Europäische Zentralbank enttäuscht gemachte Hoffnungen

Da keine konkreten Maßnahmen beschlossen wurden, explodierten Risikoaufschläge für Spanien und Italien regelrecht

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Die Debatte darum tobt, wie steigende Zinsen für Spanien und Italien gesenkt werden können. Die Hoffnungen auf ein Eingreifen durch die Europäische Zentralbank (EZB) haben Spanien am Donnerstag keine Entlastung gebracht und wurden ohnehin enttäuscht, da Mario Draghi keine konkreten Maßnahmen verkünden konnte. Vergangene Woche hatte der EZB-Chef durchschlagende Maßnahmen in Aussicht gestellt, denn er wollte "alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten".

Das hatte zunächst für Erleichterung auf den Anleihemärkten gesorgt. Vor der EZB-Ratssitzung am Donnerstag waren die Risikoaufschläge für italienische und spanische Staatanleihen am Sekundärmarkt wieder gefallen, trotzdem musste Spanien bei der seiner Anleiheauktion neue Rekordrenditen bieten.

Um zehnjährige Staatsanleihen loszuwerden, musste Madrid nun eine durchschnittliche Rendite von fast 6,7% bieten. Die Renditen gegenüber Juli (6,4%) sind weiter gestiegen. Sogar für vierjährige Bonds mussten die Iberer fast 6% bieten. Besonders stieg die Rendite bei Zweijahresläufern. Durchschnittlich mussten fast 4,8% geboten werden, bei der letzten Auktion waren es 3,6%. Es wird deutlich, dass immer mehr Anleger davon ausgehen, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre in Spanien ein Schuldenschnitt nach griechischem Vorbild möglich ist. Deutschland musste am Mittwoch noch 0,31% Rendite bieten, um fünfjährige Anleihen loszuschlagen.

Nachdem Draghi vor die Presse getreten war, explodierten die Risikoaufschläge gegenüber Bundesanleihen wieder. Mit knapp 600 Basispunkten sind die Zinsen für spanische Staatsanleihen am Sekundärmarkt wieder deutlich über die Absturzgrenze von 7% gestiegen. Für Italien stiegen sie auf mehr als 500 Basispunkte, womit italienische Anleihen wieder deutlich über 6% gehandelt werden. Die Börse in Madrid stürzte nach einem deutlichen Plus am Morgen, um fast 5,2% ab und Mailand um gut 4,6%.

Draghi konnte nach der Ratssitzung keine Maßnahmen ankündigen. Zwar wolle die EZB die Ankäufe von Staatsanleihen wieder aufnehmen, doch Details sollen erst in den nächsten Wochen ausgearbeitet werden. Er verwies vor allem darauf, dass vor einem Ankauf zunächst der temporäre Rettungsfonds (EFSF) aktiviert werden müsse. Der kann zwar Staatsanleihen aufkaufen, doch dafür müsste ein Antrag von Spanien oder Italien gestellt werden. Der ist wiederum mit Auflagen und stärkeren Kontrollen verbunden, was beide Länder vermeiden wollen. Für Spanien wurden deswegen schon viele Extrawürste gebraten. Die Aktivierung des EFSF "ist eine notwendige Bedingung", sagte Draghi. Es handele sich aber um keinen Automatismus, dass die EZB ebenfalls aufkauft, sagte er mit Blick darauf, dass sich die Bundesbank dagegen sperrt.

Spanien bleibt praktisch keine Wahl mehr: Es kann entweder ganz unter den Rettungsschirm gehen oder nach dem begrenzten Nothilfe-Antrag zur Bankenrettung den zweiten Trippelschritt tun, bevor der definitive Antrag bald folgen muss. Italien und Spanien haben aber noch einen neuen Vorschlag ins Spiel gebracht, um ihre hohen Zinsen zu senken. Sie wollen in Brüssel durchsetzen, dass die Europäische Union (EU) für einen guten Teil ihrer Staatsschulden bürgt. Die Zeitung El Economista hat am Donnerstag berichtet, dass darüber schon verhandelt werde und bezog sich auf an den Gesprächen beteiligte Kreise. Konkret soll die EU für die Schulden bürgen, die über der Maastrichter Stabilitätsgrenze von 60% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) beider Länder liegen.

Damit solle ein Schutzschirm geschaffen werden, der Spanien und Italien nicht nur weiterhin den Zugang zu den Finanzmärkten garantiert, sondern auch die Zinsen wieder bezahlbar macht. Denn auch Italien muss hohe Renditen bieten. Für zehnjährige Anleihen musste Rom am Montag knapp 6% bieten und auch bei fünfjährigen Bonds lag die Rendite mit 5,3% noch deutlich über der Marke von fünf%, die der italienische Notenbankchef Ignazio Visco langfristig für bezahlbar hält.

Das Problem Italiens ist, dass es einen Schuldenberg von fast zwei Billionen Euro angehäuft hat. Das sind schon mehr als 120% des BIP, das wird nur von Griechenland übertroffen. Hohe Zinsen schlagen auf den Haushalt des drittgrößten Eurolands noch stärker durch, als in Spanien. Dessen Verschuldung wird erst zum Jahresende auf etwa 80% der Wirtschaftsleistung anwachsen. Eine Bürgschaft über die 60%-Grenze hinaus bliebe im Fall Spaniens überschaubar, denn es handelte sich um eine Summe von etwa 200 Milliarden Euro. Im Fall Italiens müsste die EU dagegen gemäß dem spanisch-italienischen Vorstoß für etwa eine Billion Euro italienischer Schulden bürgen. Damit wäre sogar das Stammkapital des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) überschritten, der mit 700 Milliarden Euro ausgestattet werden soll.

Dass diese Vergemeinschaftung für die Haftung von Schuldenstaaten in Deutschland auf wenig Gegenliebe stößt, ist aber längst klar, weshalb dieser Vorstoß kaum Erfolgschancen hat. Berlin lehnt auch gemeinsame Anleihen (Eurobonds) vehement ab. Der Widerstand ist in Deutschland allgemein groß, den ESM mit einer Banklizenz auszustatten. Darüber könnte sich der dauerhafte Rettungsfonds bei der EZB nahezu unbegrenzt mit Geld versorgen, um Staatsanleihen von Krisenländern zu kaufen. Draghi stellte klar, dass nur auf politischer Ebene dem ESM eine Banklizenz verpasst werden könne. Derzeit sei es, auch wenn die ESM-Verträge zum Teil so interpretiert werden, aber nicht möglich, dass der ESM Geld von der Zentralbank bekomme.