ARD und ZDF im Europavergleich: Groß, teuer, unpopulär
Geahnt hat man es immer, nun wurde es objektiv untersucht: Die deutschen öffentlich-rechtlichen Dickschiffe sind im Vergleich mit anderen Ländern ineffizient
Die englische BBC war das große Vorbild, nach dem die deutschen öffentlich-rechtlichen Programme nach dem zweiten Weltkrieg konstruiert wurden. Qualitativ haben ARD und ZDF dies nie geschafft, quantitativ dagegen schon: Deutschland hat die höchsten Fernsehgebühren der größeren europäischen Staaten und die ARD alleine setzt bereits mehr Geld um als die BBC. Das ZDF kommt noch hinzu.
Nach dem Ende des Naziregimes sollte sichergestellt sein, dass der deutsche Rundfunk kein Staatsrundfunk mehr wird, der von Politikern missbraucht und deutschlandweit gleichgeschaltet werden kann. Die Sendelizenzen für deutsche Programme wurden deshalb nach 1945 von den Militärverwaltungen der Besatzer ausgegeben. Zunächst gab es "Besatzersender", in Bayern war dies beispielsweise von 1945 bis 1948 der amerikanische Besatzungssender "Radio München".
Damit sich das Desaster von 1933 nicht wiederholt, wurde das öffentlich-rechtliche System nun so ausgelegt, dass der Staat hier keinen direkten Einfluss mehr nehmen kann. Die alte BBC, die vollkommen selbstständig war und so öfters den Unwillen ihrer eigenen Regierungen erregte und auch heute noch erregt – so gab es zuletzt Ärger, als die BBC in 2003 zu kritisch über die englische Beteiligung am Krieg gegen Saddam Hussein berichtete, doch die Regierung konnte nichts hiergegen tun –, galt als die ideale Form eines freien Rundfunks.
Unabhängig und nicht kontrollierbar: Das kann auch ein Nachteil sein
So wurde das deutsche öffentlich-rechtliche System als eine Kopie des englischen Systems konzipiert. Das sichert journalistische Unabhängigkeit. Allerdings schützt es nicht davor, dass innerhalb der Sender selbst Machtkämpfe entflammen und die Intendanten der Sender haben praktisch unbegrenzte Macht: Maximal kann ihnen die KEF den Geldnachschub abdrehen. Andererseits ist es schwierig, die Aktivitäten der Sender wirklich auf Rundfunk (Broadcasting – Übertragung von einem an viele) zu beschränken, sie machen auch Merchandising, drängen ins Verlagswesen und erheben sogar Ansprüche im Bereich der Telekommunikation (Übertragung von einem an einen – der Unterschied zum Rundfunk vergleichbar mit dem zwischen Brief und Zeitung), weil sie sich weigern, diesen im Internet von rundfunkähnlichen Funktionen zu trennen.
Um die Wiederholung eines deutschlandweiten Einheitsprogramms wie in den Tagen der Gleichschaltung zu verhindern, wurde ausdrücklich festgelegt, dass jedes Bundesland seine eigene öffentlich-rechtliche Sendeanstalt haben soll. Das System der "Anstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks" startet am 10. August 1948 mit dem Bayerischen Rundfunk, am 1. Oktober folgt der Nordwestdeutsche Rundfunk, einen Tag später der Hessische Rundfunk, am Monatsende der Südwestfunk. Am 22. November 1948 folgt Radio Bremen und wird als Anstalt des öffentlichen Rechts konstitutiert und am 6. April 1949 der Süddeutsche Rundfunk.
Ohne etwas Zentralismus geht es nicht
Das vermehrt die Vielfalt, führt jedoch zu mangelnder Effizienz bei der Berichterstattung von Ereignissen, die alle Bundesländer gleichzeitig betreffen. Deshalb wird am 5. August 1950 die verordnete Dezentralisierung bereits wieder aufgeweicht: Die "Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands" ARD wird gegründet. Der Sender Freies Berlin folgt erst im November 1953 und 1959 der Saarländische Rundfunk. Der Rundfunk im amerikanischen Sektor RIAS nimmt nur beratend teil.
Immer wieder missverstanden wird die Rolle von Kommerz und Werbung in den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Man sieht die öffentlich-rechtlichen Anstalten immer als Gegenspieler des "privaten" Rundfunks, wobei letzteres ja wohlgemerkt kommerziell orientierten Rundfunk meint und nicht etwa Rundfunk zum reinen Privatvergnügen wie bei Schüler-Piratensendern und Ähnlichem. Auch die öffentlich-rechtlichen Sender selbst sehen sich so: Sie dürfen nicht vom Kommerz abhängig sein. Doch heißt dies leider keinesfalls, dass sie keinen Kommerz machen dürfen. Sie haben nur einen gewissen Grundauftrag an neutraler, sachlicher Information zu erfüllen, für den sie die Rundfunkgebühren bekommen und weshalb sie auch bei noch so großer Misswirtschaft inklusive missglückter Aktienspekulationen wie beim mitteldeutschen Rundfunk nicht pleite gehen können – der Fachmann spricht von "nicht konkursfähig": Ist eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt einmal zahlungsunfähig, so müssen nämlich automatisch die Bundesländer finanziell einspringen. Jedoch können sie außerdem Werbung senden, um ihre Einnahmen zu erhöhen. Und sehen alles und jeden als Feinde und Wettbewerber, ob Mobilfunkprovider oder Funkamateure.
Bei der Gründung des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) 1961 wurde die Werbung bereits ausdrücklich als zweites finanzielles Standbein der neuen Fernsehanstalt vorgesehen und prompt wurde der Mainzer Sender auch für seine "Mainzelmännchen" bekannt, die zwischen den Werbespots eingeblendeten Zeichentrickfiguren, obwohl diese eigentlich nur als Reaktion auf eine abfällige Bemerkung eines Politikers kreiert worden waren, der sich mit dem Wort "Mainzelmännchen" über die Macher des in Mainz ansässigen zweiten Programms lustig machen wollte.
Wie ist es anderswo in Europa?
Die mögliche Ineffizienz des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems in Deutschland ist diesem also strukturbedingt bereits mit in die Wiege gelegt worden, auch wenn so mancher Intendant die Situation unnötig verschlimmert hat. Umso interessanter ist dann jedoch ein Vergleich mit öffentlich-rechtlichen Sendern in anderen europäischen Ländern. Die erste umfassende Analyse zur Situation der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in Europa wurde nun von Screen Digest und Goldmedia veröffentlicht und entstand in Kooperation mit IsICult (Instituto Italiano per L’Industria Culturale).
Dabei wurde die TV-Landschaft zwar nicht in allen europäischen Ländern mit öffentlich-rechtlichen Sendern intensiv untersucht, doch in den vier wichtigsten: neben Deutschland in Frankreich, Spanien und natürlich Großbritannien als Urheber des öffentlich-rechtlichen Systems. Auch die italienische RAI wurde noch teilweise mit in die Untersuchung aufgenommen.
Überraschend: Die ARD verbraucht mehr Geld als die BBC
ARD und BBC sind dabei mit Abstand die größten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter in Europa. Die ARD hatte 2002 einen Umsatz von rund 6 Milliarden Euro und beschäftigte 23.800 Mitarbeiter, die BBC verwirtschaftete mit rund 5,6 Milliarden Euro dagegen weniger Geld als die ARD, hat aber mit 27.150 Mitarbeitern fast 15 Prozent mehr Mitarbeiter! Selbst das zweite deutsche öffentlich-rechtliche Programm, das ZDF, benötigt noch mehr Geld als der kleinste Vergleichskandidat RTVE, der aber ganz Spanien alleine versorgt und ohne Fernsehgebühren auskommt. In Italien zahlt man im Jahr 94 Euro Fernsehgebühren, in Frankreich 116 Euro, in England 178 Euro und Deutschland belegt unte den großen Ländern mit jährlich 193 Euro hier bereits vor der anstehenden neuen Gebührenerhöhung den Spitzenplatz, was angesichts der hohen Ausgaben nicht wirklich wundert.
Nur kleinere Staaten wie Österreich mit 220 Euro, Dänemark mit 256 Euro und die Schweiz mit 273 Euro liegen noch höher, wobei die Schweiz mit der funktechnisch schwierigen Gebirgslandschaft und insgesamt vier Sprachen (Deutsch, Italienisch, Französisch und Rätoromanisch) auch deutlich aufwendiger mit Rundfunk und Fernsehen zu versorgen ist als Deutschland. Die meisten Programme hat allerdings trotz der Aufteilung in die einzelnen Ländersendeanstalten mit 25 Kanälen nicht etwa die ARD, sondern die BBC.
Erstaunlich ist dabei, dass die Werbung in ARD und ZDF zwar den Zuschauer besonders im Kinder- und Abendprogramm sowie im Radio stört und den privaten Free-TV-Sendern Kummer macht, die ausschließlich von Werbeeinnahmen leben müssen, doch nur einen minimalen Anteil zur Finanzierung beiträgt: Bei der ARD sind es mit 132,7 von insgesamt 6046,8 Millionen Euro nicht einmal 2,2 Prozent, beim ZDF sind es mit 113,5 von 1778,4 Millionen Euro auch noch nicht einmal 6,4 Prozent.
Wenn Quote wirklich alles ist, haben ARD und ZDF ein Problem
Auch die öffentlich-rechtlichen Sender setzen in Deutschland immer mehr auf Zuschauerquote statt Qualität, obwohl dies nicht ihre Aufgabe ist. Vergleicht man folgerichtig die Ausgaben je Prozentpunkt Zuschauermarktanteil, so geben in Europa auch hier die ARD mit 88,3 und das ZDF mit 82,3 Millionen Euro am meisten aus. Die BBC kommt mit 51,9 Millionen Euro aus. Am günstigsten arbeitet RTVE in Spanien mit nur 14,2 Millionen Euro pro Zuschauerprozent. Ursache für diese ungünstige Bilanz ist allerdings auch die große private Konkurrenz in Deutschland – wo es wenig Konkurrenz gibt, sind billiger Zuschaueranteile zu gewinnen.
Dass angesichts der sicheren Gebührenfinanzierung und des geringen Werbeanteils bei den Einnahmen die öffentlich-rechtlichen Sender kaum unter der Konjunkturkrise litten, während die privaten schwer Federn lassen mussten, ist die logische Folge. Doch droht nun professionellere kommerzielle Konkurrenz: Die größten Zuwachsraten lieferten in den letzten zehn Jahren Pay-TV und digitale Sparten-Angebote – in Großbritannien legten sie insgesamt 16,0 Prozent zu, in Deutschland 12,9 Prozent sowie in Frankreich und Spanien jeweils 6,8 Prozent. Offensichtlich ist der Zuschauer also durchaus bereit, für Werbefreiheit zu zahlen – freiwillig. Will er dabei auf die Ausgaben für die öffentlich-rechtlichen Sender verzichten, ist Pay-TV jedoch keine Option: Hier kann er lediglich auf einen gebührenfreien reinen Monitor und DVDs zurückgreifen.