31 Millionen für Drohnen gegen unerwünschte Migranten
Die EU-Grenzüberwachung soll bald mit Drohnen ergänzt werden. Polizei- und Militärbehörden führen umfangreiche Tests über Brennpunkten im Mittelmeer durch
Drei Routen gelten als zentral, wenn Geflüchtete ohne Visum über das Mittelmeer in die Europäische Union einreisen wollen: Die Gegend östlich von Gibraltar, das zentrale Mittelmeer und die Ägäis. Die EU finanziert nun Forschungen zum Einsatz von unbemannten Fluggeräten in den Gebieten. Teilnehmer sind Polizeien und Militärs vorwiegend aus EU-Mittelmeeranrainern sowie mehrere Hersteller von Überwachungstechnologie. Ebenfalls beteiligt sind Universitäten und Institute aus EU-Staaten und Israel.
In mehreren Forschungsprojekten will die Europäische Union die Eignung von Drohnen zur Überwachung von Grenzen und anderen Bereichen der inneren Sicherheit untersuchen. Dies teilte die Kommission jetzt in der Antwort auf zwei Anfragen der linken EU-Abgeordneten Sabine Lösing Cornelia Ernst mit. Zusammen genommen kosten die Projekte rund 31 Millionen Euro, von denen die Kommission zwei Drittel übernimmt.
Eines der Vorhaben widmet sich der Abwehr unerwünschter Migration und trägt den Titel "Smart UNmanned aerial vehicle sensor Network for detection of border crossing and illegal entrY" (SUNNY). In der Projektbeschreibung heißt es, "illegale Einbrüche, Grenzübertritte und Einreisen" stellten die EU-Mitgliedstaaten vor "gewaltige soziale und ökonomische Probleme". SUNNY soll deshalb das neue Überwachungsnetzwerk EUROSUR unterstützen, indem Überwachungsdaten in Echtzeit bereitgestellt werden.
Tests finden in Gewässern vor Griechenland statt. Dort waren Ende Dezember zwei ausgemusterte Frachtschiffe mit rund 1.300 Migranten ohne EU-Aufenthaltsstatus aufgebracht worden. Die Besatzung hatte sich zuvor einer Strafverfolgung wegen "Menschenschleppung" entzogen und die Schiffe entweder verlassen oder sich unter die Passagiere gemischt. Weil die Fluchthelfer die Steuerung auf Autopilot umgestellt hatten, war in den Medien von "Geisterschiffen" die Rede.
Zwei verschiedene Drohnen zum Aufspüren und Verfolgen
Die vor der griechischen Küste getesteten Drohnen sollen mit hochauflösenden Sensoren bestückt werden. SUNNY geht von zwei Szenarien aus. Zunächst könnten Flugroboter demnach großflächige Regionen automatisch bestreifen und dort nach verdächtigen Schiffen suchen. Wird ein Ziel gefunden, kämen weitere Drohnen ins Spiel. Sie sind mit besseren Möglichkeiten zur Identifizierung und Auswertung ausgestattet und können die Ziele auch verfolgen.
Nun nennt die Kommission erstmals Details zur eingesetzten Technik. Demnach werden bei SUNNY drei verschiedene Drohnen ausprobiert. Eine davon ist die "Skeldar V-200" des schwedischen SAAB-Konzerns. Das rund fünf Meter lange Gerät ist ein sogenannter Drehflügler, startet also senkrecht. Damit würde es die in der Projektbeschreibung genannte erste Kategorie abdecken. Laut dem Hersteller verfügen die Helikopterdrohnen "Skeldar" über eine Nutzlast von 40 Kilogramm.
Anfangs hatte das Projektkonsortium davon gesprochen, für die Patrouillenflüge auch Drohnen der MALE-Klasse zu testen. In der Antwort der Kommission ist davon nicht die Rede. Als sogenannte "Starrflügler" kommen demnach eine "Penguin B UAV" der lettischen UAV Factory Ltd und eine "Atlantic" der spanischen Everis Aerospace and Defence zum Einsatz. Sie verfügen über eine Spannweite von beinahe vier Metern.
Bestückt werden die SUNNY-Drohnen mit verschiedenem Überwachungsgerät, darunter Hyperspektralsensoren und ein miniaturisiertes Radarsystem. Auf der Webseite des Projekts ist zusätzlich von Infrarotsensoren die Rede. Die Tests sollen laut der Kommission von September bis Dezember 2016 durchgeführt werden.
Tests mit Frontex
Auch im EU-Projekt "Collaborative evaLuation Of border Surveillance technologies in maritime Environment" sind Flüge mit Helikopterdrohnen geplant. Zwischen Juli und November 2015 sollen Tests im Alboran-Meer zwischen Marokko und Spanien stattfinden. Anschließend sind weitere Probeflüge auf hoher See von einem Hochseepatrouillenboot der italienischen Marine angekündigt. Die Marine bringt dabei Erfahrungen aus früheren Projekten ein (Mittelmeer wird zum Testgebiet für Drohnen).
Laut der Kommission wird "mit der Beteiligung der Agentur Frontex und mit anderen Mitgliedstaaten als Beobachtern" gerechnet. Das dürfte untertrieben sein, denn die EU-Grenzagentur gehört laut der Projektwebseite von CLOSEYE zu den engen Partnern und arbeitet sogar im Management Board mit. Ziel ist die Einbindung der Flüge in eine "realistische Umgebung" von Frontex-Missionen. Die Grenzagentur ist in den Gebieten, wo CLOSEYE getestet werden soll, mit verschiedenen Missionen präsent.
Für die Leitung ist die spanische Guardia Civil verantwortlich. Beteiligt sind die Küstenwache Portugals und das italienische Militär. Zu den weiteren Partnern gehören die Weltraumagentur und ein weiteres Weltraumforschungszentrum aus Italien sowie Rüstungsberater der im spanischen Staatsbesitz befindlichen Firma ISDEFE. Seitens der Europäischen Union sind die EU-Kommission sowie das EU-Satellitenzentrum SatCen beteiligt. Im vergangenen Jahr hatte CLOSEYE sein Vorhaben beim "Tag der Grenzschützer" im Warschauer Hauptquartier von Frontex präsentiert.
Schaumstoff auf Windschutzscheiben, Netze in Schiffschrauben
Weitere Testflüge sollen dieses Jahr im Projekt AEROCEPTOR stattfinden. Auch hier wird ein Drehflügler genutzt. Ziel ist die Entwicklung eines Systems, um Fahrzeuge aus der Luft zu stoppen. Boote oder Autos könnten aus der Luft mit schnell härtendem Schaumstoff besprüht werden. Möglich wäre auch das Abwerfen von Vorrichtungen, um Reifen zu durchstechen oder die Schiffsschraube zu blockieren (EU will polizeiliche Drohnen bewaffnen). An den Forschungen sind das spanische und israelische Ministerium für öffentliche Sicherheit sowie zwei Rüstungsfirmen aus Israel beteiligt.
Als eines der Szenarien wird bei AEROCEPTOR der Schmuggel von Waffen und Drogen mit schnell fahrenden "Speedboats" angenommen. Einsätze seien auch gegen alte, hölzerne Boote mit Migranten denkbar. An Land ergäben sich weitere Szenarien wie Verkehrskontrollen, Verfolgungsjagden oder Geiselnahmen.
In einer früheren Anfrage hatte die Kommission hierzu bereits Details mitgeteilt. Demnach kommt die Helikopter-Drohne "Yamaha Rmax" zum Zuge, die das beteiligte französische Luftfahrtinstitut Onera bereits 2006 beschafft hatte. Eine der Nutzlasten für die Testflüge ist laut der Kommission eine elektrooptische Kamera. Die übrigen zu verwendenden Nutzlasten seien "noch festzulegen".
Es ist also noch unklar, mit welchen konkreten "Wirkmitteln" Fahrzeuge aus der Luft malträtiert werden sollen. Wo die Tests von AEROCEPTOR abgehalten werden, erklärt die Kommission ebenfalls nicht.