Adieu, Moon Fake: Die Nixon Tapes
Seite 2: Die "Nixon Tapes"
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Während die New York Times die erschütternde Wahrheit über die "Pentagon Papers" lancierte, arbeiteten Nixons Wanzen und Einbruchsspezialisten unbeirrt auf Hochtouren. Doch so effizient das illegale Netzwerk phasenweise auch operierte, so tölpelhaft und tollpatschig agierten seine Protagonisten in puncto Geheimhaltung. Spätestens nach der für die USA traumatischen Watergate-Affäre, dem dilettantischen Einbruch in die Wahlkampf-Zentrale der Demokraten im Watergate-Gebäudekomplex in Washington, D.C. am 17. Juni 1972 (mehr hierzu in Teil IV dieser Serie) und dem Bekanntwerden der Nixon-Tonbänder war evident, dass es offenbar noch nicht einmal im engsten Umfeld des Präsidenten möglich war, Top-Secret-Informationen für sich und unter Verschluss zu halten.
Als 1974 das Repräsentantenhaus gegen Nixon das Amtsenthebungsverfahren einleitete und sich eine Mehrheit im Kongress gegen ihn abzeichnete, ergriff er die Flucht nach vorn. Darum bemüht, vor der Geschichte nicht als erster US-Präsident dazustehen, der im Zuge des Impeachment abgesetzt wird, trat Nixon am 9. August 1974 als erster Präsident in der Geschichte der USA von seinem Amt zurück. Aber erst nach seiner erzwungenen Demission wurde das Ausmaß der Lauschangriffe vielen bewusst. Vor allem die bereits während der Ermittlungen sukzessive veröffentlichten "Nixon Tapes" deckten schonungslos auf, was für ein Kontrollfanatiker und Misanthrop in Washington, D. C. an den Hebeln der Macht saß.
Bei den Tonbändern handelt es sich um geheime Aufnahmen von Telefonaten, Ministertreffen und Sitzungen, die im Auftrag des Präsidenten von Februar 1971 bis Juli 1973 im Oval Office, Cabinet Room und Lincoln Sitting Room des Weißen Hauses, in seinem Büro im EEOB und Feriendomizil in Camp David klammheimlich archiviert wurden. Um das Aufnahmespektrum breit zu gestalten, versteckten Agenten des Weißen Hauses in all diesen Räumen Mikrophone und in den dort angeschlossenen Telefonapparaten Wanzen. Die Gespräche nahmen insgesamt neun Tonbandrekorder vom Typ Sony TC-800B auf. Über die Existenz des Abhörsystems, das der Secret Service wartete und kontrollierte, waren nur wenige Personen im Bilde. Dies galt auch für die Verwahrung der inoffiziellen Aufnahmen, die vom Secret Service in einem Kellerraum im Weißen Haus separat deponiert wurden.
Nixon war nicht der erste US-Präsident, der zu der Praxis überging, seine Amtsgespräche aufzuzeichnen. Dieser Brauch nahm seinen Anfang mit Franklin D. Roosevelt. Nahezu alle US-Präsidenten danach - von Harry S. Truman, Dwight D. Eisenhower, John F. Kennedy bis hin zu George W. Bush - arbeiteten mit diesem System. Allerdings mit einem Unterschied: Während in der Ära Nixon die Gespräche in verschiedenen Büros an verschiedenen Orten automatisch aufgezeichnet wurden, sobald sich jemand akustisch bemerkbar machte, wurde bei den anderen Präsidenten der Rekorder im Beisein und mit Wissen der Anwesenden manuell eingeschaltet - und dies in der Regel nur in den Räumen des Weißen Hauses.
Warum Nixon alle Besprechungen heimlich aufnahm und penibel dokumentierte, ist bis heute noch nicht ganz geklärt. Einige Historiker glauben, dass Nixon die Tonbänder als sein persönliches Vermächtnis angesehen hat und für die Nachwelt eine Nixon-Bibliothek anlegen wollte. Andere vermuten, er habe seine persönlichen Gespräche, die nebenher bemerkt von hohem Quellenwert sind (siehe Teil IV), nur als Basis und Erinnerungsstütze für seine späteren Memoiren verwenden wollen.
Auch wenn die Rekorder seinerzeit binnen zweieinhalb Jahren 3.700 Gesprächsstunden aufnahmen wurden im Rahmen des Nixon-Tape-Projekts bereits 3.000 Stunden Tonbandaufzeichnungen klassifiziert und digitalisiert. Derweil verteilen sich die für jedermann online zugänglichen Audio-Quellen auf 10.000 Hördateien.
Zum Schutze von Privatpersonen ist eine Online-Veröffentlichung der verbleibenden 700 Stunden vorerst nicht vorgesehen. Die fehlenden Hördateien stehen aber für die Forschung in dem NARA Archive II im College Park, Maryland/USA und in der Richard Nixon Presidential Library in Yorba Linda, Kalifornien als Originale und Kopien zur freien Verfügung - ungekürzt und unzensiert.
Keine Silbe zu Moon Hoax
Um zu verstehen, welch ein informationsbesessener und durch und durch korrupter Machtmensch dieser Richard Nixon gewesen war, lohnt das Studium der Hördateien. Gewiss, was auf den "Nixon Tapes" zu hören ist, insbesondere dessen abfällige Kommentare über Afroamerikaner, Menschen jüdischen Glaubens, Minderheiten, Homosexuelle, politische Gegner oder in- und ausländische Staatsmänner stößt und schreckt ab. Aber es stimmt auch nachdenklich. Genauso nachdenklich wie das, was auf den Bändern nicht zu hören ist. Vor allem wenn man die Aufzeichnungen mit den Ohren eines Moon-Hoax-Anhängers hört. In diesem Fall gewinnt Nixons Schweigen und das seiner Gäste eine gewisse Dramatik.
Denn gerade für die Mondverschwörungstheoretiker muss es eine herbe Enttäuschung sein, dass Nixon auf den Bändern über eine wie auch immer geartete Mondprogrammverschwörung kein Sterbenswort verliert. Mit keiner Silbe deutete er an, dass das lunare Abenteuer von Armstrong und Aldrin eine Farce gewesen war. Weder auf den brisanten Aufnahmen noch in seinen 1978 veröffentlichten Memoiren äußerte sich der exaltierte Republikaner zu einer mutmaßlichen Apollo-Verschwörung. Selbst in der berühmten 1977 ausgestrahlten Interviewserie mit dem britischen Talkmaster David Frost, in der Nixon seine Verfehlungen, illegalen Praktiken und Vertuschungsversuche weitgehend eingestand, kam er nicht auf irgendwelche Unregelmäßigkeiten im Apollo-Programm zu sprechen. Dies wäre aber auch selbst für den hartgesottensten lunaren Verschwörungstheoretiker des Guten zu viel gewesen.
Dark Side of Nixon
Unterstellt man trotzdem einmal, die Apollo-Mondlandungen seien allesamt nur inszeniert und vorgetäuscht, wäre der 37. Präsident der USA mit Sicherzeit in den Komplott eingeweiht gewesen. Denn eine perfide Verschwörung dieses Ausmaßes wäre ohne Nixon undenkbar gewesen. Dieses Szenarium durchspielt auch der 52-minütige fiktionale Dokumentarfilm Kubrick, Nixon und der Mann im Mond (Originaltitel: Dark Side of the Moon). In dieser zum Höhepunkt der Moon-Hoax-Debatte produzierten Mockumentary aus dem Jahr 2002 bediente sich der Autor zahlreicher Fragmente, die von Interviews mit US-Offiziellen, Politikern und Schauspielern stammten. Bei diesen handelte es sich um echte und gefakete Interviews, die aus dem Zusammenhang gerissen, zusammen geschnipselt und zu einem Plot gebastelt wurden.
In der mit dem Grimme-Preis 2003 ausgezeichneten Doku-Satire, die auch als Blue Ray-DVD auf dem Markt kommt, wird die Geschichte einer gefälschten Mondlandung erzählt, die im Auftrag der Nixon-Administration in einem Studio der CIA simuliert wurde - und zwar unter der tätigen Mithilfe von Stanley Kubrick, dem Regisseur des Science-Fiction-Klassikers "2001: Odyssee im Weltraum". Als das Apollo-11-Schauspiel erfolgreich über die Bühne gegangen war, bekam Nixon Bedenken und sorgte sich darüber, dass die Mitwirkenden der Filmproduktion ihr Schweigen irgendwann brechen könnten. Um dem vorzubeugen, ließ Nixon, so suggeriert die Doku-Satire, alle an den Dreharbeiten beteiligten Personen liquidieren - mit Ausnahme von Kubrick.
Nixon hätte Moon Hoax angeschnitten
Geht man indes einmal von dem unwahrscheinlichen Fall aus, die Moon-Hoax-Geschichte entspricht der Wahrheit und Nixon wäre bewusst nicht in den Komplott eingeweiht gewesen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass er aufgrund seines guten Informationsnetzwerkes hiervon dennoch Wind bekommen hätte. Nixons Wanzen und Ohren waren nämlich überall, seine Abhöranlagen unentwegt im Einsatz. Stets auf dem Laufenden zu sein - das hatte für Nixon oberste Priorität. Von daher ist es höchst illusorisch, anzunehmen, er sei über eine geplante Verschwörung dieses Ausmaßes nicht im Bilde gewesen. Dafür war das von ihm etablierte Informationsnetzwerk zu engmaschig und sein Sicherheitsberater Henry Kissinger zu wach und gerissen.
Vor allem wäre er - seinem Naturell folgend - irgendwann auf dieses Thema in seiner unnachahmlichen Art zu sprechen gekommen. Es bedarf keiner allzu großen Fantasie, sich auszumalen, wie sich Nixon in diesem Fall in seinem Refugium über die Naivität der Medien, die der Bevölkerung oder die anderer Offizieller lustig gemacht oder den Schwindel selbst lobenden oder kritischen Worten bedacht hätte. Zweifelsfrei hätte er den größten medialen Coup der Menschheitsgeschichte nicht unkommentiert gelassen.
Schließlich kann sich jeder selbst davon überzeugen, dass Nixon auf den Tonbändern kein Blatt vor dem Mund genommen und kein Thema ausgespart hat. Vergrößert und gefördert wurde diese Offenheit fraglos auch durch sein mit den Jahren immer stärker werdendes Verlangen nach hochprozentigen Alkoholika. Problematisch war diese Abhängigkeit deshalb, weil Nixon nach Aussagen vieler Zeugen schon nach einem Glas seine Contenance und Selbstkontrolle verlieren konnte.
In diesem Licht betrachtet überrascht es nicht, dass er in einem derartigen Zustand oft seinen finsteren Gedanken freien Lauf ließ und über Gott und die Welt spottete. Vor nichts machte er Halt - nur über eine Verschwörung à la Moon Hoax schwadronierte er nicht. Nicht die geringste Andeutung, nicht der kleinste Spaß, nicht die kleinste suspekte Silbe aus seinem Munde sind hierzu überliefert. Warum wohl nicht? Was sagt dieses Schweigen?