Italien, USA: Die Attraktion des Faschismus und wo die wahren Gefahren lauern

Graffiti auf einer Wand mit der Aufschrift: "Bekämpft den Faschismus". Bild: Ivan Radic / CC BY 2.0

Die neoliberale EU hat zum Wiederaufleben von autoritären Kräften geführt. Gegenwärtig ist die Gefahr, dass die europäischen Gesellschaften faschistisch werden, aber geringer als die Gefahr, die in den USA besteht. Warum ist das so?

Der Wahlsieg der rechtsextremen Koalition von Giorgia Meloni in Italien ist der bisher deutlichste Beweis für die dramatischen Folgen, die die neoliberale Politik der Europäischen Union (EU) für die Mitgliedstaaten hat. Die Rückkehr der Dämonen aus der Vergangenheit in Italien und die Ausbreitung rechtsextremer Bewegungen und Parteien in ganz Europa stehen in direktem Zusammenhang mit den reaktionären Wirtschaftsdogmen und den durchsichtigen Integrationsstrategien der Herrscher über den Euro in Brüssel und Frankfurt.

C.J. Polychroniou ist Politikwissenschaftler, Ökonom und Autor zahlreicher Bücher.

Lassen Sie mich das erklären.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben einige visionäre Politiker in Frankreich und Deutschland die Schaffung von Strukturen und Institutionen jenseits des Nationalstaats vorangetrieben, um sicherzustellen, dass die Europäer ihrer Lieblingsbeschäftigung, blutig gegeneinander Krieg zu führen, abschwören. Das war die Logik hinter der Schaffung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), die 1957 durch die Römischen Verträge gegründet wurde.

Es war ein ziemlich hehres Unterfangen, womit erreicht wurde, Allianzen zwischen historischen Feinden zu schmieden, die länger als jemals zuvor in der europäischen Geschichte Bestand hatten, obwohl andere Faktoren, wie der Kalte Krieg, eine wichtige Rolle in der langen Friedensperiode spielten, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa herrschte.

Die EWG entwickelte sich jedoch im Laufe der Zeit zu etwas, das über ein regionales Handelssystem hinausging, mit Respekt vor Demokratie, nationaler Souveränität und sozialen Rechten. Sie verwandelte sich in ein unternehmerisches Regime, das von dem unerbittlichen Wunsch getrieben wird, die Arbeiternehmer:innen den Launen des Kapitals zu unterwerfen und "wirtschaftliche Effizienz" bei der Verwaltung des Wohlfahrtsstaates durchzusetzen, indem die Macht schrittweise von der Bevölkerung auf nicht gewählte Beamte in Brüssel übertragen wurde.

Letztendlich wurde diese Vision mit dem Vertrag von Maastricht im Jahr 1992, dem Gründungsvertrag der Europäischen Union, verwirklicht. Der Vertrag von Maastricht ebnete auch den Weg für die Schaffung einer gemeinsamen Währung, ohne jedoch ein föderales Regierungssystem einzuführen.

In diesem Sinne ist die EU nicht so sehr einzigartig, sondern eine merkwürdige, Frankenstein-ähnliche Kreation. Insbesondere mit der Einführung einer gemeinsamen Währung wurde der Spielraum für nationale wirtschaftspolitische Entscheidungen stark eingeschränkt. In Ermangelung einer föderalen Regierung wurde die Austerität fast zwangsläufig zu einem integralen Bestandteil der neuen europäischen politischen Ökonomie.

Das passt perfekt zur Flexibilisierung der Arbeit und anderen antisozialen Reformmaßnahmen – Privatisierung, Kommerzialisierung des Gesundheits- und Bildungswesens, Rentenreform –, die alle auf die marktkonforme Gesellschaft ausgerichtet sind. Die Vollbeschäftigung, die vor der Gründung der EU von politischen Parteien aller Couleur ernst genommen wurde, gab man zugunsten flexibler Arbeitsmärkte auf. Das Gleichheitsprinzip wurde der "Logik" der Marktkräfte überlassen.

Die so genannte "mangelhafte" Architektur der EU war nicht auf ein Versehen oder einen technischen Fehler zurückzuführen. Sie ergibt sich aus den Prämissen der grundlegenden neoliberalen Dogmen, die die Denkweise der europäischen Wirtschaftseliten und ihrer Unternehmens- und Finanzverbündeten bestimmten.

Die europäischen Politiker waren von der Überzeugung besessen, dass die entscheidenden Variablen für Wachstum in der Öffnung des Handels und des Wettbewerbs, in einer tief greifenden finanziellen Integration und in der Beseitigung aller Beschränkungen des Kapitalverkehrs zu finden sind. Sie wussten sehr wohl, dass das die Bedingungen waren, die den Weg zu effizienteren Geschäftsabläufen, niedrigeren Lohnstückkosten und höheren Gewinnspannen für Europas multinationale Konzerne ebnen würden.

Der Europäisierungsprozess, der seit der Unterzeichnung des Vertrags von Maastricht in Gang gesetzt wurde, ist der traditionellen Vision eines sozialen und demokratischen Europas völlig fremd und schafft einen fruchtbaren Boden für das Wachstum autoritärer Führer, die versprechen, den globalen Eliten die Macht zu entreißen, die Vorherrschaft des Nationalstaats wiederherzustellen und zur traditionellen Gesellschaftsordnung zurückzukehren, in der nationale Homogenität und familiäre Werte an erster Stelle stehen.

Aufgrund der beunruhigenden Auswirkungen der neoliberalen Politik der EU sind die Wähler auf dem Kontinent dramatisch nach rechts gerückt, selbst in traditionell sozialdemokratischen Ländern wie Schweden und Finnland, zumal die vormals sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien selbst gar nicht mehr vorgeben, sich um die Arbeiterklasse zu kümmern, und in Wirklichkeit den Vorgaben der neoliberalen EU folgen.

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