Ab dem Jahr 2000 im Weltraum
- Ab dem Jahr 2000 im Weltraum
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Mit dem Eintritt ins neue Jahrtausend sind große Hoffnungen verbunden
Offenbar haben symbolische Zahlen wie das Jahr 2000 eine große Anziehungskraft. Wenn wir ins neue Jahrtausend oder Jahrhundert übertreten, sollen jedenfalls die ersten Menschen mit privaten Weltraumfirmen ins All gebracht werden - oder zumindest auf eine Umlaufbahn um die Erde, um die Schwerelosigkeit und den Blick auf die Erde zu erfahren. Das soll gleichzeitig der Beginn eines riesigen Marktes sein, von dem sich manche, analog zur Entwicklung der Luftfahrt, große Gewinne erhoffen: "Das ultimative Reiseziel" zunächst für betuchte Abenteuerer und später für die Massentouristen soll der kommerziellen Raumfahrt einen Aufschwung verleihen, denn ohne den Weltraumtourismus, so glauben viele, wird es sonst noch lange dauern.
Die Tourismusbranche ist, wie der Spiegel in seiner Titelstory "Der Reise-Roboter" (33/1998) schrieb, "zum größten legalen Geschäft der Welt geworden. Jeder neunte Arbeitsplatz zwischen Nord- und Südpol hängt heute vom Tourismus ab. Die Reisebranche erwirtschaftet zehn Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts und setzt jedes Jahr 5,5 Billionen Mark um." Die Zahl der Arbeitsplätze in dieser schnell boomenden Industrie werde heute, wie die World Tourismus Organization schätzt, von heute 220 Millionen auf 350 Millionen im Jahr 2010 ansteigen. der Zukunftsmarkt des möglichen Weltraumtourismus spielt jedoch für den Spiegel keine Rolle, auch nicht einmal nebenbei. Das mag bezeichnend sein für den Unterschied zwischen der Alten und der Neuen Welt. Die von den schon damals Daheimgebliebenen abstammenden Alteuropäer lachen oder bleiben skeptisch, wenn sie vom Weltraumtourismus hören, während man in der Neuen Welt von neuen Abenteuern, vom Auswandern und natürlich von neuen Märkten träumt, die man frühzeitig besetzen und ausbeuten muß.
Der nahe Weltraum, also der Orbit, ist freilich schon jetzt, auch in Europa, ein gutes Geschäft. 1997 wurden bereits an die 80 Milliarden Dollar für Satelliten, Trägerraketen und irdische Steuerungstechniken umgesetzt. Die Einkünfte der Privatwirtschaft übersteigen damit bereits die staatlichen Ausgaben für die Raumfahrt. Man erwartet in der nächsten Zeit mit weiteren geplanten Satelliten eine jährliche Zuwachsrate von 20 Prozent. Launchspace.com informiert über die Lage im Weltraummarkt.
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Die Situation habe sich in den letzten Jahren radikal verändert, sagt etwa ProSpace, eine der vielen Organisationen, die die private Weltraumfahrt fördern wollen. Der Kalte Krieg sei vorüber und damit auch das "weltweite Experiment im 'wissenschaftlichen Sozialismus'." Manche Amerikaner glauben, daß die USA mit ihrem wirtschaftlichen und politischen Modell als Sieger hervorgegangen ist. Deswegen gibt es eine Mission der US-Amerikaner, Besitzer des "amerikanischen Traums": "Der Kapitalismus des freien Marktes hat sich als weitaus effektiver erwiesen, Wohlstand, Möglichkeiten und Chancen für ein besseres Leben herzustellen." Doch, welch Jammer, noch immer ist der Weltraum in der Hand des Staates und der NASA. Das aber soll sich ändern, denn der Kapitalismus kann alles: " ProSpace glaubt, daß der Weltraum ein Ort und kein Programm ist. Der Weltraum ist ein besonderer Ort: eine Frontier. Um diese Frontier den amerikanischen Menschen zu öffnen, müssen, so glauben wir, freie Märkte - und der Unternehmergeist - die Möglichkeit haben, einen größeren Teil der Weltraumaktivität unserer Nation zu übernehmen. Im kommerziellen Weltraumunternehmen liegt unsere Zukunft."
Um am Weltraum zu verdienen, kommen bereits vielfältige Vorhaben auf. So gründete etwa Jim Benson, zuvor in der Softwarebranche tätig, die ASpaceDev LLC, um Asteroiden anzusteuern und deren Rohstoffe womöglich auszubeuten. Mindestens vierhundert solcher kleinen Himmelskörper befinden sich in der Nähe der Erde, auf denen es unter anderem Gold, Platin oder Wasser geben könnte. Benson denkt weitsichtig nicht daran, diese Ressourcen auf die Erde zu schaffen, sondern sie an mögliche Weltraumstationen zu verkaufen. Zunächst aber soll der Near Earth Asteroid Prospector Daten auf Asteroiden sammeln und diese an interessierte Forscher verkaufen, um das auf anfänglich 50 Millionen Dollar angesetzte Unternehmen in die Gänge zu bringen. Man will auch erstmals Eigentumsrechte an einem Asteroiden anmelden, um einen Präzendenzfall zu schaffen. Tatsächlich ist noch völlig ungeklärt, wem das Weltall "gehört" und ob bzw. wie man zu außerirdischem Besitz kommt.
Auch im Jahr 2000 will Applied Space Resources mit einer Lockheed-Martin-Rakete ihren Lunar Explorer auf den Mond bringen, um an die 10 Kilogramm Mondgestein einzusammeln und es dann zu guten Preisen auf der Erde zu verkaufen. Weil außerirdisches Material noch sehr teuer und knapp ist, erhofft man sich dadurch ein gutes Geschäft. "Wir erkennen eine geschichtliche Parallele zum europäischen Zeitalter der Entdeckungen, das im 15. Jahrhundert begann. Herrschende Nationen entwickelten Expeditionstechniken im Wettstreit um geopolitische Vorteile. Unternehmer setzten Investmentkapital, um diese Techniken zu erwerben, und sie verwendeten sie, um die vielen neuen Ressourcen in die Alte Welt zu bringen."
Ein weiteres Projekt nennt sich Wake Shield. Eine etwa vier Meter große Scheibe wird von einer Raumfähre transportiert und soll die im Weltraum schwebenden Partikel beiseiteräumen. Auf diese Weise könne man ein 10000 Mal reineres Vakuum gewinnen, als dies auf der Erde möglich sei. Nützlich wäre das beispielsweise für die Herstellung von Halbleitern.
Etwas bescheidener ist die LunaCorp, die ausgehend von den Rover-Modellen des Robotics Institute der Carnegie Mellon University gegründet wurde. 1997 ist der Prototyp eines fernsteuerbaren Mondfahrzeugs, das sich aber auch selbst steuern kann, bereits 220 Kilometer durch die Atacama-Wüste in Chile gefahren. Geplant ist für 1998 und 1999 eine Fahrt durch die Antarktis, um Meteoriten aufzuspüren. Auch LunaCorp verspricht natürlich eine Revolution in der Weltraumforschung. Mit zwei Fahrzeugen soll jeder im Jahr 2000 die Möglichkeit haben, sich auf den Mond zu "teleportieren" und diesen mit einem Roboter zu bereisen.
Telepräsenz anstatt bemannter Raumfahrt ist das Konzept. Geplant ist ein Themenpark, indem man auf einer bewegten Plattform sitzt, durch die man jeden Hopser spürt, und "immersiv" von Videobildern der Mondlandschaft umrahmt wird, durch die man den Roboter, ausgestattet mit Videokameras, lenkt. Zuerst müssen die Benutzer freilich das Steuern mit einer Simulation üben. Wegen der Zeitverzögerung von etwa drei Sekunden zwischen Befehl und Reaktion des Rovers ist das auch nicht ganz einfach. Nur die besten dürfen dann wirklich steuern. Wenn die dann noch Mist bauen, werden die selbststeuernden Roboter die Befehle einfach so lange mißachten, bis wieder eine korrekte Steuerung kommt. Startplatz soll in der Nähe des Landungsortes von Apollo 11 auf dem Mond sein. dann soll die Reise über 1000 Kilometer hinweg in unbekanntes Gefilde gehen. Kosten wird das Unternehmen 100 Millionen Dollar, und finanziert werden soll es durch Sponsoren, die dann im Rahmen des Projekts werben und Produkte verkaufen können: "Sponsoren erhalten weltweite Aufmerksamkeit in olympischen Dimensionen zu einem Bruchteil der Kosten."
Gleichzeitig seien die Rover eine Art "Internet-Server auf Rädern". Menschen aus der ganzen Welt können sich daher virtuell - "live und ungefiltert" - in Echtzeit auf die Mondoberfläche begeben. Und weil die Rover "intelligent" sind und ihre Umgebung wahrnehmen, können sie angeblich auch mit den Menschen über ihre Situation chatten: "Die Rover können gleichzeitig Dutzende von Telefon- und Emailgesprächen führen und so eine ganz neue Form der Teilhabe am Erforschungsabenteuer eröffnen."
Selbstverständlich wird auch der Wunsch in manchen mächtig, mehr als nur neue Satelliten in die Umlaufbahn zu schießen, materielle Ressourcen auszubeuten, telepräsent im Weltraum zu sein oder touristische Unternehmungen zu planen, sondern auch Kolonien auf anderen Planeten einzurichten. Und weil der Mars am nächsten liegt, richtet sich das Begehren vornehmlich auf diesen. Zu diesem Zweck wurde die Mars Society gegründet. Unterstützt wird die Mars Society auch von der National Space Society. Über 700 Menschen, die auf der ersten Versammlung anwesend waren, haben ein Manifest unterschrieben, das den Willen kundtut, bis in 10 Jahren eine bemannte Weltraumfahrt zum Mars zu starten. Wir sind bereit, lautet die Botschaft. Wissenschaftlich, ökologisch, technisch und politisch sei das Kolonisierungsunternehmen notwendig. Die Besiedlung eines fremden Planeten ist nicht nur ein Abenteuer für die unternehmungslustige Jugend, sondern, wie einst Kriege, ein Motor der Vereinigung, die nun die ganze Menschheit umfassen soll, nicht mehr nur eine Nation.
Kulturen leben wie Menschen durch Herausforderungen auf und gehen ohne diese nieder. Die Zeit ist für die menschlichen Gesellschaften vorbei, den Krieg als treibenden Motor für den technischen Fortschritt einzusetzen. Da die Welt sich auf eine Einheit zubewegt, müssen wir uns zusammenschließen: nicht in wechselseitiger Passivität, sondern in einem gemeinsamen Unternehmen, das noch vorne blickt, um eine größere und edlere Herausforderung anzunehmen, als wir sie uns jemals gesetzt haben. Die Kolonisierung des Mars wäre eine solche Herausforderung. Überdies würde eine kooperative internationale Erkundung des Mars als Beispiel dafür dienen, wie eine gleichartige Zusammenarbeit auch bei anderen Projekten auf der Erde von statten gehen könnte.
Aus dem Manifest der Mars Society
Das aber sind schon weitgesteckte Ziele. Der Weltraumtourismus hingegen scheint eher auf die Verbindung von Vergnügen und Profit zu setzen, um die Erschließung des Weltraums zu initiieren.