AfD: Totgesagte leben länger

An die Macht kommt sie wohl in absehbarer Zeit nicht, aber im Parteienzirkus scheint die AfD ihren Platz gefunden zu haben. Foto: Anaconda74 / CC0 1.0

Nachdem die AfD in Sachsen-Anhalt "nur" zweitstärkste Kraft wurde, schießen Spekulationen ins Kraut - und die CDU-Spitze lobt ihre eigene Partei als "Bollwerk gegen Extremismus"

Nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt ist die Zeit der Spekulationen angebrochen. Die AfD ist nicht zur stärksten Partei im Land geworden, sondern rangiert mit minimalen Stimmenverlusten auf Platz zwei. Ist das für sie der Anfang vom Ende? In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung fabuliert Jasper von Altenbockum: Das Wahlergebnis gebe dem Wunschdenken Auftrieb, die Tage der AfD seien gezählt. Statt unterzugehen, mache sie sich aber "als schillernde Kraft im deutschen Parteienspektrum" breit. Als Beleg führt er an: Ihre Stärke in Sachsen-Anhalt habe dazu geführt, dass das "rot-rot-grüne" Lager auf nicht einmal 30 Prozent gekommen sei.

Und das, obwohl die AfD "eine zerstrittene, führungsschwache, unberechenbare, rechtsradikale Partei" mit negativer Agenda sei, die auf eine dünn begründete Fundamentalopposition setze. Die bisherige Strategie der anderen Parteien sei "widersinnig" gewesen, schreibt von Altenbockum: Nicht über AfD-Themen sprechen zu wollen, habe nicht dazu geführt, "dass die AfD einen sanften Tod stirbt". Ganz im Gegenteil. Themen dürften nicht auf der Straße liegen gelassen und der AfD überlassen werden. Als vorbildhafte Beispiele führt von Altenbockum die Landesväter von Sachsen und Sachsen Anhalt, Michael Kretschmer und Reiner Haseloff an: Beide seien CDU-Ministerpräsidenten, die der AfD Paroli geboten hätten, ohne dabei etwas "kleinzureden" oder "großzureden". Beide hätten "das bis zur physischen Erschöpfung praktiziert" - und damit Erfolg gehabt.

Am Ende waren es wohl weder Mut noch Entschlossenheit, sondern die politischen Beharrungskräfte, die die Wahl in Sachsen-Anhalt für die CDU entschieden haben. Wer im Amt ist, wird nicht einfach abgewählt, schreibt Reinhard Bingener in der FAZ. Dabei ist egal, welcher Partei die Amtsperson angehört. So schreibt er: "Bei den Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg siegten im Jahr 2019 in unmittelbarer zeitlicher und geographischer Nähe die jeweiligen Regierungschefs, obwohl sie den so unterschiedlichen Parteien CDU, SPD und Linkspartei angehörten". In Sachsen-Anhalt habe der Amtsbonus eine nochmals gesteigerte Wucht entfaltet.

Menschlich fundamentale Unterschiede?

Und darauf hatte wohl die Führung der Bundes-CDU gesetzt: Haseloff und seine Ehefrau hätten erzählt, so Bingener, sie seien über Monate bearbeitet worden, um zu verhindern, dass der Ministerpräsident in den Ruhestand tritt. Am Ende kommt es aber immer darauf an, wie das Ergebnis der Öffentlichkeit "verkauft" wird. Armin Laschet, CDU-Vorsitzender im Bund und Kanzlerkandidat, wertet das Wahlergebnis als Erfolg der Abgrenzung gegenüber der AfD. Die CDU sei das "Bollwerk gegen Extremismus", sagte er am Montag, und von dem eingeschlagenen Kurs solle keinen Millimeter abgewichen werden. Glaubt man Justus Bender, ebenfalls Redakteur bei der FAZ, so wäre die Abgrenzung weniger inhaltlicher als menschlicher Natur.

Wer die Abgrenzung fordere, schrieb er in einem Artikel für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, spreche meist in der Logik der Ideologie. Erwartet werde eine Brandmauer, wo auf der einen Seite Flammen loderten und auf der anderen trockenes Reisig liege. Der Erfahrung nach sei die Lage aber gar nicht so brenzlig, weil sich Konservative und AfDler ohnehin nicht auf der menschlichen Ebene verstünden:

Die Leute in beiden Parteien sind von einem anderen Schlag. Wenn Konservative in der CDU ihr Unbehagen über die rauschhafte Politik der AfD erklärten, wirkte das nicht wie eine künstliche, strategische Position, sondern wie ein authentisches Gefühl. Diese Leute waren auch in ihrem übrigen Leben nicht die experimentierfreudigsten. Ihnen fehlt das Glücksritterhafte, unstete, das so viele verkrachte AfD-Biographien ausmacht. Sie ließen auch die Lust an der Provokation vermissen, die bei AfD-Mitgliedern oft zur Grundausstattung gehört.

Der Verweis auf das Menschliche ist natürlich wohlfeil und lenkt ab: Es kann durchaus sein, dass die einen sich nicht trauen, in geheimer Abstimmung gegen ihre Kanzlerin zu votieren, und dass die Anderen politische Draufgänger sind - sie können sehr wohl dieselben Ziele verfolgen.

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