AfD nun bundesweit "Verdachtsfall" in Sachen Rechtsextremismus
Nach Medienberichten hat der Verfassungsschutz die Partei "hochgestuft". Deren Vorsitzende sind außer sich und sehen ihre Chancengleichheit im Superwahljahr verletzt
Für das Wahlverhalten von Menschen, die sich ernsthaft mit rechter Ideologie beschäftigen, ohne mit ihr zu sympathisieren, ist nicht entscheidend, ob der Verfassungsschutz die AfD als "Verdachtsfall" im Bereich Rechtsextremismus einstuft. Sie dürften sich ihre Meinung längst aufgrund zahlreicher Äußerungen von AfD-Politikern gebildet haben. Schließlich wurde dem Verfassungsschutz nach diversen V-Mann-Skandalen und Vertuschungsaktionen im Zusammenhang mit dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) im letzten Jahrzehnt nicht das beste Urteilsvermögen zugetraut.
Die AfD aber hat Angst um Stimmen aus bürgerlichen Milieus, die zwar inhaltlich mit ihr sympathisieren, aber aufgrund ihres staatstragenden Selbstverständnisses keine "Extremisten" sein wollen und den Inlandsgeheimdienst respektieren. So war die Aufregung groß, als an diesem Mittwochmorgen mehrere Medien berichteten, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nun die gesamte AfD als Verdachtsfall eingestuft habe.
Verweis auf Stillhaltezusage
Die Parteivorsitzenden Jörg Meuthen und Tino Chrupalla sprachen von einem "Skandal, der die AfD gerade in einem Superwahljahr massiv zu schädigen droht". Der Partei liege bisher "keine offizielle Erklärung des Bundesamtes vor, die das bestätigt", erklärten sie zunächst. "Sollte das BfV die AfD tatsächlich zum Verdachtsfall hochgestuft haben, wäre damit genau das eingetreten, was wir seit Mitte Februar versucht haben, durch Eilverfahren bis hin zum Bundesverfassungsgericht abzuwenden: eine Hochstufung, die dann umgehend an die Presse durchgestochen wird."
Einzelne Medien hätten bereits aus einem BfV-Gutachten zitiert, das das Bundesamt erst an diesem Montag in einem Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln eingereicht habe - und das der AfD selbst noch gar nicht vorliege. Das zeige, "wie wenig die Stillhaltezusage wert war, die das BfV im Eilverfahren dazu abgegeben hatte", so Meuthen und Chrupalla.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hatte der Präsident der Behörde, Thomas Haldenwang, die Landesämter für Verfassungsschutz am Mittwoch in einer internen Videokonferenz über die Entscheidung informiert. Wegen eines noch nicht abgeschlossenen Gerichtsverfahrens "und aus Respekt vor dem Gericht" gibt das BfV aber offiziell noch keine Stellungnahme dazu ab.
Da in den nächsten Monaten mehrere Landtagswahlen und die Bundestagswahl anstehen, hatte die AfD unter Verweis auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb versucht, die bundesweite Einstufung als "Verdachtsfall" beziehungsweise deren öffentliche Bekanntmachung durch Klagen vor den Verwaltungsgerichten zu verhindern.
"Flügel" offiziell aufgelöst, aber inhaltlich einflussreich
Den Politikwissenschaftler Prof. Hajo Funke überrascht die Hochstufung nicht. Anders als sein Vorgänger Hans-Georg Maaßen meine es der jetzige BfV-Chef Thomas Haldenwang ernst, sagte Funke am Mittwoch im Gespräch mit Telepolis. Zumindest an der Spitze und in seiner Öffentlichkeitsarbeit verharmlose das Amt rechtsextreme Ideologie inzwischen nicht mehr. Inwieweit das Personal aus der Maaßen-Ära intern andere Bewertungen treffe, sei von außen nicht einschätzbar. Funke vertritt als Autor des Buches "Die Höcke-AfD" schon länger die These, dass der offiziell aufgelöste völkisch-nationale Flügel um den Thüringer Fraktionschef Björn Höcke sich inhaltlich in der Partei durchgesetzt hat.
Ihre Einstufung als Verdachtsfall bedeutet, dass die AfD ab sofort auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden darf - und anders als ärmere "Kameradschaften", deren Mitglieder sich taktisch als V-Leute anwerben ließen und zum Teil ihre Aktivitäten mit V-Mann-Honoraren finanzierten, hätte sie davon aufgrund ihres Parteivermögens keinen spürbaren Vorteil.
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