Absturz von US-Drohne: Falken krähen und lüsteln
Reaktionen auf den Zwischenfall mit der 30-Millionen-Euro teuren Reaperdrohne über dem Schwarzen Meer. Vorwürfe und eskalatorische Ansagen zur Interpretation von "kriegerischen Akten".
Das U.S. European Command hat ein kurzes Video zum Drohnen-Zwischenfall über dem Schwarzen Meer veröffentlicht. Darauf zu sehen ist, aufgenommen von einer Kamera an der Reaperdrohne ("U.S. Air Force MQ-9") - mit Blick ans hintere Ende der Drohne -, wie sich nacheinander, mit zeitlichem Abstand, zwei russische Jets der Drohne nähern, wobei sie zuvor jeweils eine dicke Wolke ablassen, mit der es die Drohne in unterschiedlicher Stärke zu tun bekommt.
Nach einer Bildstörung, die dem Anflug des zweiten Jets folgt, sieht der Betrachter, dass zwei Rotorblätter beschädigt sind, eins sieht aus wie ein Haken, ein anderes stark abgeflacht. Das Näherkommen des ersten Jets gibt in den veröffentlichten Videobildern keinen derartigen Schaden zu erkennen.
"Der Propeller blieb unbeschädigt", bestätigt auch der Text des U.S. European Command (Eucom) zu den Bildern. Den Erklärungen der "US Forces, European Theater" ("Eigenbezeichnung") zufolge bestehen die "Wolken" aus abgelassenem Treibstoff der Su-27-Jets.
Die Sendepause mit Bildstörung enthält laut der Chronik des Eucom ein wichtiges Ereignis: "Eine russische Su-27 kollidiert mit der MQ-9 und die Kameraübertragung der MQ-9 fällt für etwa 60 Sekunden aus."
Vertreter Russlands widersprechen der Darstellung. Es habe keine Kollision stattgefunden. Verlautet wird, dass der dem Zwischenfall folgende Absturz der Reaper-Drohne auf eine Manövrierunfähigkeit zurückzuführen sei. Dem widerspricht wiederum eine Darstellung, die von der New York Times weitergegeben wird:
"Bei der Kollision wurde eines der Propellerblätter der MQ-9 beschädigt, und obwohl der Kontakt zwischen der Drohne und ihren Betreibern vorübergehend abbrach, konnten die Fluglotsen das 32-Millionen-Dollar-Flugzeug schließlich etwa 75 Meilen südwestlich der ukrainischen Halbinsel Krim zum Absturz bringen, die Russland als Basis für verheerende Angriffe genutzt hat."
Der Kommandeur der US-Luftwaffe in Europa, USAFE Commander Gen. James Hecker, sprach davon, dass der Zwischenfall zu einem völligen Verlust der Drohne geführt habe und zu einem Beinahe-Crash des russischen Jets: "(…) nearly caused the Su-27 to crash as well".
Während Fan-Tweets von advokatischen Journalisten die Aktion eines "fähigen und kreativen Su-27-Piloten" bewundern, beurteilt der US-Außenminister Lloyd J. Austin III dies völlig anders. Er sieht Inkompetenz in der Aktion, ein "gefährliches, rücksichtsloses und unprofessionelles Verhalten" und machte "Moskau für den Absturz der Drohne verantwortlich" (New York Times).
"Vergeltung", "Kriegserklärung"
Die Äußerung von Austin ist jedoch im Vergleich zu anderen, die aus den USA kommen, beinahe ein Taubengurren. Im US-Sender Fox wurde Vergeltung gefordert. In dem für rabiate und provokante Töne bekannten Sender sprach sich Lindsey Graham, ein über die Landesgrenzen hinaus bekannter Politiker der Republikaner, für scharfe Militäraktionen aus. Die USA sollten "jedes russisches Kampfflugzeug abschießen, das sich einem amerikanischen Flugzeug über internationalen Gewässern nähert".
Das blieb nicht unbeachtet. Der russische Botschafter in den USA, Anatoly Antonov, konterte die Aussage nicht weniger scharf, wie die Nachrichtenagentur Tass berichtet:
Ein vorsätzlicher Angriff auf ein russisches Flugzeug im neutralen Luftraum ist nicht nur ein Verbrechen nach internationalem Recht, sondern eine offene Kriegserklärung an die größte Atommacht. Ein bewaffneter Konflikt zwischen Russland und den Vereinigten Staaten würde sich grundlegend von dem Stellvertreterkrieg unterscheiden, den die Amerikaner aus der Ferne gegen uns in der Ukraine führen.
Anatoly Antonow
Antonow macht geltend, was auch Kreml-Sprecher Peskow im russischen Staatsfernsehen vorbrachte, dass die US-Drohne dort nicht hätte fliegen sollen. Die Drohne habe "Grenzen der vorübergehenden Luftraumregelung" verletzt.
Geht es nach dem russischen Botschafter in den USA, so sollten diese Grenzen den Vereinigten Staaten bekannt sein. "Ich denke, dies ist Teil der Entflechtungsvereinbarungen, die in solchen Situationen üblicherweise mit Großmächten getroffen werden", zitiert ihn die Tass.
Nun haben solche einseitig gezogenen "vorübergehende Luftraumregelungen" eines Staates, der das Nachbarland mit seiner Armee angreift, einen willkürlichen, aber keinen verbindlichen Charakter, wenn es denn schon um "common sense" geht, den Anatoly Antonow gegenüber Lindsey Graham in Anschlag bringt.
Anderseits ist an diesem Zwischenfall auffällig, wie weit entfernt vom Homeland sich das Gebiet von nationalem Sicherheitsinteresse für die USA erstreckt – bis in eine 75-Meilen-Nähe zur Krim, wo sich russische Militärbasen befinden. In den Worten des US-amerikanischen Sicherheitsexperten und Terror-Forschers Max Abrahms:
Amerikanischer Exzeptionalismus bedeutet, dass Amerika seine Kriegsdrohnen fliegen kann, wohin es will, und wenn sie in unmittelbarer Nähe des Gegners abgeschossen werden, diesen der Aggression bezichtigt.
Max Abrahms
Doch gab es heute auch erfreulichere Nachrichten zum Zwischenfall. Wie der BR in seinen Frühnachrichten berichtete, zeigte sich US-Außenminister Lloyd J. Austin positiv gestimmt darüber, dass man wieder im Gespräch mit Moskau sei.
"Wie ich immer wieder gesagt habe, ist es wichtig, dass große Mächte Vorbilder für Transparenz und Kommunikation sind", sagte Austin. "Wir wollen eindeutig keinen bewaffneten Konflikt mit Russland", wird Generalstabschef Milley von der Tagesschau zitiert.
Na, dann kann ja nichts Schlimmes passieren?