Abrupte Zunahme der Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre
Klimaforscher befürchten, dass damit ein vorhergesagter Rückkopplungseffekt der globalen Erwärmung eingesetzt haben könnte
Nach Auskunft von Meteorologen hat die Konzentration des primären Treibhausgases Kohlendioxid in den Atmosphäre in den letzten Jahren sprunghaft zugenommen. Die Zunahme könne nicht durch erhöhte Kohlendioxid-Emissionen durch Kraftwerke oder Fahrzeuge erklärt werden, da diese nicht wesentlich angestiegen seien. Möglich wäre hingegen, dass die globale Erwärmung in ein Stadium eingetreten ist, in dem sich die irdischen Ökosysteme verändern und mehr Kohlendioxid freisetzen.
Nach der Messstation Mauna Loa, Hawaii, hat die Kohlendioxid-Konzentration 2002 um 2,08 ppm (parts per million, also um 0,000.1% oder 1 Milligramm pro Kilogramm) zugenommen. 2003 waren es bereits 2,54 ppm. Das sei das erste Mal seit Beginn der Messungen, so Charles Keeling, der diese in dem von der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) betriebenen Observatorium seit 1958 vornimmt und so die nach ihm benannte Keeling-Kurve geschaffen hat, dass in aufeinander folgenden Jahren die Zunehme mehr als 2 ppm betragen habe. Für den Keeling ist dies, wie er dem Independent und dem Guardian sagte, "beunruhigend".
Durchschnittlich hat die jährliche Zunahme zunächst 1,3 und später 1,6 ppm bei den von Keeling vorgenommenen Messungen betragen. 1958 lag die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre noch bei 315 ppm, mittlerweile ist sie auf 376 angestiegen. Die zumindest symbolisch magische Grenze von 400 ppm würde bei konstantem Anstieg um 2015 überschritten werden. Der durchschnittliche Anstieg der Kohlendioxid-Konzentration im Monat war bis Juni auch höher als in den letzten 20 Jahren. Allerdings ist die Zunahme seitdem zurück gegangen und man geht nun von einem Anstieg um 2 ppm für dieses Jahr aus.
Es ist möglich, dass dies der Beginn eines bislang bei den Messungen noch nicht aufgetretener natürlicher Prozess ist. Es könnte die mit der globalen Erwärmung verbundene Abnahme der Kohlenstoffsenken der Erde als Teil eines Rückkopplungsmechanismus der Klimaveränderung bedeuten. Das ist ein Grund zur Sorge.
Ein solcher Rückkopplungseffekt ist von Klimaforschern schon länger vorausgesagt worden. Durch die globale Erwärmung könnte ein Punkt erreicht werden, ab dem die Kohlenstoffspeicher wie Wälder, Meere oder Böden Kohlendioxid abgeben, anstatt ihn zu speichern. Allerdings könnte die abrupte Zunahme auch eine zufällige, durch natürliche Schwankungen verursachte Anomalie sein, wie Keeeling einräumt. Die Daten von nur zwei Jahren können hier keine zuverlässige Einschätzung gewähren.
Fast 25 Milliarden Tonnen beträgt der von Menschen verursachte Ausstoß an Kohlendioxid (entspricht 7 Milliarden Tonnen Kohlenstoff), der jährlich in die Atmosphäre gelangt, die insgesamt ca. 750 Milliarden Tonnen enthält, ein Anteil der jährlich bislang um 1,5 Millionstel gewachsen ist. Der Zuwachs scheint sich nach den Messungen nun verstärkt zu haben. Bislang bleiben etwa 60 Prozent der durch Menschen verursachten Kohlendioxid-Abgabe in der Atmosphäre, der Rest wird im "Kohlenstoffkreislauf", beispielsweise durch Pflanzen oder durch die Meere, aufgenommen. Insgesamt nehmen die Pflanzen im Meer und auf dem Land jährlich 100 Milliarden Tonnen auf, etwa ebensoviel geben Mikroorganismen und Tiere ab.
Sollte es sich um den Rückkopplungseffekt handeln, durch den die Kohlenstoffsenken zu Kohlenstoffquellen werden, so würde sich die Klimaerwärmung schneller als den bisher berechneten Modellen ereignen. Damit würde es noch dringlicher, den Ausstoß möglichst schnell zu senken, auch wenn die Erwärmung zunächst noch für Jahrzehnte ansteigen würde. Schließlich würden sich dann auch die Folgen der Klimaerwärmung - Überschwemmungen, Anstieg der Meere, Zunahme der Stürme oder Dürreperioden - verstärken und an Häufigkeit zunehmen.