Sanktionen für Yildirims härter als für Bergmanns?

Bald heißt es Bürgergeld: Das knapp bemessene Existenzminimum würden einige Deutsche eher Yildirims als Bergmanns kürzen. Symbolbild: Wilfried Pohnke auf Pixabay (Public Domain)

Aus einer neuen Studie ergibt sich der Verdacht, Menschen mit nicht-deutschem Namen könnten von Jobcentern besonders hart bestraft werden

Aus Hartz-IV wird "Bürgergeld" – so plant es zumindest die neue Bundesregierung. Werden die Pläne realisiert, dann setzt das Bürgergeld einen Kontrast zum Hartz-IV-Bezug: Die Betroffenen sollen für eine Übergangszeit nicht gezwungen werden, Vermögenswerte aufzubrauchen. In dieser Zeit sollen sie auch nicht gezwungen werden können, in eine kleinere Wohnung umzuziehen.

Der Wermutstropfen bei diesen Plänen ist: Die Sanktionen sollen bleiben. Wer sich nicht an die sogenannten Mitwirkungspflichten hält, dem wird auch weiterhin das Geld zusammengestrichen. Damit sind die künftigen Empfänger des Bürgergeldes weiterhin ein Stückweit der Willkür der "Fallmanager" ausgeliefert. Denn Sanktionsregeln sind nur formal gleich – in der Realität treffen sie die ohnehin schwächsten Teile der Gesellschaft und – potenziell – auch die, deren Namen nicht deutsch klingen.

Letzteres hat eine Studie der Universität Siegen verdeutlicht, die Ende 2021 in den WSI-Mitteilungen publiziert wurde. Die Forscher untersuchten, unter welchen Bedingungen die Studienteilnehmer fiktiven Hartz-IV-Beziehern die Leistungen kürzen würden. Nicht nur fehlende Motivation würde bestraft werden, sondern die Sanktionen fielen auch dann härter aus, wenn es um Menschen mit ausländisch klingenden Namen geht.

Zumindest würden deren Verfehlungen vom Durchschnitt der Gesamtbevölkerung härter bestraft, speziell bei Jobcenter-Beschäftigten, die tatsächlich darüber entscheiden, wurde dies noch nicht untersucht: Für die Studie wurden 2.621 Personen als "repräsentative Stichprobe" befragt. Ihnen wurden fiktive Fallbeispiele vorgelegt mit einem fiktiven Fehlverhalten. Danach sollten sie eine aus ihrer Sicht angemessenen Sanktionshöhe zwischen null und 100 Prozent auswählen.

Keine Akzeptanz für Kürzungen in "extremer Höhe"

Mehr als drei Viertel der Befragten hielten Sanktionen grundsätzlich sinnvoll. Eine knappe Mehrheit (54 Prozent) würde allerdings die Bezüge nur um maximal 30 Prozent kürzen. Studienautor Philipp Linden interpretierte das Ergebnis dahingehend, dass Leistungskürzungen in "extremer Höhe keine Zustimmung in der Öffentlichkeit finden". Damit stimme die Mehrheit mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts überein, das übergangsweise Sanktionen von mehr als 30 Prozent des Bezugs untersagte.

Wer nur wenig oder gar keine Motivation zeigt, wieder einen Arbeitsplatz zu finden, hätte nach dem Ergebnis der Studie mit einer höheren Strafe zu rechnen als jemand, der sich hoch motiviert zeigt. Wer das erste Mal einen Termin beim Jobcenter nicht wahrnimmt, hätte demnach mit einem Abzug von 17 Prozent von der Grundsicherung zu rechnen.

Wird der zweite Termin auch noch versäumt, würde die Strafe im Schnitt auf 29 Prozent der Leistung steigen. Bei älteren Personen oder solchen, denen die Kündigung aufgrund einer Erkrankung erfolgte, ging die Akzeptanz von Sanktionen deutlich zurück.

Härter würden die Studienteilnehmer allerdings gegen Personen vorgehen, die keinen deutschen Namen hatten. Offenbar spielt die vermutete Herkunft der Hartz-IV-Bezieher eine ausschlaggebende Rolle, erklärten die Forscher. Im Schnitt kürzten die Befragten einem fiktiven Herrn Bergmann mit 26 Prozent die Leistungen weniger stark als einem erfundenen Herrn Yildirim. Diese sähe sich mit einer Kürzung von 33 Prozent konfrontiert – bei gleichen Verstößen.

Auch in den Fällen, in denen die Befragten sich für eine komplette Streichung aussprachen, waren Menschen mit nicht-deutschem Namen besonders oft betroffen. Für sie sei es eine doppelte Bestrafung, die sowohl im Grundgesetz als auch im Sozialrecht explizit nicht vorgesehen sei, erklärte Linden.

Studie über diskriminierende Praktiken in Jobcentern steht noch aus

Der Befund zeige aber auch, "dass es de facto in der Bevölkerung auch diskriminierende Faktoren gib, die das Verständnis von Hilfewürdigkeit und folglich auch von Sanktionen in der Grundsicherung beeinflussen", folgerte Linden. Diese Erkenntnisse müssten auch deshalb beachtet werden, da auch Fallmanager solche Einstellungen hegen könnten.

In weiteren Untersuchungen soll nun herausgefunden werden, ob es solche Praktiken in Jobcentern gibt. Bedürftige müssten nicht nur vor extremen Eingriffen in das Existenzminimum geschützt werden, sondern auch vor Diskriminierung: "sei es nach Herkunft, Geschlecht oder Alter", betonte Linden.

Vor diesem Hintergrund gäbe es noch ein weiteres lohnendes Forschungsfeld: In liberalen und konservativen Kreisen ist das Bild weit verbreitet, Arme seien einfach nur zu faul zum Arbeiten. Hartz-IV-Beziehern wird dieses Etikett auch gern angeklebt, obwohl ein Großteil von ihnen arbeitet oder gern arbeiten würde. Ob dieses Bild von armen Menschen auch zu Diskriminierungen im Jobcenter führt, war bislang aber nur von wenig Interesse.

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