Vom Spin zum Strom

Die Spintronik (und damit sparsamere und schnellere Computer) rückt der Praxis wieder ein Stück näher: Kohlenstoff-Nanoröhrchen sollen ein Hauptproblem der Technologie lösen, weil sie Spin-Information sehr effektiv in elektrische Signale umwandeln

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Eigentlich sind die Voraussetzungen traumhaft: Eine neue Technologie zu etablieren, die auf jeder Menge Bekanntem basiert, sollte doch deutlich einfacher sein, als ein völlig neues Prinzip in die Praxis umzusetzen. Trotzdem übt das Quantencomputing, das noch mindestens zehn, wenn nicht 50 Jahre von der Praxisreife entfernt ist, auf die Forschergemeinde anscheinend eine höhere Faszination aus als eine Disziplin, die eine weitere Eigenschaft der Hauptdarsteller der Elektronik nutzt. Und zumindest in modernen Festplatten-Leseköpfen schon als Sensor für Magnetfelder Anwendung findet. Die Spintronik macht sich zunutze, dass Elektronen außer ihrer Ladung auch noch ein anderes Kennzeichen besitzen, den Spin.

Dabei handelt es sich um eine quantenmechanische Eigenschaft, die man klassisch als Eigendrehimpuls interpretieren könnte. Der Spin eines Elektrons steht direkt zu seinem magnetischen Moment in Beziehung - man kann Elektronen also mit Hilfe eines Magnetfelds anhand ihres Spins differenzieren.

Auf diesem Prinzip aufgebaute Transistoren hat die Wissenschaft bereits mehrfach beschrieben (vgl. Die spinnen, die Elektronen, Revolution der Basistechnologie und Mit Mini-Magneten ist zu rechnen). Die Hoffnung geht unter anderem dahin, in einer einzigen Speicherzelle gleich mehrere Bits aufnehmen zu können - basierend auf Ladung und Spin als unabhängigen Eigenschaften.

Künstlerische Darstellung der Spin-Injektion aus den Manganit-Elektroden in die Kohlenstoff-Nanoröhrchen (Bild: M. Pruneda)

Spin-basierte Transistoren haben zudem den Vorteil, dass sie schneller arbeiten können als solche, die ganz altmodisch auf dem Ladungstransport aufbauen. Dabei verbrauchen sie auch noch weniger Strom. Und schließlich merken sich spinbasierte Speicherzellen ihren Inhalt auch noch besser als ladungsbasierte.

Hoch effektiver Spintransistor aus Manganit-Elektroden und einem Nanoröhrchen

Zumindest zum Detektieren magnetischer Felder hat es die Spin-Technik schon in die Praxis geschafft: So genannte "spin valves" werden in Festplatten-Leseköpfen eingesetzt. Um auch praktisch einsetzbare Transistoren zu konstruieren, fehlen den Ingenieuren noch ein paar Grundlagen. Es war zum Beispiel bisher ein Problem, den nötigen Anschluss zu finden - sprich, Spin-Informationen wieder in elektrische Ströme zu wandeln, um sie mit bekannter Elektronik ausgeben zu können.

Dabei soll nun (carbon nanotubes, CNT) nämlich. Europäische Forscher aus Großbritannien, Frankreich und Spanien zeigen im Forschungsmagazin Nature, wie sich aus Manganit-Elektroden und einem Nanoröhrchen ein hoch effektiver Spintransistor konstruieren lässt.

Bisherige Vorschläge waren davon ausgegangen, die Spins der Elektronen in einem Halbleiterkanal zwischen zwei ferromagnetischen Kontakten zu manipulieren. Das ist aber problematisch - Halbleiter- und ferromagnetische Materialien wollen sich nicht so recht vertragen. Dem Forscherteam um Luis Hueso ist es nun gelungen, die Halbleiterbrücke durch eine solche aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen zu ersetzen. Als Material für die ferromagnetischen Kontakte kommt La0.7Sr0.3MnO3 zum Einsatz, ein stark spinpolarisiertes Manganit. Damit erreicht das System eine ungewöhnlich hohe Effizienz - einen magnetoresistiven Effekt von 61 Prozent (der sonst eher bei einem Prozent liegt).

Dafür machen die Wissenschaftler drei Faktoren verantwortlich: Erstens die lange Lebensdauer der Spin-Eigenschaft im Nanoröhrchen, zweitens die hohe Fermi-Geschwindigkeit der Elektronen darin (die ihre Verweilzeit minimiert) und drittens die starke Spin-Polarisation in den Manganit-Elektroden.

Darstellung der Manganit-Orbitale, die verdeutlicht, wie die Spins in die auf den Elektroden platzierte Nanoröhre "wandern" (Bild: M. Pruneda)

Allerdings gelten die gemessenen Werte bei 5 Kelvin - bei höheren Temperaturen sind unter anderem die Spins in den Elektroden nicht mehr derart geordnet. Bis 120 Kelvin lässt sich das System noch vernünftig einsetzen - das ist zwar immer noch deutlich unter der Rraumtemperatur, liegt aber, wie die Autoren betonen, weit über anderen bisher erreichten Ergebnissen.

Für die Zukunft muss es nun das Ziel sein, das Manganit durch Stoffe mit höherer Curie-Temperatur zu ersetzen. Kobalt könnte zum Beispiel geeignet sein - in früheren Versuchen war dabei allerdings der Übergangswiderstand zu gering, so dass eventuell eine dünne Isolierschicht eingebracht werden muss.