Afghanischer Wahlzirkus
Der Amtsinhaber, sein ehemaliger Sicherheitsberater und einige Warlords - ein großer Kritikpunkt bei den aktuellen Wahlkampagnen ist der Mangel an Frauen, die kaum präsent sind
In Afghanistan überschlagen sich die politischen Entwicklungen in diesen Tagen. Während am Montag allein in der Provinz Wardak nahe Kabul über 100 Soldaten der afghanischen Armee bei einem Taliban-Anschlag getötet wurden, ist die Polit-Elite des Landes anderweitig beschäftigt. 2019 finden nämlich Präsidentschaftswahlen am Hindukusch statt. So ist es zumindest vorgesehen.
Vor einigen Tagen wurden die Wahlen, die eigentlich auf März ausgelegt waren, verschoben. Sie sollen nun im Juli stattfanden. Die wichtigsten Kandidaten haben sich bereits in der vergangenen Woche aufstellen lassen. Neue Gesichter lassen sich kaum unter ihnen finden.
Das Team des Präsidenten Ashraf Ghani
Erwähnenswert sind vor allem das Team des gegenwärtigen Präsidenten Ashraf Ghani sowie jenes seines ehemaligen Sicherheitsberaters Hanif Atmar. Die beiden Paschtunen gelten als aussichtsreichste Kandidaten und erhalten von zahlreichen anderen innerafghanischen Akteuren Rückendeckung. Jeder Kandidat geht mit jeweils zwei Vizepräsidentschaftskandidaten ins Rennen. Es ist kein Zufall, dass die Zusammensetzung in vielen Fällen unter Ethnien verteilt ist.
Ghanis Team hat im Vergleich zu 2014 eine maßgebliche Veränderung hinter sich. Während damals der usbekische Warlord Abdul Rashid Dostum als sein erster Stellvertreter fungierte, ging dieser Part diesmal an den Tadschiken Amrullah Saleh. Saleh gehörte einst zur Nordallianz Ahmad Shah Massouds. Er gilt als wichtige Anti-Taliban-Figur und ist ein großer Kritiker des Nachbarstaates Pakistan.
Während der Amtszeit Hamid Karzais war er der Chef des afghanischen Geheimdienstes NDS. Bis vor Kurzem war Saleh noch ein großer Kritiker Ghanis. Er warf ihm unter anderem eine kurzsichtige Politik sowie Ethnozentrismus vor. Vor rund 30 Tagen ernannte Ghani Saleh plötzlich zum Innenminister. Den Posten musste er allerdings aufgrund seiner Nominierung zum Vizepräsidentschaftskandidaten in der vergangenen Woche wieder abgeben.
Opportunismus ist nichts Neues
Opportunismus ist nichts Neues in der afghanischen Politik. Dies wird auch im Team von Atmar, einem ehemaligen Kommunisten, deutlich. In seinem Team lassen sich zwei ehemalige Mudschaheddin-Figuren finden, der Tadschike Yunus Qanuni sowie Mohammad Mohaqiq, ein politischer Führer der Hazara. Außerdem genießt Atmar die Unterstützung von anderen mächtigen Männern wie Atta Mohammad Noor, dem ehemaligen Gouverneur der nördlichen Provinz Balkh.
Vor wenigen Monaten sah die Konstellation noch ganz anders aus. Damals war Atmar noch der Nationale Sicherheitsberater der Ghani-Regierung, während Warlords wie Atta ihm Terrorismus und die Unterstützung der afghanischen IS-Zelle vorwarfen.
Dies änderte sich, nachdem Atmar seinen Posten aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit Ghani abgeben musste. Im Team von Atmar lassen sich vor allem Personen finden, die mit der Arbeit des Präsidenten nicht zufrieden sind und diesem unter anderem Egoismus, Größenwahn und einen autoritären Führungsstil vorwerfen. Nicht wenige von ihnen sind mächtige Warlords, die sich von Ghani entmachtet fühlen.
Da in Afghanistan keine Parteien zur Wahl antreten, sondern Einzelpersonen, lassen sich zahlreiche weitere Kandidaten finden. Es liegt auf der Hand, dass die meisten von ihnen es nicht weit bringen werden und sich - ähnlich wie bei vergangenen Wahlen - den bedeutsameren Teams anschließen werden.
Weitere Anwärter auf das Präsidentenamt sind unter anderem der frühere Geheimdienstchef Rahmatullah Nabil, Zalmay Rasoul, ein Verwandter des letzten Königs Mohammad Zahir, der bekannte Warlord und "Schlächter von Kabul" Gulbuddin Hekmatyar sowie der gegenwärtige Regierungschef Abdullah Abdullah.
Allem Anschein nach wurde vor allem Abdullah von Ghani und Atmar außen vor gelassen. Bei den Wahlen 2014 verlor er nur knapp gegen Ghani. Ähnlich verhielt es sich 2009 gegen Karzai. In beiden Fällen gab es teils erhebliche Vorwürfe des Wahlbetrugs. Ein großer Kritikpunkt bei den aktuellen Wahlkampagnen ist der Mangel an Frauen, die kaum präsent sind.