7000 Bücherfeuer Bücherbrand zur Erzeugung eines Branntbuches
Performance von Blixa Bargeld und Kain Karawahn, 31. Mai 1997, Transmedia, 10. Videofest Berlin
"Es ist eine Kombination von alten Medien, die beide etwas Magisches haben. Das Feuer ist immer ambivalent, auch weil es sofort emotionalisiert und sich jeder Mensch mit seinem eigenen, ganz persönlichen Feuerbild einem Feuer nähert. Wer als Kind oder als Erwachsener einmal eine Brandkatastrophe erlebt hat, der reagiert auf Feuer zukünftig anders, als jemand, der das nur medial kennt, aus dem Fernsehen oder aus Actionfilmen.
Das Buch ist auch ein sehr sinnliches Medium, das ebenfalls entsprechende Gefühle hervorruft. Und die beiden Medien zusammenzubringen, und zwar mit der künstlerischen Intention und mit den Biographien, die Blixa und ich zum Thema Feuer haben, was in unseren bisherigen Arbeiten wohl deutlich geworden ist, damit führen wir auch ein ganz persönliches Experiment durch. Das wird durch diese Konstruktion, Monitore, Videokameras, durch die Art der Inszenierung und das Umfeld, also den Rahmen dieses Transmedia Festivals, deutlich.
Daß es daneben Verbindungen von Buch und Feuer gibt, die ganz andere Ziele verfolgen als wir, das weiß ich. Und es läßt sich überhaupt nicht vermeiden, daß auch in Zukunft noch ganz bewußt Diktaturen eine Auswahl treffen: "Das Werk dieser Autorin oder dieses Autoren darf nicht verbreitet werden". Ich denke aber, daß es heutzutage aufgrund der Medien wie Internet und anderer Vervielfältigungen für jemanden in so einer Situation immer möglich sein wird, sein geistiges Werk zu verbreiten.
Wir haben diese Bücher von Eigentümern, die sie wegwerfen wollen. Was du jetzt hier siehst, wäre eigentlich schon längst recycled oder verbrannt. Alle Bücher, die noch ihr Cover haben, sind Sondermüll und können nur verbrannt werden. Wir haben hier also eigentlich eine Müllverbrennung. Nur in diesem Fall besteht der Müll aus Büchern und einer Holzkegelkonstruktion. Und wir wollen das nicht komplett zu Asche verbrennen und uns an der Licht- und Wärmeentwicklung freuen, sondern wir wollen dann aus dem Feuer Textfragmente herausfischen, sogenannte Branntsätze, die dem Publikum präsentiert werden und die auch Material bilden für ein Branntbuch, was wir publizieren wollen zusammen mit diversen anderen Ergebnissen dieses Experiments, die sich jetzt noch nicht vorhersagen lassen. Wir setzen Photographie und Video ein, um die Texte, die im Feuer verschwinden, noch einmal zu erfassen. Und am nächsten Morgen kommt auch das hinzu, was noch in der Asche zu erkennen ist an Texten, aber nicht mehr sammelbar, nicht mehr fixierbar, nur noch photographisch ein Bild ergibt. All das wird Material dieses Branntbuches werden.
Wir wollen ein gutes Brennen erzeugen. Und wir machen es öffentlich. Wir hätten es ja auch heimlich tun können, aber wir wollen die Sinnlichkeit brennender Bücher deutlich machen. Die Müllverbrennung ist eigentlich viel zu schade für Bücher, die keiner mehr haben will. Meiner Meinung nach sollte es wirklich öffentlich inszeniert werden. Dann werden sich vielleicht auch die Reaktionen ändern. Es scheint sich zu potenzieren: Feuergefühl, Buchgefühl, aber beides zusammen ist noch mal so wild in einigen Menschen. Ich hab ja schon Videokameras angezündet und diverse andere Sachen. Da kommen natürlich auch Menschen und sagen "Wie kann man das machen, das kostet doch Geld undsoweiterundsofort". Aber dann sind die Ergebnisse doch für viele überraschend und auch wieder inspirierend, und darum geht es hier ja auch. Einfach nicht nur Spektakel zu machen - dann würden wir wirklich eine ganz andere Nummer aufziehen, sondern zu sagen: "Kommt, laßt uns das mal anschauen was passiert". Danach sind wir vielleicht schlauer. Vielleicht. Vielleicht gebe ich aber auch denen recht, die sagen "Das geht nicht, das kann man nicht machen, muß man weiterhin unsichtbar verbrennen". Aber wie gesagt, ich halte es für Quatsch, Vorwürfe zu machen, Bücherverbrennung wäre eine politisch rechte Angelegenheit. Das passiert in Demokratien täglich."
Kain Karawahn im Gespräch mit Sabine Helmers am 31.5.97, eine Stunde vor dem Beginn des Bücherfeuers
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