AfD-Machtkampf: Es geht nicht nur um Inhalte – aber auch

Auch im eigenen völkischen AfD-Flügel umstritten: Maximilian Krah.

Auch im eigenen völkischen Flügel umstritten: Maximilian Krah. Foto: Vincent Eisfeld / nordhausen-wiki.de / CC-BY-SA-4.0

Höcke gegen Krah – das irritiert auf den ersten Blick. Beide werden dem radikal völkischen Lager der AfD zugerechnet. Gibt es eine simple Erklärung?

Die Wahl von Maximilian Krah zum Spitzenkandidaten für die Europawahl war vor knapp einem Jahr als weiterer Schritt des offiziell aufgelösten völkischen "Flügels" zur innerparteilichen Machtübernahme gewertet worden. Denn wie der Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke wird Krah dem Rechtsaußen-Flügel zugerechnet.

Maximilian Krah und Björn Höcke: Streit unter Brüdern?

Beide fielen durch Distanzlosigkeit zum historischen deutschen Faschismus auf; Höcke wurde erst vor wenigen Wochen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer hohen Geldstrafe verurteilt, trotzdem sich der ausgebildete Geschichtslehrer darauf berufen hatte "Alles für Deutschland" nicht als Parole der SA gekannt zu haben.

Krah äußerte sich zuletzt kurz vor der EU-Wahl im Gespräch mit einer italienischen Zeitung über die Waffen-SS in einer Art und Weise, die auch für explizit rechte Parteien in europäischen Nachbarländern nicht akzeptabel schien: Nicht jeder, der eine SS-Uniform getragen habe, sei ein Verbrecher gewesen, so Krah, der bereits wegen seiner China-Kontakte und strafrechtlicher Ermittlungen gegen einen ehemaligen Mitarbeiter wegen mutmaßlicher Spionage in der Kritik stand.

Daraufhin hatte zunächst der französische Rassemblement National und dann die gesamte Rechtsfraktion "Identität und Demokratie" (ID) im Europaparlament die Zusammenarbeit mit der AfD aufgekündigt. Mit dem Ausschluss von Krah nach der Wahl hatte die AfD-Delegation wohl gehofft, die Wogen wieder glätten zu können.

Social-Media-Kampagne gegen AfD-Delegationsleiter

In dieser turbulenten ersten Woche nach der EU-Wahl fiel allerdings auf, dass Björn Höcke sich nicht an der Palastrevolte zugunsten von Krah beteiligte, nachdem dieser von der AfD-Delegation im neuen EU-Parlament ausgeschlossen worden war.

Im Gegenteil: In einer gemeinsamen Erklärung mit seinem Ko-Landessprecher stellte sich Höcke am Donnerstag klar hinter den neuen Delegationsleiter René Aust.

"Die durch einen Unterstützer von Maximilian Krah initiierte, zutiefst ehrenrührige Kampagne gegen unseren Thüringer Parteifreund und Kollegen René Aust verurteilen wir auf das Schärfste", heißt es in der Erklärung.

Steve Bannon der AfD oder Elefant im Porzellanladen?

Gemeint ist sehr wahrscheinlich Krahs ehemaliger Social-Media-Berater Erik Ahrens, der nach dem Ausschluss von Krah offen gegen die "Verräter" um Aust und Ko-Parteichefin Alice Weidel agitiert hatte. Auf der Plattform X schrieb er sogar ausführlich über "psychologischen Schwachstellen" von Aust und nutzte im Schlussabsatz die Formulierung "Feuer frei".

Den Stimmenzuwachs der AfD vor allem in der jungen Generation rechnet Ahrens vor allem Krah und damit auch sich selbst zu. In einem Gespräch mit dem Spiegel kurz vor der Wahl hatte sich Ahrens unter anderem mit dem Trump-Berater Steve Bannon verglichen und behauptet, man könne in einem zweistündigen Gespräch mit ihm "mehr über politisches Marketing, Social Media Campaigning und so weiter" lernen als in einem Uni-Seminar.

Höcke und sein Ko-Landessprecher Stefan Möller sehen seine jüngsten Ausfälle und das Schweigen von Krah dazu offensichtlich kritisch.

"René Aust vertritt in Brüssel einen dezidiert deutschen Standpunkt und nimmt eine deutsche geostrategische Position ein", verteidigten sie den neuen Delegationsleiter.

Wahlen in Thüringen und Sachsen: Ein Grund für Burgfrieden?

"Wir erinnern Maximilian Krah außerdem daran, dass sein sächsischer Landesverband ebenso wie unserer vor einer entscheidenden Wahl steht." Letzteres dürfte tatsächlich einer der Hauptgründe sein, warum sie das Auftreten von Ahrens und weiteren Personen – wie dem Ex-AfD-Politiker und rechten Szene-Anwalt Dubravko Mandic – in dieser Frage nicht billigen.

Mandic, der 2021 aus der AfD ausgetreten ist und damit wohl einem Ausschlussverfahren zuvor kam, scheinen die anstehenden Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen am 1. September vorerst egal zu sein.

"Das System bekämpft die AfD als Ganzes und betreibt Zersetzung. Leute wie Weidel dienen als Transmissionsriemen, der die äußeren Angriffe in die Partei trägt", befand er an diesem Samstag auf X. Wer die Partei als "Organismus" begreife, erkenne "in Weidel und ihren Mitstreitern Akteure, die die eigene Immunabwehr aushebeln".

Deutsche Rolle in der Nato: Der inhaltliche Kern des AfD-Streits

Bestätigt fühlen sich Gegner von Aust und Co. in der AfD und deren Umfeld dadurch, dass die "Anbiederung" an europäische Rechtsparteien wie den französischen Rassemblement National und die Fratelli d’Italia nichts genützt habe – die AfD wurde schließlich trotzdem nicht wieder in die ID-Fraktion aufgenommen.

"Sie haben Krah ausgeschlossen, um mit den Franzosen eine transatlantische Fraktion bilden zu können. Ihr Plan ging – erwartbar – nicht auf", warf Mandic Aust bereits am Mittwoch auf X vor. "Wann treten Sie zurück?"

Nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen wird sich zeigen, inwieweit Höcke und Co. diesen offenen Streit nur verschieben wollten, um ihre Stimmenanteile nicht zu gefährden – von möglichen persönlichen Antipathien und Rivalitäten abgesehen.

2016 hatte Höcke jedenfalls eine Debatte über den Nato-Austritt Deutschlands auslösen wollen, weil deutsche Interessen in dem transatlantischen Bündnis aus seiner Sicht zu kurz kamen. In seiner Partei formuliere man deutsche Interessen "unbefangen und tabulos auch für die Außenpolitik". Im Wahlprogramm der AfD zur Bundestagswahl 2021 war dann allerdings nur die Rede davon, dass die USA Deutschland als gleichberechtigte Führungsmacht innerhalb der Nato anerkennen müssten.