AI-Report: Israels Besatzungspolitik wird immer gewaltsamer

Seite 3: Selbst Freunde Israels befremdet das Vorgehen

Die Besatzungspolitik der israelischen Regierung gerät daher immer mehr in die öffentliche Kritik. Das gilt auch für Gruppen, die bisher fest an der Seite Israels gestanden haben. Heute distanzieren sich selbst US-amerikanische, liberale Juden vom repressiven Vorgehen Israels. Das gilt vor allem für jüngere Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft in den USA. Eine Befragung an der Brandeis University fand zum Beispiel heraus, dass nur noch ein Viertel der Juden unter 40 sich eng mit Israel verbunden fühlt.

Das liegt auch daran, dass zahlreiche Berichte von Human Rights Watch, den Vereinten Nationen und auch Stellungnahmen prominenter Kommentatoren wie vom ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter oder von renommierten Politikwissenschaftlern wie John Mearshheimer oder Stephen Walt auf die grundsätzlichen Missstände der israelische Politik verweisen.

Für Aufsehen sorgte jüngst ein Bericht von Amnesty International, der im Februar veröffentlicht wurde. Der Bericht wirft Israel vor, eine verbrecherische Apartheidpolitik gegen die Palästinenser zu führen. Der Umgang Israels mit den Palästinensern finde statt, so der Bericht, in einem "grausamen System von Beherrschen und Menschenrechtsverletzungen".

Israelische Regierungsvertreter hatten von AI verlangt, den Bericht nicht zu veröffentlichen, da sie die Ergebnisse für "falsch, einseitig und antisemitisch" halten.

Die Generalsekretärin von AI, Agnès Callamard, sagte gegenüber Journalisten in Ostjerusalem:

Wir rufen die internationale Gemeinschaft auf, entschlossen gegen die Menschenrechtsverletzungen vorzugehen, die begangen werden, um das Apartheidsystem aufrecht zu erhalten.

Doch weder in den USA noch in Europa werden Maßnahmen in diese Richtung ergriffen. Es bleibt bisher wie zuvor bei mahnenden Worten, während Israel weiter uneingeschränkte Unterstützung sowohl militärischer, politischer und diplomatischer Art erhält. Sanktionsdrohungen sind gänzlich undenkbar.

Sollte die israelische Regierung weiter Öl ins Feuer gießen, könnte die nächste Katastrophe drohen. Vor fast genau einem Jahr bombardierte das israelische Militär den Gazastreifen. Die Bewohner wurden, anders als die Ukrainer, mit ihrem Schicksal erneut allein gelassen, obwohl es den USA und der EU möglich gewesen wäre, auch ohne schwere Waffenlieferungen das israelische Militär in die Schranken zu weisen.

Vielmehr gestand man Israel wieder einmal pauschal das Recht zur gewaltsamen Selbstverteidigung zu (während man es den Palästinensern grundsätzlich abspricht) – gegen eine Bevölkerung, die der israelische Staat als Besatzungsmacht eigentlich verpflichtet ist, zu schützen.

Die Bilanz der Gewalteskalation: 248 tote Palästinenser in Gaza (darunter 66 Kinder, 36 Frauen sowie der einzige Neurologe in Gaza), 25 Tote im Westjordanland, 1.900 zum Teil schwer Verletzte in Gaza und 3.000 Verletzte im Westjordanland, starke Zerstörungen überall im Gazastreifen. Dagegen stehen laut Angaben des israelischen Militärs zwölf tote Israelis, darunter zwei Kinder sowie ein Soldat, und kleinere Schäden an israelischen Häusern.