Dem "Gladiator" gelang es, über 45 Millionen Jahre unerkannt zu überleben

Lebende Fossilien im namibischen Brandbergmassiv entdeckt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Gladiator ist ein unscheinbarer Wüstenkäfer mit einer Körperlänge von zweieinhalb bis drei Zentimetern. Das Insekt hat sechs Beine, auf denen es unbeholfen watschelt.

Der Körper des nachtaktiven Jägers wird von einem dreigeteilten Panzer geschützt, der mit Stacheln besetzt ist. Seine langen, antennenförmigen Fühler ertasten auch in vollkommener Dunkelheit noch die Beute, die aus kleineren Insekten besteht. Der Gladiator lebt in den Felsspalten des Brandberg-Massivs in Namibia. Das ist ein 2600 Meter hohes Inselgebirge in der Wüste Namib. Der Brandberg erscheint nur auf den ersten Blick als unwirtlich. Das Gebirge ist durch ein besonderes Lokalklima ausgezeichnet, das eine savannenartige Vegetation ermöglicht, die wiederum den Lebensraum für Insekten wie den Gladiator bildet.

Dieses eher unscheinbare Tier wurde zum Shooting Star der Zoologie. Der Gladiator ist ein lebendes Fossil. Man kennt ihn bisher nur aus Einschlüssen in baltischem Bernstein, der schätzungsweise 45 Millionen Jahre alt ist. Das Insekt passt in keine der bisher bekannten Insektenordnungen. Es ähnelt einer Mischung aus Stabschrecke und Gottesanbeterin. Das ergaben Untersuchungen an der Bremer Universität. Mit den Mantophasmatodea stieg jetzt die Zahl der international bekannten Insektenordnungen auf einundreissig, erstmals seit über 85 Jahren.

Die Entdeckungsgeschichte rund um das neue Insekt ist ziemlich verwickelt. Vor einem Jahr entdeckte der Insektenforscher Oliver Zampro vom Max-Planck-Institut für Limnologie in Plön bislang unbekannte Käfer in versteinertem Bernstein und bezeichnete sie wegen ihres verwegenen Panzers als Gladiatoren. Weitere Exemplare des Gladiators fand der Wissenschaftler in den Sammlungen der Naturkundemuseen in London und Berlin. Die Insekten fand man 1909 und 1950 in Namibia und Tansania, ohne sich allerdings genauer darum zu kümmern. Der Gladiator ist ein Zufallsfund.

Im Sommer letzten Jahres bereiste der Bremer Biologiestudent Martin Wittneben das namibische Brandbergmassiv. Er wollte in dessen Spalten und auf dessen Hochebenen die savannenartige Vegetation untersuchen, die sich dort ansiedeln konnte. Eines Nachts zog er noch einmal los, um Holz für sein Lagerfeuer einzusammeln. Im Schein der Taschenlampe entdeckte er ein Insekt, das er spontan für interessant hielt. Er fing das Tier ein und konservierte es in Brandy, um es in Bremen genauer untersuchen lassen zu können. Die Untersuchungen an der Bremer Universität legten nahe, dass es sich um einen bedeutenden Fund handeln muss. Martin Wittnebens präzise Angaben über den Fundort ermöglichten einer zweiten Expedition mit namibianischen Biologen aus der Universität von Namibia und dem Nationalen Museum in Windhoek die Entdeckung einer größeren Gladiatoren-Population. Den kleinen, dreifach gepanzerten Räubern gelang es in den Felsspalten des unwirtlichen Brandberg-Massivs, über 45 Millionen Jahre unerkannt zu überleben.

Entsprechend begeistert sind die Reaktionen der Fachleute. Die Pressestelle der Bremer Universität spricht offen von einem Jahrhundertereignis für die Zoologie. Die Max-Planck- Gesellschaft jubelt in einer Pressemitteilung gar, es wäre so, als würde man mal eben so ein Mammut oder einen lebenden Säbelzahntiger finden. Der Biologiestudent Martin Wittneben ist sehr stolz darauf, einen wesentlichen Beitrag zu seiner Wissenschaft geleistet zu haben. Er ist übrigens gebürtiger Namibianer und entstammt einer Familie deutscher Einwanderer. Martin Wittneben sieht seinen Beitrag an der Entdeckung des Gladiators als Teil der Brücke zwischen Afrika und Europa und wird nach seinem Diplom als Biologe nach Namibia zurückkehren, um dort zu arbeiten und zu leben.