Affen sind auch nur Menschen
Neue DNA-Analysen konstruieren Ahnengalerie der Säuger
Die Analyse funktionell wichtiger genetischer Unterschiede zeigt, dass Menschen und Schimpansen gleichermaßen zu einem gemeinsamen Vorfahren konvergieren und deshalb dem Genus Homo zugerechnet werden müssen.
"Der Mensch stammt vom Affen ab" war die Antithese zur Ansicht, dass ausschließlich der Mensch die Familie der Hominiden mit dem Genus Homo bildet. Morris Goodman und seine Mitarbeiter von der Wayne State University leiten in den Proceedings of National Academy of Sciences (PNAS) aus sorgfältig gewählten DNA Analysen eine neue Interpretation ab. Sie vergleichen 97 Gene von sechs Spezies, nämlich Menschen, Schimpansen, Gorillas, Orang-Utans, Neuweltaffen und Mäusen, und konstruieren daraus die Ahnengalerie der Säuger. Ihr Interesse gilt nicht der Art und Zahl der Gene. Sie konzentrieren sich vielmehr auf die Mutation von Genen zur Eiweißbildung.
Aus der Sicht dieser funktionell wichtigen Gene besteht eine 99 prozentige Übereinstimmung zwischen Menschen und Schimpansen. Danach haben sich beide Gruppen vor 5-6 Millionen Jahren aufgeteilt. Bemerkenswert ist ferner, dass sich der Urvater 1 Million Jahre früher von den Gorillas abgrenzte. Womit die Familie der Hominidae drei Gruppen umfasst, und der Genus Homo sowohl Menschen wie auch Schimpansen.
Die epochale Erkenntnis kommt auf leisen Sohlen daher. Seit mehr als 10 Jahren trägt Morris Goodman molekularbiologische Daten zusammen, um die Evolution von Menschenaffen und Menschen vergleichend zu analysieren. Der genetische Stammbaum, so sind sich die Genetiker einig, lässt sich schwerlich am Chromosomensatz festmachen. Die Chromosomen sind Gliederungselemente wie Häuser und Straßenzüge. Die Essenz indes sind Funktionseinheiten, die das Besondere, kurz das Evolutionäre ausmachen. In diesem Sinne bestätigen die aktuellen Forschungsergebnisse frühere Untersuchungen, die sich zunächst auf Chromosomenstrukturen und schließlich verschiedene Substrukturen stützen.
Werden die Ergebnisse die Kritik am Darwinismus verstummen lassen? Eigentlich stehen die Chancen gut. Die anfänglich hohen Erwartungen an das Besondere des Menschen sind mit dem Abschluss des Human Genom Projects zerstoben. Nahezu wöchentlich werden neue Analysen von Pflanzen und Tieren publiziert. Die Daten zementieren unausgesprochen die Gültigkeit der Evolutionstheorie. Der experimentelle Biologe R.Bachmann skizzierte diese Theorie von 30 Jahren so:
Das Wesen der Entwicklung, die Gestaltung, ist Wachstum und Differenzierung. Der normale Gestaltungsprozess wiederum beruht auf abhängiger Entwicklung. Sie beginnt mit der Furchung und findet ihren Ausdruck in der abgeschlossenen Zellteilung. Allerdings kann der Beginn der Entwicklung nicht ohne Weiteres mit dem Beginn der individuellen Existenz gleichgesetzt werden.
R.Bachmann umging damit die Arena, in der sich Befürworter und Gegner heftige Wortgefechte liefern, um die Frage nämlich, ob der Mensch eine einmalige göttliche Schöpfung ist.
Charles Darwin selbst wusste um den Zündstoff und die bis heute schwelende Problematik
Viele Jahre hindurch habe ich Notizen über den Ursprung oder die Abstammung des Menschen gesammelt, ohne die Absicht, etwas darüber zu veröffentlichen; ich war im Gegenteil entschlossen, nichts davon in die Öffentlichkeit zu bringen, weil ich fürchtete, damit nur die Vorurteile gegen meine Ansichten zu mehren.
Mit diesen Sätzen beginnt das Vorwort zu seinen Ausführungen über die Abstammung des Menschen (The Descent of Man). Schlagzeilen wie "In jedem Mensch steckt ein Mäuseschwanz," markieren ironische Reaktionen der Anti-Darwinisten auf die Ähnlichkeit zwischen den Ergebnissen vom Human Gene Project und dem erst kürzlich vervollständigten Mäusegenom, das von Morris Goodman und seiner Gruppe nunmehr als Negativkontrolle, also irrelevant, mitgeprüft wurde.
Für Geisteswissenschaftler und vor allem für Kleriker ist Historie (Stammbaum) und Dasein untrennbar verbunden mit dem Sosein. Dass sich der Mensch durch seine Gehirnfunktion und geistigen Leistungen hervorhebt, wurde von Darwin keineswegs bezweifelt. Auch stand er in der Tradition des Aristoteles, der den Grad der Perfektion für lebende Wesen in einer scala naturae einordnete. Darwin trennte die Menschenaffen (Pongiden) von den Menschen (Hominiden) aufgrund körperlicher Merkmale und der Fähigkeit, mit Werkzeugen umzugehen. Dennoch haperte es mit den Wechselbeziehungen. Selbst George Gaylord Simpson, dem 1963 die Fülle der vergleichenden Säugetiersystematik zur Verfügung stand, vermeidet es, die Verbindung zum Menschen herzustellen, obwohl er hinsichtlich der Menschenaffen die genetischen Erkenntnisse von Morris Goodman und Mitarbeitern vorwegnimmt.
Morris Goodman hingegen präsentiert als Stütze für seine molekularbiologischen Ergebnisse in guter Darwinscher Tradition die reichhaltigen Erfahrungen der Verhaltensbiologen:
Die Schimpansen benutzen Werkzeuge, haben eine eigene Kultur, sind ökologische Generalisten, und hochgradig sozial. Dass sie wegen des anders gearteten Kehlkopfs nicht sprechen können wie wir Menschen, machen sie durch eigene Fähigkeiten wett, nämlich durch die Zeichensprache und Lexigramme.
Auch wagt sich Goodman noch einen Schritt weiter: "Die Lebensverhältnisse der Schimpansen erlauben Einblicke in die frühe menschliche Entwicklung."
Obschon Morris Goodman bis in den molekularbiologischen Bereich dem Grundgedanken Darwins treu bleibt, wird Kritik nicht ausbleiben. Manche werden sich umstimmen lassen. Andere wollen, dass der Menschen einmalig und unverwechselbar sei. Daran werden schlüssige naturwissenschaftliche Beweise nichts ändern.