministerium nicht nur einen Bankenrechts-Gesetzentwurf schreiben durfte, sondern dafür auch fürstlich bezahlt wurde, hat das öffentliche Augenmerk auf eine Tatsache gelegt, die von Korruptionsforschern wie Werner Rügemer bereits seit Jahren angeprangert wird.

Problematisch ist in solchen Fällen vor allem, dass die Kanzleien in den Details Interessen anderer Mandanten unterbringen können. Und genau auf diese Details kommt es an. Gesetze können nämlich Namen und Überschriften bekommen, die das Gegenteil von dem suggerieren, was sie eigentlich regeln – wie etwa beim "Gesetz über die Ausweitung und Stärkung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union". Und ebenso wenig müssen die Probleme, die als Ursachen für ihre Verabschiedung genannt werden, tatsächlich etwas mit den im Gesetz enthaltenen Regelungen zu tun haben. Hinzu kommt, dass Kanzleien, die Gesetze schreiben, dort unauffällige "Soll-Lücken" einbauen und damit später Mandanten gewinnen können.

All das scheint für Bundesjustizministerin Brigitte Zypries jedoch nachrangig: Sie kritisiert am Vorgehen Guttenbergs vor allem zwei Punkte: dass er Zuständigkeiten verletzt habe und dass er Geld verschwenden würde. Allerdings beschäftigt Zypries derzeit selbst die sehr teure amerikanische Kanzlei Sheppard Mullin Richter & Hampton LLP, die in ihrem Auftrag eine Stellungnahme gegen Google schreiben soll. Auf Kosten der deutschen Steuerzahler. Warum sich unter den 300 Beschäftigten des Ministeriums niemand fand, der solch eine Stellungnahme schreiben könnte, konnte man dort nicht überzeugend erklären. Stattdessen verwies man darauf, wie schwierig es angeblich gewesen sei, für die Aufgabe eine Kanzlei zu finden.

Einen Beleg dafür, dass Politiker keine externen Kanzleien brauchen, um Gesetzesdetails so zu gestalten, dass sie ganz andere als die öffentlich propagierten Auswirkungen haben, könnte noch im August der Entwurf zum neuen Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag liefern, dessen alte Version das Bundesverfassungsgericht am 30. Juni als grundgesetzwidrig verwarf, weil es Bundestags- und Bundesratsrechte nicht ausreichend berücksichtigte. Nach Informationen des Journalisten Réne Pfister ist man derzeit dabei, "eine Formulierung zu finden, die das Parlament nur dem Wortlaut nach besser stellt". Möglicherweise als Vorbereitung auf eine solche Regelung ruderte die CSU, die bis vor kurzem noch eine über die Karlsruher Leitplanken hinausgehenden Regelung gefordert hatte, in dieser Woche nicht nur hinter ihre eigene alte Position zurück. "Die Bundesregierung", so heißt es dort jetzt, müsse "natürlich die Möglichkeit haben, aus zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen von einer Stellungnahme des Bundestags abzuweichen."

Update: Am Donnerstagvormittagegenüber erklärte sich das Bundesjustizministerium gegenüber Telepolis der Auffassung, dass es wichtig sei, auch als nicht direkt Prozessbeteiligter von einem amerikanischen Fachanwalt vertreten werden zu werden. Allerdings ist dies für Amicus Curiae Stellungnahmen weder formell notwendig noch üblich. Auf Wunsch des Ministeriums fügen wir diese Ergänzung dennoch gerne an.