Glasnost in Bayern?

Die CSU-Gremien haben sich erwartungsgemäß einstimmig hinter der Stoiber gestellt - doch der Modernisierungsprozess ist deswegen nicht aufzuhalten

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Die alljährlich am Jahresbeginn stattfindenden CSU-Tagungen im bayerischen Wildbad Kreuth erfreuten sich in den letzten Jahren immer großen öffentlichen Interesses. Wird doch schon seit den Zeiten von Franz Josef Strauss der Kreuther Geist beschworen. Schließlich hatte er einmal 1976 versucht, von dem kleinem Ort aus Geschichte zu schreiben, als er die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU auflösen und die CSU als bundesweite Rechtspartei etablieren wollte. Schon nach kurzer Zeit musste Strauss dieses Vorhaben aufgeben. Doch selbstbewusst blieben die bayerischen Konservativen auch danach. In Kreuth wurden immer ziemlich ungefiltert formuliert, wo den deutschen Konservativen der Schuh drückt.

Doch in diesem Jahr ist es vor allem der Zustand der CSU selber, der Anlass zu Kommentaren und Spekulationen gibt. Dabei ist eigentlich alles geklärt. Das CSU-Präsidium und die Bezirksvorsitzenden der Partei haben sich einstimmig hinter Stoiber gestellt. Spätestens in der kommenden Woche wird er zum Kanzlerkandidaten für die Landtagswahl im nächsten Jahr ausgerufen.

Modernisierung der Partei mit CSU-Landrätin Pauli?

Damit soll auch die Debatte beendet werden, die von der bisher zumindest nördlich des Mains wenig bekannte CSU-Landrätin Gabriele Pauli ausgelöst hatte. Sie hatte schon im Herbst 2006 auf ihrer Homepage daran gezweifelt, dass Stoiber für die CSU der beste Kandidat für die Landtagswahl ist und hat eine Mitgliederbefragung gefordert. Das ist eigentlich selbst bei bodenständigen Konservativen keine besonders revolutionäre Forderung mehr. Schließlich hat die CDU in Baden-Württemberg auf diese Weise ihren Spitzenkandidaten nominiert. Doch die CSU-Führung machte die Schotten dicht. Paulis zaghafte Reformversuche wurden als Majestätsbeleidigung ersten Ranges aufgefasst.

In der Umgebung des Ministerpräsidenten konnte man sich Paulis Kritik scheinbar nur als Folge einer persönlichen Krise erklären. Deshalb erkundigte sich Stoibers Büroleiter Michael Höhenberger bei Parteifreunden nach Alkoholproblemen oder Männerbekanntschaften der Politikerin. Dabei mag er sicherlich wenig Unrechtsbewusstsein gehabt haben. Erfunden hat das System jedenfalls nicht. So musste Monika Hohlmeier, Tochter des Alt-Ministerpräsidenten Strauß, einen Karriereknick hinnehmen, als sie die Beschuldigungen nicht widerlegen konnte, über Parteifreunde Dossiers angelegt und diese auch bei Streitigkeiten benutzt zu haben.

Allerdings scheint sie schon wieder an einer neuen Parteikarriere zu arbeiten. Ihr Vater hat schließlich ganz andere Affären überstanden. Dass er sogar Journalisten außerhalb des Rechtswegs ins Gefängnis brachte, begründete zwar den guten Ruf des Spiegel, verhinderte aber nicht, dass Strauß in der CSU Zustimmungswerte hatte, die an die SED erinnerten. Daran ließen auch die Erklärungen der vergangenen Tage denken: die einstimmigen Voten für Stoiber, die klare Ablehnung einer Mitgliederbefragung und die unmissverständliche Forderung an Pauli, die Debatte jetzt zu beenden. Was aber, wenn sich die Kritikerin daran nicht hält, haben schon manche noch in der Strauß-Ära schwelgenden CSU-Politiker deutlich gemacht. Dann muss die Kritikerin eben aus der Partei gut CSU-demokratisch ausgeschlossen werden.

Stoiber-Dämmerung

Doch selbst wenn Pauli sich jetzt fügen sollte, wie die halbherzigen Stoiber-Kritiker, die sich im Schatten der Landrätin am Jahreswechsel auch mal mit kritischen Bemerkungen zu Wort meldeten, so zeigt doch die Debatte der letzten Wochen, dass die CSU alten Stils am Ende ist. Die Partei ist am Beginn eines Modernisierungs- und Demokratisierungsprozesses, vor deren Ergebnissen sich viele Politiker fürchten, die ihre Macht dem alten System CSU verdanken.

Gerade die hundertprozentigen Treueschwüre zeigen diese Furcht. Was die im Ernstfall Wert sind, lässt anhand der Geschichte ähnlich strukturierter Parteien nachvollziehen. So ist einer der maßgeblichen Gründe für das Festhalten an Stoiber der Mangel an Alternativen. Stoiber konnte in Bayern nach seinen Rückzug aus Berlin auch deshalb so unangefochten weiter regieren, weil die Partei vor einem Machtkampf zwischen den möglichen Nachfolgern Huber und Beckstein zurück schreckte. Mit dem von Pauli ebenfalls ins Gespräch gebrachten Gesundheitsminister Seehofer würde die Zahl der Kandidaten erhöht. Dass mit Kurt Waigel gar ein Politiker der Kohl-Ära als Nachfolger von Stoiber ins Gespräch gebracht wurde, zeigt das Dilemma der Partei.

Inhaltliche Alternativen sind mit keinen der Namen verbunden. Es geht eher um unterschiedliche Seilschaften, die verschiedene Interessen im durchaus nicht so homogenen Bayern vertreten. Die Differenzen zwischen Franken und Altbayern spielen dabei ebenso eine Rolle wie unterschiedliche ökonomische Interessen, die mit dem Bonmot vom CSU-Erfolgsrezept „Laptop und Lederhose“ nur notdürftig kaschiert werden können. Einstweilen versucht man durch das Festhalten an Stoiber diese Widersprüche noch unter dem Deckel zu halten. Außerdem will niemand Verantwortung für einen eventuell schlechten Wahlausgang bei der Landtagswahl 2008 übernehmen. Da muss der alte Ministerpräsident noch mal ran. Erst danach wird sich zeigen, ob sich neue Kandidaten für Nach-Stoiber-Ära herausgebildet haben, wie schwer sich die Partei mit dem Modernisierungsprozess tut und in welche Richtung er geht.

Lachende Dritte

Entspannt kann einstweilen die CDU-Führung um Merkel einstweilen nach Kreuth blicken. Der Mann, dem sie 2003 noch den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur überlassen musste und der auch später immer wieder deutlich machte, wie schwer er sich mit seiner Niederlage abfinden konnte, ist für sie keine Gefahr mehr. Dabei hat die CSU gerade in der Frage der Gesundheitsreform der Bundesregierung das Leben schwer gemacht. Mittlerweile sieht die CSU nur noch Korrekturbedarf, will die Reform aber im Bundesrat nicht scheitern lassen. Doch selbst eine Ablehnung Bayerns im Bundesrat würde die Mehrheit nicht gefährden und kann daher von der Union gelassen verfolgt werden.

Auch auf außenpolitischen Gebiet setzte die CSU durchaus andere Akzente als die große Schwesterpartei. So macht sie sich den zunehmenden Unmut auch konservativer Kreise über die zahlreichen Auslandseinsätze der Bundeswehr zu nutze. Schon wegen der knappen Kapazitäten sei eine „selektive Beteiligung der Bundeswehr an internationalen Missionen“ unausweichlich, zitierten medien heute aus einem Papier, das in Kreuth verabschiedet werden soll. Im Klartext heißt das: Auslandseinsätze ja, aber man möge genauer darauf achten, welche Missionen in deutschem Interesse sind. Es wird sich zeigen, ob eine modernisierte CSU diesen Kurs fortsetzen oder sich stärker an der Mehrheitslinie der Union orientieren wird.