1028,89 Euro mit Fallstricken und Einschränkungen

Vor- und Nachteile eines pfändungsgeschützten Girokontos

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Auch wenn die Zahl der Privatinsolvenzen dieses Jahr leicht zurückgegangen ist, bewegen sich diese nach dem Rekordjahr 2010 immer noch auf hohem Niveau. Von dieser Entwicklung sind auch zunehmend ältere Bundesbürger betroffen. Dieses Jahr wird insgesamt mit circa 140.000 Privatinsolvenzen gerechnet. Die Gründe dafür sind mitunter in der hohen Arbeitslosigkeit, dem ausgedehnten Niedriglohnsektor, privaten Schicksalsschlägen, fehlgeschlagenen Selbständigkeitsbestrebungen und mangelnden Sachverstand in den Bereichen Konsum und Finanzen zu suchen.

Seit 2010 hat die Bundesregierung deswegen ein Gesetz für ein Pfändungsschutzkonto beschlossen, welches dem Inhaber einen finanziellen Spielraum von circa 1000 Euro gewährt. Damit sind aber auch Nachteile verbunden. Ein Gespräch mit Erika Schilz von der Schuldenberatungsstelle München.

Frau Schilz, seit dem letzten Jahr gibt es das sogenannte Pfändungskonto. Auf ihm müssen im Falle einer Pfändung etwa 1000 Euro verbleiben, von denen der Schuldner dann seine Miete und andere laufenden Kosen bestreiten kann. Sollten Konteninhaber ihre Girokonten schon jetzt in P-Konten umwandeln?

Erika Schilz: Der Grundfreibetrag hat sich mit Wirkung zum 1. Juli 2011 erhöht, er beträgt nun 1028,89 Euro. Der Kontoinhaber des P-Kontos kann über diesen Betrag nach der Pfändung unmittelbar verfügen, egal woher die Kontoeingänge stammen. Werden Zahlungen an unterhaltsberechtigte Personen geleistet oder gehen Sozialleistungen für weitere Haushaltsmitglieder auf diesem Konto ein, kann dieser Betrag um weitere Freibeträge erhöht werden. Diese werden von geeigneten Stellen, wie Schuldnerberatungsstellen oder Sozialleistungsträgern bescheinigt. Es besteht unverändert auch die Möglichkeit, den Pfändungsfreibetrag insgesamt über das zuständige Vollstreckungsgericht freigeben zu lassen.

Der Schuldner hat die Möglichkeit, nach eingehender Pfändung innerhalb von 4 Wochen sein Girokonto in ein P-Konto umzuwandeln. Er hat also Zeit. Ab dem 1. Dezember 2012 besteht allerdings nur noch der Pfändungsschutz auf dem P-Konto. Ich könnte mir vorstellen, dass die Banken dann mit einer Vielzahl von Anträgen überschwemmt werden und eine zügige Bearbeitung (wobei die gesetzliche Frist drei Geschäftstage beträgt) dann eventuell nicht zu halten ist.

Eine prophylaktische Umwandlung ist zum jetzigen Zeitpunkt bei bevorstehenden unabwendbaren Pfändungen zu empfehlen. Ansonsten ist dies mit den Nachteilen, die ein P-Konto für den Betroffenen auch mit sich bringt, abzuwägen. Bei prophylaktischer Umwandlung in ein P-Konto ist darauf zu achten, dass zum Monatsende kein Guthaben mehr auf dem Konto steht. Geht die Pfändung im Folgemonat ein, könnte es ansonsten zu Problemen kommen.

Welche Sanktionen dürfen Banken ergreifen, wenn ein Kunde ein Konto in ein P-Konto umwandelt? Dürfen sie höhere Gebühren verlangen?

Erika Schilz: Leider hat der Gesetzgeber hierzu keine Regelung getroffen. Es wurde aber im Gesetzgebungsverfahren darauf hingewiesen, dass die Gebühren für die Führung eines P-Kontos die eines allgemeines Girokontos nicht übersteigen sollen. Der Kunde hat den gesetzlichen Anspruch auf eine Umwandlung, dieser könnte nicht genutzt werden, wenn ihm über erhöhte Gebühren Hindernisse in den Weg gelegt würden. Es erschließt sich hieraus, dass die Bank das Girokonto ohne erhöhte Gebühren weiterzuführen hat. Sollte dies nicht der Fall sein, ist die Empfehlung, sich unbedingt an die Beschwerdestelle oder Ombudsstelle zu wenden.1

Kann eine Bank die Errichtung eines P-Kontos mit dem Hinweis darauf verweigern, dass keine unmittelbare Pfändung ansteht?

Erika Schilz: Nein, ganz eindeutig nicht. Es besteht der gesetzliche Anspruch auf Umwandlung in ein P-Konto, unabhängig davon ob eine Pfändung vorliegt oder nicht. In diesem Zusammenhang ist aber festzustellen, dass damit leider kein Recht verbunden ist, ein neues P-Konto zu bekommen.

Kann eine Bank verlangen, dass nach Abschluss eines Pfändungsverfahrens das P-Konto wieder in ein normales Girokonto ungewandelt wird?

Erika Schilz: Der Abschluss eines Pfändungsverfahren bedeutet ja nicht, dass die Schuldensituation behoben ist und keine weiteren Pfändungsmaßnahmen drohen. Falls nach Abschluss eines Pfändungsverfahrens keine sonstigen Verbindlichkeiten mehr vorliegen, liegt es im Interesse des Kunden, das P-Konto wieder in ein Girokonto umzuwandeln. Aus unserer Praxis kenne ich das Vorgehen, das eine Bank einseitig auf diesen Schritt besteht, nicht.

Manche Banken verbieten Online-Banking nach dem Umwandeln eines Girokontos in ein P-Konto. Ist diese Praxis legal?

Erika Schilz: Es gibt keinen Grund, warum das Online-Banking nicht mehr möglich sein soll. Es bedeutet ja lediglich, dass der Kunde seine Verfügungen (wie Überweisungen, Daueraufträge et cetera), die er in der Schalterhalle auch veranlassen darf, auf anderem, für die Bank arbeits- und zeitsparenden Wege ausführen kann. Bei diesem "Verbot" handelt es sich um hausinterne Praxis, die gegebenenfalls bei der zuständigen Ombudsstelle zu melden ist.

Wie lange dürfen Banken sich Zeit lassen bis sie eine Girokonto in ein P-Konto umwandeln?

Erika Schilz: Drei Geschäftstage – das heißt am vierten Arbeitstag muss das Konto eingerichtet sein.

Wie dokumentiert man am Besten beweissicher, dass man der Bank einen Antrag auf die Umwandlung in ein P-Konto zukommen ließ?

Erika Schilz: Die Umwandlung eines Girokontos in ein P-Konto ist eine Vertragsänderung, hier müssen Unterschriften geleistet werden. Zum Nachweis kann man sich hierzu eine Ausfertigung mitgeben lassen.

Gibt es Fallstricke, die Betroffene bei der Umwandlung in ein P-Konto beachten sollten?

Erika Schilz: Wie oben schon erwähnt, sollte man vor dem Eingang von Pfändungen zusehen, dass das Konto zum Monatsende hin kein Guthaben aufweist. Außerdem werden Sozialleistungen nicht wie beim herkömmlichen Girokonto innerhalb der ersten 14 Tage nach Gutschrift (anstatt nach Eingang der Pfändung) ausgezahlt, sondern es gilt auch hier der Grundfreibetrag, beziehungsweise der bescheinigte oder der über das Gericht freigegebene Pfändungsfreibetrag. Dies ist dem Kunden oft nicht bewusst. Anders bei einem herkömmlichen Girokonto ist ein Mindestkonto (Guthabenkonto) bereits mit Einschränkungen seitens der Bank verbunden. Eine Umwandlung in ein P-Konto bedeutet in der Regel eine für den Kunden negative Veränderung, wie die Kündigung des Dispokredits oder der Verlust der Kreditkarte.

Welche Nachteile können einem P-Konto-Inhaber darüber hinaus erwachsen?

Erika Schilz: Offiziell soll das P-Konto keine Auswirkung auf das Scoring haben. Allerdings verdeutlichen schon die Einschränkungen seitens der Hausbank, wie zum Beispiel die Kündigung des Dispokredits, die geringere Einstufung der Kreditwürdigkeit.

Wieso hat die Bundesregierung nicht einen automatischen Pfändungsschutz für das Existenzminimum gesetzlich festgelegt?

Erika Schilz: Die Verfügung über den Sockelbetrag ist sozusagen ein automatischer Pfändungsschutz für das Existenzminimum eines Alleinstehenden. Weiterer sozialhilferechtlicher Bedarf (Existenzminimum) für unterhalts- berechtigte Personen wird von geeigneten Stellen bescheinigt. Es wäre den Banken nicht zuzumuten, das jeweilige Existenzminimum anhand von Tabellen nach § 850c ZPO individuell festzustellen.

Ist die komplizierte Regelung über die P-Konten nicht potentiell eine Falle für bürokratisch wenig versierte Verbraucher?

Erika Schilz: Die P-Konto Regelung ist einfach für den alleinstehenden Kunden, dessen Einkünfte maximal dem Grundfreibetrag von 1028,89 Euro entsprechen. Bei anderweitigen, individuellen Konstellationen ist ein wenig versierter Verbraucher oftmals überfordert. Auch wird gemeinhin übersehen, dass durch in der Regel erforderliche Ausstellung einer Bescheinigung, die Verbraucher erst von den geeigneten Stellen wie die Schuldnerberatung umfassend informiert und beraten werden müssen.

Die Schuldnerberatung hat damit eine zusätzliche Aufgabe erhalten, die aufgrund des zeitlichen Umfangs eigentlich auch einer zusätzlichen Finanzierung bedarf. In politischen Diskussionen ist diese Forderung bis dato noch nicht ausreichend wahrgenommen worden.

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