AKW-Flamanville: Trotz großer Sicherheitsprobleme ans Netz?

Seite 3: Kein Plan B für den Bruch des Druckbehälters

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Aus den von France Inter veröffentlichten Dokumenten geht allerdings auch hervor, dass die Atomaufsicht längst von den Vorgängen in der Schmiede informiert war. Zwei Schreiben der ASN belegen, dass die massiven Probleme schon ein Jahr bekannt waren, bevor mit dem Schmieden des Deckels und des Bodens für den EPR begonnen worden war. Das erste stammt vom 16. Dezember 2005 und wurde von der ASN an die EDF geschickt. Beklagt wurde, dass im Rahmen der Herstellungskontrolle "jüngst zahlreiche Abweichungen beim Hersteller Creusot Forge festgestellt" worden seien. Gefordert wird vom Atomkraftwerksbetreiber "über diesen Leistungserbringer eine Überwachung auszuüben oder ausüben zu lassen".

Das zweite Schreiben zeigt, dass die ASN sogar im Mai 2006 noch einmal nachgehakt hat. Danach habe sich der damalige ASN-Chef André Claude Lacoste sogar persönlich nach Le Creusot begeben und gegenüber dem Radiosender bestätigt, dass er von dort "vollkommen bestürzt" zurückgekommen sei. Doch all das änderte nichts daran, dass trotz der massiven Probleme die Areva-Schmiede bald darauf die Teile für den EPR anfertigen konnte, der eine Renaissance der Atomkraft in Europa einleiten sollte.

Letztlich ist also die Atomaufsicht durch ihre mangelnde Aufsicht längst mit im Boot. Und so versteht man vielleicht auch ihre Versuche, durch die Mitte zu gehen, um die eigene Verantwortung für das Milliarden-Desaster klein zu halten. Glücklich war die ASN aber nie damit, dass die EPR-Teile bei Creusot Forge angefertigt wurden. Denn schnell hatte sie bei Areva nachgehakt und einen Nachweis vom Kraftwerksbauer darüber verlangt, dass der Boden und Deckel für Flamanville den Vorschriften entsprechen. Doch erneut zeigt sich ein zahnloser Tiger mit Namen Atomaufsicht. Denn über sieben Jahre wurde nur korrespondiert, die Teile wurden aber nicht geprüft.

Nun sind sie seit Jahren verbaut und praktisch kaum noch zu prüfen. "Das Unangenehme" sei, so führte France Inter aus, dass es für den Bruch des Druckbehälters keinen "keine Plan B" gäbe. Und zitiert wird hier auch der IRSN-Experte Thierry Charles, der ebenfalls die Unterlagen geprüft hat. Er resümiert: "Es liegt ein Material vor, dessen Zusammensetzung nicht den Erwartungen entspricht und bei dem man einen Bruch befürchten muss, wenn es den Druck- und Temperaturbedingungen ausgesetzt wird, wie sie im Reaktor herrschen."

Trotz allem muss inzwischen davon ausgegangen werden, dass das von Reuters dargelegte Szenario zumindest massiv von vielen Seiten angestrebt, wenn nicht sogar längst festgeklopft wird. Denn von einer erfolgreichen Sicherheitsprüfung des EPR in Flamanville hängt auch die Übernahme der Pleite-Areva durch die EDF ab. Schließlich hatte die EU vorbehaltlich eine Staatshilfe in Höhe von 4,5 Milliarden Euro für den Atomkonzern Areva genehmigt. Die Staatshilfe ist aber an einen Umstrukturierungsplan und an eine erfolgreiche Überprüfung des EPR geknüpft und darf vorher nicht ausgezahlt werden. In weiser Voraussicht aber, dass sich die ASN sich trauen dürfte, dem Fiasko-Reaktor den Segen abzusprechen, hat man in Brüssel schon einmal vorweg ein Überbrückungs-Darlehen Frankreichs in Höhe von 3,3 Milliarden Euro an Areva genehmigt.