Die Irrfahrt geht weiter
Die Energie- und Klimawochenschau: Die Saat von Chaos und Verunsicherung geht nun auf. EE-Projekte werden abgesagt oder ins Ausland verlagert. Energieprojekte, die per Klimafonds an den CO2-Handel gekoppelt waren, brechen mit dessen Ende weg.
Die Umstellung der Stromversorgung auf Erneuerbare wird immer mehr als Spielball einer konzept- und atemlosen Energiepolitk benutzt. Überdeutlich wird damit, dass man einen Paradigmenwechsel nicht von Leuten erwarten kann, die zu sehr in alten Zwängen verhaftet sind. Dass es bei der Umstellung der Energieversorgung um ein Generationenprojekt geht, haben die Verantwortlichen anscheinend längst in ihren Ränkespielen verdrängt, die jetzt auch noch in den Vorwahlkampf übergehen, es ist also wohl noch eine Steigerung des Gezerres zu erwarten.
Rückkehr der "German Angst" oder Verweigerung mit Methode
Die derzeitige Regierung hat offensichtlich auch gar keinen Kompass, in welche Richtung es denn überhaupt gehen soll, statt dessen wird mit hergeholten Zahlenspielen agiert und so enormer Schaden angerichtet. Das Thema Stromversorgung wird dabei für allerlei Populismus instrumentalisiert, von Atomausstieg und Blackoutwarnungen bis hin zu Sozialtarifen.
Dabei macht der Stromverbrauch rein mengenmäßig nur ein Viertel des gesamten Energieverbrauchs bei uns aus, die übrigen drei Viertel werden für den Verkehr, die Gebäudebeheizung und die Produktion verbraucht. Und dieser Hauptposten wird immer noch fossil befeuert.
In der aktuellen Stromdiskussion wird also ein Nebenschauplatz zur Hauptsache stilisiert. Martin Unfried titelte deshalb in der Zeitschrift Sonnenenergie sehr zutreffend "Die Stromwende ist Pipifax im Vergleich zu Verkehrs-, Ernährungs- und Heizungswende" Seiner Ansicht nach sind die wesentlichen Blockaden der umfassenden Energie- und Nachhaltigkeitswende auch gar nicht technischer oder ökonomischer Natur sondern kultureller und emotionaler.
Ist also das, was in den letzten Wochen und Monaten so hingebungsvoll geschürt und auf die Spitze getrieben wird, die Panik vor neuen Stromtrassen, höheren Stromtarifen, steigender Umlage etc., nichts weiter als die Rückkehr der altbekannten "German Angst", eine Mischung aus melancholischer Endzeitstimmung angesichts des unausweichlichen Klimawandels und gleichzeitig ein zunehmendes ängstliches Zögern, je näher sich die Chance zur Änderung mit der Umstellung auf Erneuerbare abzeichnet?
Unsicherheit breitet sich aus, EE-Projekte werden gecancelt oder wandern ins Ausland ab
Die Hiobsbotschaften häufen sich. Im Norden steht der Umbau einer ganzen Region auf dem Spiel. In Niedersachen arbeiten inzwischen 20.000 Menschen direkt in der Windkraftbranche, in Schleswig Holstein sind es 8.000. Hafenstandorte wurden für die geplanten Offshore-Windkraftwerke wiederbelebt und im Umfeld der Windkraft entwickeln sich neue Branchen u.a. im Maschinenbau. Das steht nun auf der Kippe, Wolfgang Pomrehn berichtete auf Telepolis gerade darüber, für welche Unsicherheit die Pläne der Bundesregierung, die Energiewende auszubremsen, dort sorgen (Windenergie: Projekte werden zurückgestellt).
Am anderen Ende der Republik legen die Stadtwerke München (SWM) ihre Investitionspläne auf Eis und wollen in Deutschland vorerst nicht mehr in erneuerbare Energien investieren. Das kündigten sie als Reaktion auf die Pläne von Altmaier und Rösler an.
SWM-Geschäftsführer Florian Bieberbach sagte, die angekündigten rückwirkenden Kürzungen für Bestandsanlagen und Anlagen die schon im Bau sind, seien kontraproduktiv. Dadurch werde das unternehmerische Risiko bei der derzeitigen Lage völlig unkalkulierbar. Deshalb müssten die Stadtwerke Investitionen in erneuerbare Energien solange stoppen, bis wieder klare Bedingungen herrschen. Am Ausbauziel der Stadtwerke, bis 2025 so viel Ökostrom zu erzeugen, wie die Stadt München verbraucht, wolle man festhalten, doch für die vorgesehenen 9 Mrd. Investitionen wolle man sich jetzt verstärkt in den Nachbarländern umschauen.
Milliardenloch im Klimafonds
Auch die Kopplung von energetischen Modernisierungsprojekten an die AKW-Laufzeitverlängerungen und den CO2-Handel bietet jetzt einen Vorwand für ein beschleunigtes Zusammenbrechen diverser Programme.
Der sogenannte Energie- und Klimafonds war 2010 von der schwarz-gelben Bundesregierung eingerichtet worden. AKW-Betreiber sollten eine Abgabe auf ihre nun zusätzlichen Gewinne aus der Laufzeitverlängerung in den Fonds einzahlen und die Laufzeitverlängerung so schließlich per Greenwashing Akzeptanz finden. Auch Einnahmen aus dem CO2-Emissionshandel sollten dazu beitragen, dass kommunale Klimaschutz-Programme, die Elektromobilität und die energetische Gebäudesanierung angeschoben werden. Als Vorwand für die jetzt kommenden Programmstreichungen werden der Preisverfall von Kohlendioxid-Zertifikate und das Endes des Handels mit ihnen genannt, dabei hat die Bundesregierung daraus 2012 noch 1 Mrd. Euro eingenommen.
Die erste Maßnahme, die jetzt, mit Hinweis auf Ebbe im Fonds, gecancelt wird, ist die Förderung von Solarstromspeichern, mit dem stationäre Batteriespeichersysteme in Verbindung mit einer netzgekoppelten Photovoltaikanlage durch zinsgünstige Darlehen gefördert werden sollten, gegenfinanziert, das sollte man nicht verschweigen, durch eine geplante neue Steuer auf Eigenstromverbrauch. Geplant war, das Programm ab dem 1. Mai zu starten. Doch anscheinend schießt wieder das Bundeswirtschaftsministerium dazwischen. Laut der Fachzeitschrift Photon erklärte ein Sprecher des Wirtschaftsministerium, die Mittelzuweisungen für 2013 würden noch einmal regierungsintern beraten. Die KfW, über die das Programm laufen sollte, musste deshalb die Informationen zum Programm wieder vom Netz nehmen.
Einnahmen zugunsten der Energiewende liegen auf Eis
Die FAZ berichtet von einem weiteren Fall, bei dem Steuereinnahmen aus der EEG-Umlage zurückgehalten werden, die eigentlich für die Energiewende eingesetzt werden könnten - aber anscheinend genau das nicht sollen. Der Bund und die Länder haben nämlich seit der Einführung der EEG-Umlage kräftig mitverdient, von 2000 bis 2012 6,2 Mrd. Euro. Dieses Jahr käme noch einmal eine weitere Milliarde dazu. Besonders auffällig ist, dass die Panikstimmung der letzten Jahre durch den dadurch ausgelösten PV-Zubau jeweils zu den größten Mehrwertsteuerzuwächsen führte.
Die Chefin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, Hildegard Müller verlangte in der FAZ, dass diese Zusatzeinnahmen zweckgebunden für den Energie- und Klimafonds eingesetzt werden. Da sich diese Einnahmen auf Bund und Länder gleich verteilten, wäre das auch eine gerechte Lastenteilung.
Doch das Ende des CO2-Handels könnte nun auch das Ende einiger Blüten des Clean-Development-Mechanism (CDM) aus dem Kyoto-Protokoll bedeuten. Diese Projekte sollten eine Modernisierung der "Entwicklungshilfe" bringen. Die Idee dahinter: Unternehmen bauen in ärmeren Ländern (vor allem Indien und China) kostengünstig Anlagen oder Projekte auf, die dort zu einer nominellen CO2-Minderung führen. Im Gegenzug können sie sich diese auf ihre Emissionsminderungsverpflichtung in ihren Heimatländern anrechnen lassen. Das Ende des CO2-Handels könnte damit auch ein Ende der Ausflüchte in Deutschland selbst bedeuten.
Dazu muss die Minderung des Energieverbrauchs und die Umstellung auf nachhaltige Energiequellen aber konsequent realisiert werden. Der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer fordert angesichts der aktuellen Debatten, die Bevölkerung müsse mehr eingebunden werden und es bräuchte einen professionellen Projektmanager zur Umsetzung der Energiewende, jemanden, der parteiübergreifend respektiert werde und Erfahrung in der Umsetzung großer Projekte habe. Wie wäre es, wenn die Bevölkerung selbst diesen Part übernimmt, denn das ursprüngliche EEG zeigt, dass die Partizipation selbst das Erfolgsmodell ist.