Ägypten: Über 200 Tote bei einem Anschlag auf eine Moschee im Sinai
Präsident al-Sisi kündigt eine "brutale Reaktion" der Polizei- und Armeekräfte an. Als Hauptverdächtige gelten Milizen, die mit dem IS verbunden sind
Es gibt am späten Freitagnachmittag europäischer Zeit noch kein Bekenntnis zu dem Anschlag auf die al-Rawdah-Moschee in dem hauptsächlich von Beduinen bewohnten Ort Bir al-Abd (auch Bir al-Abed). Er liegt auf der Hauptstraße im Norden der Sinai-Halbinsel, etwa 200 Kilometer von Kairo und 80 Kilometer von der al-Arisch entfernt. Einwohner würden den Ort trotz diverser Drohungen seitens des IS als weitgehend friedlich bezeichnen; man habe gehofft, dass sich die Lage nach dem Versöhnungsabkommen zwischen der Hamas und der Fatah noch weiter stabilisiere, berichtet die New York Times.
Mit weit über 200 Toten durch ein Massaker nach dem Freitagsgebet hat sich die Hoffnung der Bewohner mit einem Schock erledigt. Mindestens 235 Tote und 190 verletzte sind die vorläufige Bilanz, die das Büro des ägyptischen Generalsstaatsanwalts heute Nachmittag übermittelte. Im Land wird eine dreitägige Trauer verhängt, der ägyptische Präsident al-Sisy kündigte nach einem Krisensitzung "eine Antwort von Polizei und Militär mit brutaler Gewalt" an. Er machte laut Al-Ahram "Fragmente von terroristischen Gruppen", für die Tat verantwortlich, für die man sich rächen werde.
Laut Informationen von Ha'aretz hat die ägyptische Luftwaffe bereits am Nachmittag damit begonnen, Angriffe auf Berge in der Umgebung der Moschee geflogen, weil man dort die Verstecke der Terroristen vermutet.
Experten sprechen von einem komplexen Ablauf des Massakers, das Koordination und Planung voraussetzte und einer militärischen Operation gleichkomme.
Soweit bislang bekannt, explodierten am oder im Moscheegebäude ein oder mehrere Sprengsätze - in manchen Berichten wird angedeutet, dass möglicherweise ein Selbstmordattentäter in das Gebetshaus eingedrungen war. Der Zeitpunkt des Anschlags fiel auf das Ende des Freitagsgebets, als die Besucher die Moschee verließen. Draußen wurden sie von mehreren Personen, die vier in geländefähigen Fahrzeugen gekommen waren, unter Beschuss genommen. Die Fahrzeuge waren so postiert, dass sie Zufahrten blockierten, was für Ortskenntnis spricht. Die Salven haben lange angedauert, denn es wird berichtet, dass noch die herbeigerufenen Krankenwagen beschossen wurden.
Sämtliche Berichte erwähnen den IS als Hauptverdächtigen. Auf jeden Fall geht man von Islamisten aus, die auf dem Sinai seit mehreren Jahren schon Anschläge verüben und ägyptische Sicherheitskräfte angreifen wie auch Stämme, die mit ihnen zusammenarbeiten oder denen Zusammenarbeit mit ägyptischen Sicherheitskräften unterstellt wird. Erwähnt wird in diesem Zusammenhang die Ansar Beit al-Maqdis, die 2014 einen Treueeid auf den "Kalifen" al- Bagdadi abgab.
Die Moschee wurde hauptsächlich von einem Stamm besucht, der einem Sufi-Glauben folgt. In diversen IS-Publikationen wurde dieser Glaube als Häresie herausgestellt und mit dem Tod bedroht. Der Emir der "islamischen Polizei" des IS auf dem Sinai soll in der Zeitung al-Naba die Sufis direkt bedroht haben. Zwei Personen, darunter ein bekannter Sufi-Scheich, seien geköpft worden.
In einer Ausgabe des IS-Magazins Rumiya sei den Sufis auf sieben Seiten der Krieg angekündigt worden, als Hauptziel auf dem Sinai. Auch der Name der Moschee wurde dabei erwähnt. Nach IInformationen der Spezialistin für dschihadistische Terrirgruppen, Rumini Callimachi, könnte auch ein im Sinai neu gegründeter al-Qaida-Ableger für das Massaker verantwortlich sein.
Laut Ha'aretz befanden sich in der Moschee etwa 300 Personen, viele davon waren Arbeiter in einer nahegelegenen Salz-Firma.