Afghanistan: "Auf der anderen Seite gab es nur Gier, Geldgier"
Seite 2: Was kann der Westen jetzt machen?
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Was kann denn der Westen jetzt tun bzw. was soll er besser vermeiden?
Emran Feroz: Ja, der Westen soll auf jeden Fall vermeiden, da nochmal Bomben abzuwerfen. Wenn ich da so manche Diskussion verfolge: Manche haben überhaupt nichts aus den letzten zwanzig Jahren gelernt und wollen einfach nochmal das Gleiche machen. Das ist nicht nur naiv, sondern dumm. Wenn man das jetzt immer noch nicht gemerkt hat, dann ist das natürlich bedauerlich.
Was der Westen machen soll meiner Meinung nach? Die Taliban sind keine Demokraten und sie werden noch viele Fehler und Probleme machen. Es wird noch viele Dinge geben, über die dann skandalös berichtet wird. Finanzielle Hilfsmittel werden aber weiter nach Afghanistan fließen müssen, weil der afghanische Staat ohne ausländische Hilfe nicht überleben kann.
Das sind nicht mehr die Taliban der 1990er, die sich da isoliert aufgespielt haben und mit niemanden etwas zu tun haben wollten, sondern sie wissen, dass die internationale Gemeinschaft früher oder später bald mit ihnen zusammenarbeiten wird. Regionale Staaten werden sehr bald mit ihnen aktiv zusammenarbeiten. Handel wurde da in den letzten Jahren schon gemacht und der Westen wird sich letztlich auch anschließen.
Vielleicht gibt's dann auch schon im Westen die ersten Stimmen, die sagen, jetzt arbeitet man mit den Taliban zusammen, das Land ist sicher, wir können den Afghanen wieder abschieben. Ich kann mir auch vorstellen, dass diese Legitimation kommen wird, dann, wenn Gelder fließen.
Über diese Gelder soll auch Druck ausgeübt werden. Meiner Meinung nach ist das Wichtige, dass man sich an gewisse grundlegende Dinge hält. Dann kann man dann seinen Einfluss zeigen. Aber es gibt auch eine Heuchelei des Westens. So hat neulich ein Taliban-Sprecher, angesprochen auf Menschenrechte und Hinrichtungen gefragt, wo denn das Problem genau liege. Der Westen arbeite doch mit den Saudis zusammen.
In der Biden-Regierung denkt man über Sanktionen nach. Wie schätzt du das ein?
Emran Feroz: Wirtschaft eine kollektive Bestrafung für die Menschen? Das ist eben das, was meiner Meinung nach nicht passieren sollte. Weil die Nato-Länder, die USA, selber auch dazu beigetragen haben, dass es so weit gekommen ist. Dann müssen die sich selbst auch sanktionieren. Man hat selber in den letzten Jahren in den letzten zwei Jahrzehnten so viel Mist gemacht: die Korruption gefördert, Zivilisten getötet und daraufhin deren Familienangehörige in die Arme der Taliban getrieben. So hat man an Möglichkeiten zum Frieden schon so vieles verpasst.
Vor zwanzig Jahren schon. Bush und Rumsfeld wollten keinen Frieden machen und wollten weiter "War on Terror" machen. Da waren die Taliban viel schwächer. Da hätte man besser etwas machen können als jetzt. Kommen Sanktionen tatsächlich, dann würde dies zur Folge haben, dass viele arme Afghanen zu Schaden kommen und das wäre heuchlerisch.
Von Emran Feroz erscheint heute im Westendverlag das Buch: Der längste Krieg. 20 Jahre War on Terror.