Neonazis in Securityfirmen

Das Sicherheitsgewerbe hat sich zur attraktiven Einkommensquelle vieler Neonazis entwickelt

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Private Securityfirmen befinden sich nach wie vor im Aufwind. Unheimlich, still und leise erobern sie im exekutiven Bereich zahlreicher Innenstädte Macht und Einfluss. Private Sicherheitsfirmen sorgen inzwischen, neben den herkömmlichen Aufgaben, auch für Postzustellungen und Feuerwehrdienste. Waren 1989 bundesweit etwa 700 private Sicherheitsdienste im Einsatz, sind es heute fast 1.500 Dienste mit rund 250.000 Beschäftigten.

Ein bekanntes Bild in Bahnhöfen - wie auch in Shoppingcentern: Wachleute scheuchen Obdachlose und Punker aus den warmen Hallen, machen damit häufig recht rabiat vom Hausrecht Gebrauch. Seit den Anschlägen vom 11. September ist das Sicherheitsgefühl der Deutschen rasant gestiegen - bedenklich nur, dass in den Wachmann-Uniformen auch schon mal vorbestrafte Straftäter stecken. Die Medien berichten seit Jahren über rassistische oder gewaltbereite Übergriffe durch Wachpersonal. Nur in Einzelfällen wurde genau hingeschaut und festgestellt, welche Personen für "Sicherheit" sorgen oder für das, was sie darunter verstehen.

Dabei steht fest, dass Securityleute nicht nur immer häufiger wie Neonazis aussehen und sich so benehmen, sondern auch der gewalttätigen rechtsextremen Szene angehören. Doch damit könnte bald Schluss sein - vorausgesetzt, die Innenministerien wenden die neue Bewachungsverordnung an, die seit dem 15. Januar 2003 in Kraft ist. Danach legt die Bundesregierung verstärkten Wert auf "sicheres" Wachpersonal. Im §9 heißt es dazu:

"...(1) Der Gewerbetreibende darf mit Bewachungsaufgaben nur Personen beschäftigen, 1. die zuverlässig sind, 2. die das 18. Lebensjahr vollendet oder einen Abschluss nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 besitzen und (...) (2) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel auch solche Personen nicht, die 1. Mitglied a) in einem Verein, der nach dem Vereinsgesetz als Organisation unanfechtbar verboten wurde oder der einem unanfechtbaren Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz unterliegt oder b) in einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes festgestellt hat, waren wenn seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen sind, oder 2. einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Bundesverfassungsschutzgesetz verfolgen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt haben. Zum Zwecke der Zuverlässigkeitsüberprüfung von Wachpersonen, die mit Schutzaufgaben im befriedeten Besitztum bei Objekten, von denen im Falle eines kriminellen Eingriffes eine besondere Gefahr für die Allgemeinheit ausgehen kann, beauftragt werden sollen, kann die zuständige Behörde deshalb zusätzlich bei der für den Sitz der Behörde zuständigen Landesbehörde für Verfassungsschutz die Abfrage den nachrichtendienstlichen Informationssystems veranlassen. Das gilt auch nach Aufnahme der Tätigkeit einer Wachperson. (...)

Quelle

Formuliert wurde diese Verordnung im Hinblick auf mögliche "islamistische Terroristen" Anwendbar ist sie aber genau so auf rechtsradikale. Immer vorausgesetzt, es besteht überhaupt die Absicht, Neonazis aus den Wachfirmen herauszuhalten bzw. wieder herauszudrängen. Einige Firmen, insbesondere in den neuen Bundesländern dürften dann allerdings vor erheblichen Problemen stehen.

Zum Beispiel: Die Wachfirma Zarnikow aus Rathenow in Brandenburg

Das Unternehmen beschäftigt seit längerem immer wieder gerichtsbekannte Rechtsextremisten aus dem vom brandenburgischen Verfassungsschutz beobachteten Umfeld der "Kameradschaft Hauptvolk". Nachweislich stellte Firmenchef René Zarnikow Neonazis wie Maurice Kindt, Daniel Kuhn, Jens Riedel und Christian Wendt als Sicherheitspersonal ein. Sie sind im Einsatz, wenn in der Umgebung Volksfeste gefeiert werden, wie im August letzten Jahres beim " Dachsbergfest" im benachbarten Premnitz, oder sie sichern auch, wenn politische Prominenz, wie Stoiber und Schönbohm den Wahlkreis besucht.

Christian Wendt wurde gerade kurz vor seinem Wachdiensteinsatz aus dem Gefängnis entlassen, er war zu einer fünfjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden, weil er gemeinsam mit anderen Neonazis einen Bosnier beim Reiterball in Rhinow halb totgeschlagen hatte. Neonazi Daniel Kuhn ist wegen Waffenmissbrauchs und Körperverletzungsdelikten vorbestraft.

Doch damit nicht genug: Zarnikow sorgt auf ganz besondere Weise auch für die "Sicherheit" des örtlichen, von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) betriebenen Asylbewerberheimes. Einer seiner dort zumindest in den vergangenen Monaten eingesetzten Männer ist Jörgen Ceppok, langjähriger Angehöriger der örtlichen rechten Szene, seit einiger Zeit angeblich nicht mehr aktiv. Zahlreiche Flüchtlinge fühlen sich deshalb eher von den Zarnikow-Leuten überwacht als bewacht. Denn wie es scheint, pflegt der angebliche "Aussteiger" Ceppok weiter den Kontakt zu seinen alten Kameraden.

Einer der Bewohner erinnert sich an einen nächtlichen Vorfall, als er auf dem Flur des Flüchtlingsheims stand und um Ruhe bat. Die glatzköpfigen Freunde des Wachmanns griffen ihn an, wurden dann jedoch noch von ihm aufgehalten. Es blieb bei Beleidigungen. Noch. Immer wieder berichten Flüchtlinge von Pöbeleien und Angriffen, insbesondere, wenn sie abends in Rathenow unterwegs sind. Viele der Flüchtlinge haben bereits um eine Verlegung aus Rathenow gebeten. Der brandenburgische Ort ist der Polizei seit langem als ein rechts- extremer Brennpunkt bekannt. Es gibt immer wieder blutige Überfälle, auch auf jugendliche Nazigegner. Die meisten kommen nicht einmal zur Anzeige. Die Firma Zarnikow gilt vor Ort als einflussreich, immerhin erhält sie Aufträge der Kommunen und sogar der - zumindest im Westen als eher links geltenden "Arbeiterwohlfahrt". Deren Bundesgeschäftsführer Rainer Brückers, versichert denn auch gegenüber Telepolis:

...dass sich die AWO als sozialer und demokratischer Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege nachdrücklich zur politischen Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und rechtradikaler Gewalt bekennt.

Jedoch, so der Bonner AWO-Mann weiter, besteht kein Handlungsbedarf, denn :

Nach Auskunft der Landesgeschäftsführerin Frau Dr. Brigitte Schnabel gibt es zur Zeit keine Belege für die Beschäftigung von Rechtsradikalen - weder vom Landratsamt, noch beim Ministerium oder beim Träger...

So wundert es nicht weiter, dass Proteste der Flüchtlinge und ihrer Unterstützer gegen die Neonazis im Asylheim bisher erfolglos blieben.. Obwohl, sowohl Innenministerium als auch Sozialministerium sich jüngst doch genötigt sahen, eine erneute Überprüfung der äußerst bedenklichen Firma anzuordnen, stehen die zumeist tätowierten, kurzgeschorenen Muskelmänner von Zarnikow noch Wache im Flüchtlingsheim. Landessozialminister Günter Baaske (SPD) ließ Ende Dezember 2002 erklären:

Dem Sozialministerium liegen weiterhin keine konkreten Hinweise vor, dass das Heim von rechtsradikalen Mitarbeitern des Unternehmens bewacht werde. Es gibt allerdings Indizien dafür, wonach in dem Unternehmen derartige Personen beschäftigt seien.

Da diese Informationen seit dem Jahr 2000 vorliegen, hatte das Sozialministerium in der Vergangenheit Stellungnahmen zur Sicherheit des Heims eingefordert. Dem Sozialministerium wurden keine Beanstandungen gemeldet.

www.brandenburg.de

Tatsächlich hatten sich die Heimbewohner in mehreren offenen Briefen an die Behörden und die Öffentlichkeit gewandt.

Rechte sorgen für "Ruhe und Ordnung" in Sachsen-Anhalt

In Sachsen-Anhalt warnt der Verfassungsschutz vor den Kommerzialisierungsversuchen des militanten "Selbstschutz Sachsen-Anhalt" des Neonaziführers Mirko Appelt aus Salzwedel. Im jüngsten Verfassungs- schutzbericht des Landes wird darauf verwiesen, dass die Gruppierung sich via Internet um Security-Aufträge bemühe. Sie bezeichnet sich als einen "nicht gewerblichen Zusammenschluss aus geschulten Personen, die in ihrer Freizeit Ordnertätigkeiten ausüben."

Angeboten werden Ordnerdienste auf Saalveranstaltungen und Demonstrationen, sowie jede andere Tätigkeit aus dem Ordnerdienst. Gegenüber den Autoren prahlt Appelt mit zahlreichen privaten Aufträgen, sein Terminkalender ist voll. Er berichtet, dass seine Truppe bereits bei Tanzveranstaltungen und auf Volksfesten im Einsatz war. Angeblich waren Appelts Mannen auch für Großveranstaltungen wie Reiterfesten, den traditionellen "Kränzchenreiten" mit bis zu 1000 Besuchern, als Securities engagiert. Appelts Kameraden stehen als Türsteher vor Diskotheken, so unter anderem auch in Salzwedel und in Burg. Wer reinkommt und wer nicht, entscheiden die Neonazis. Dieses Treiben zeigt bereits Wirkung. Beim Vereins "Miteinander - Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt e.V." dessen weitere Existenz die CDU-FDP-Regierung in Magdeburg derzeit durch Mittelentzug in Frage stellt, haben sich immer wieder Jugendliche gemeldet, die erklärten dass sie "von Personen aus dem Umfeld des SS/SA bedroht wurden" und dass ihnen der" Einlass zu eigentlich öffentlichen Veranstaltungen von rechten Wachleuten verwehrt wurde." Inzwischen arbeitet Neonazi Appelt an der Ausdehnung seines gefährlichen Einflussgebietes, so sollen "Selbstschutz"-Truppen auch in Sachsen entstehen.

Neonazis als Ausbilder

Auch in den alten Bundesländern sind Neonazi-Aktivitäten bisher kein Hindernis für eine Tätigkeit im Security-Bereich. So sorgt die Firma "WR-Security" in Kaiserslautern nicht nur für die Sicherheit des Bundesliga-Fußballclubs 1. FCK, sondern bewachte nach eigener Darstellung in Mainz auch schon die Rheinland-pfälzische Staatskanzlei ebenso wie das ZDF und den SWR. Im Internet wirbt das Unternehmen unter dem Stichwort "Bodyguards" mit einem Foto, auf dem einer ihrer Mannen auch Bundeskanzler Schröder bewacht

Im Kampfsport trainiert wurden die so prominent eingesetzten Securityleute von einem der bekanntesten Neonazis des Landes, Axel Flickinger, bis vor einigen Monaten noch Landesvorsitzender der Jungen Nationaldemokraten

Hinweisen aus der rechten Szene zufolge stammt neben Flickinger ein weiterer "WR"-Trainer aus dem gewaltbereiten Hooligan-Milieu und ein anderer war Anhänger des militanten "Stahlhelm- Kampfbundes für Europa" Es soll immer wieder zu brutalen Ausfällen der WR-Security gekommen sein, zum Beispiel als Flugblattverteiler, die anlässlich einer Veranstaltung zur deutsch-amerikanischen Städtepartnerschaft am 15. 10. 2000 gegen die Todesstrafe in den USA protestieren wollten. Der Besitzer von "WR", Werner Rohde, wusste seit langem von Flickingers politischen Engagement bei der Jugendorganisation der NPD, hatte jedoch nichts dagegen einzuwenden.

"National befreite Zonen" - durch rechte Securities ?

Das Sicherheitsgewerbe hat sich zur attraktiven Einkommensquelle vieler kampfsportgestählter Neonazis entwickelt. Für "Recht und Ordnung" zu sorgen, einseitige politische Macht auszuüben und die Möglichkeit, die rechte Szene damit finanziell auch noch zu unterstützen - eine gefährliche Kombination, die auch in vielen anderen deutschen Städten bereits Anwendung findet. Der Bundesverband des Wachgewerbes BDWS sieht bisher keinen besonderen Handlungsbedarf. Neonazis in Securityfirmen werden dort bisher nicht als Problem erkannt. Dem gegenüber hat das Bundesamt für Verfassungsschutz Mitte letzten Jahres unter den Landesämtern eine Anfrage zum Thema "Rechtsradikale in Wachdiensten" gestartet. Das Ergebnis lässt auf sich warten.