Abweisung von Migranten an der Grenze: EU-Politik oder Masterplan einzelner Länder?

Seite 2: Fingerabdruck-Datei: Neue Grundlage für Abweisungen?

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Anders als im September 2015 hat der amtierende Innenminister aber anscheinend eine andere Informationsgrundlage. "Im Plan Seehofers ist vorgesehen, Personen zurückzuweisen, die in der Europäischen Asyldatei registriert sind, also bereits in anderen Ländern als Asylsuchende aufgetreten sind", berichtet die FAZ heute. In der Welt ist zu erfahren, dass sich mithilfe der Fingerabdruckdatei Eurodac feststellen lässt, ob ein Asylsuchender bereits in einem anderen Land einen Antrag gestellt hat.

Die Frage wäre, ob diese Prozedur rechtlich als Überprüfung ausreicht, um festzustellen, welches Land für den Asylantrag zuständig ist - und um einem langwierigeren "Überstellungsverfahren" aus dem Weg zu gehen. Wäre es damit möglich, dass die Asylsuchenden beispielsweise an der Grenze zwischen Österreich und Deutschland abgewiesen werden können und gar nicht erst deutschen Boden betreten dürfen? Und wie würden Österreich oder andere Nachbarländer darauf reagieren?

Laut Thym gebe es eine Klausel in der Dublin-Verordnung in Artikel 20 Absatz 4, "von der", so Thym in einem Interview mit der Welt, "manche behaupten, dass sie eine solche Zurückweisung an der Grenze erlaubt."

Das würde dann auf Fälle zutreffen, wie er oben angedeutet ist, wo die oder der Asylsuchende auf ausländischem Terrain ist. Dann müsste sich möglicherweise Österreich darum kümmern. Hier die Textstelle dazu:

Artikel 20, Einleitung des Verfahrens
(4)Stellt ein Antragsteller bei den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats einen Antrag auf internationalen Schutz, während er sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, obliegt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Antragsteller aufhält. Dieser Mitgliedstaat wird unverzüglich von dem mit dem Antrag befassten Mitgliedstaat unterrichtet und gilt dann für die Zwecke dieser Verordnung als der Mitgliedstaat, bei dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde. Der Antragsteller wird schriftlich von dieser Änderung des die Zuständigkeit prüfenden Mitgliedstaats und dem Zeitpunkt, zu dem sie erfolgt ist, unterrichtet.

Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013

Geht es nach Thym wäre es "rechtlich riskant", diese Klausel in Anspruch zu nehmen. Sie sei ursprünglich für das sogenannte Botschafterasyl gedacht gewesen.

Es gibt nun einige, die sagen, das kann man auch auf die Grenze anwenden. Meiner Meinung nach passt das nicht, weil sich die meisten Migranten beim Stellen ihres Antrags tatsächlich bereits auf deutschem Staatsgebiet befinden. Allerdings sehen einige das anders und die Politik könnte nunmehr versuchen, diese rechtliche Unsicherheit zu nutzen, um abzuwarten, ob die Gerichte sie korrigieren.

Daniel Thym, Interview mit der Welt, 12.Juni 2018, Printausgabe

Der Kanzlerin sind solche Testläufe offensichtlich zu riskant. Im Fall Italiens und Griechenlands wird aber auch mit großer Dringlichkeit erkennbar, dass es eine EU-Regelung braucht.

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