Afrin: Exzessive Gewalt durch türkische Besatzung
Seite 2: Vertreibung von Aleviten aus Afrin
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- Vertreibung von Aleviten aus Afrin
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Neben der gezielten Vertreibung der Eziden (häufig: Jesiden) sind auch die Aleviten von Vertreibung und Zerstörung ihrer heiligen Orte betroffen. Aleviten lebten hauptsächlich in der Gemeinde Mabeta im Kanton Afrin. Viele Vorfahren der dort lebenden Aleviten stammen aus den Provinzen Malatya und Maras der Südosttürkei. Schon im Osmanischen Reich waren die Aleviten Unterdrückung ausgesetzt.
Im Zuge des Genozids an den Armeniern 1915 in der Türkei mussten auch die Aleviten fliehen. 1938 kam eine neue alevitische Flüchtlingswelle in Mabeta an, diesmal aus Dersim. Der Völkermord an den alevitischen Dersim-Kurden 1938 ist der nächste Völkermord nach dem Armeniergenozid in der Türkei. Über 80.000 Aleviten wurden ermordet, unzählige deportiert.
Nun stehen sie wieder vor der Vertreibung. Im August dieses Jahres wurden 139 Familien von Dschihadisten aus Ostghouta in Mabeta angesiedelt. Der 160-jährige alevitische Grabbau Av Girê wurde von der Islamistenmiliz Ahrar al-Sharqiya geplündert.
Zerstörung von kulturellem Erbe in Afrin
Der Kanton Afrin besitzt viele historische Orte bis hin zur Steinzeit. In einer Höhle in Afrin wurden beispielsweise die Knochen eines zweijährigen Neandertalerkindes gefunden. Die Türkei nimmt wie in ihrem eigenen Land darauf wenig Rücksicht. Wichtige historische Stätten wie der Ischtar-Tempel von Ayn Dara wurden am 23. Januar bei Bombardierungen der türkischen Luftwaffe fast vollständig zerstört.
Der Tempel ist einer der ältesten Tempel in der Region. Archäologen datierten den späthithitischen Tempel auf die Zeit von ca. 1300 v.Chr.. Die historisch wichtige, 2300 Jahre alte seleukidische Burg von Kyrrhos und der angrenzende Pilgerort Nebî Hûri wurde bombardiert und stark beschädigt.
Die zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärte Julianos Kirche im Mor Maron und das Grab des heiligen Maron wurden ebenfalls bombardiert und zerstört. Neben der weltberühmten Kirche und dem Grab befanden sich dort Bäder, Gebetsräume, Häuser, Friedhöfe und viele andere historische Bauwerke, die von vielen Christen aus aller Welt besucht wurden. Das ebenfalls als UNESCO-Weltkulturerbe gelistete Dorf Berad (Brad) wurde am 22. März bombardiert.
Die UNESCO hatte der Türkei zuvor die Koordinaten der historischen Orte in Afrin gegeben, damit diese nicht beschädigt würden, berichtet ANF. Stattdessen bombardierte die Türkei diese Stätten dann gezielt.
In El Rai wurde die Kirche geplündert. Die Funde werden von den Milizen in der Türkei verkauft. Mamun Abdulkerim, der Leiter einer Delegation syrischer Archäologen, berichtet von 40 historischen Orten, die in Nordsyrien kurz vor der Auslöschung stünden.
Es fänden auch Raubgrabungen mit aus der Türkei herangeschafften Baggern in der ganzen Region statt. Laut Informationen von ANF wurden dazu Lager unmittelbar neben den Tempeln und historischen Orten errichtet, die von der Türkei zur Tarnung als Militärbasen deklariert wurden. Historische Objekte stellen für die von der Türkei unterstützten Milizen eine wichtige Geldquelle dar.
Plünderung und Zerstörung der Natur in Afrin
Mehr als 50.000 Tonnen Oliven hat die türkische Regierung aus Afrin abtransportieren lassen. Am 8. November eröffneten die türkischen Militärs eigens dafür einen Grenzübergang bei Cindires. Landwirtschaftsminister Bekir Pakdemirli hat im türkischen Parlament bestätigt, dass die Oliven von der türkischen Armee und ihren verbündeten Milizen aus Afrin in die Türkei gebracht werden. Er sagte: "Bezüglich Afrîn ist es folgendermaßen: Es ist klar, wir wollen nicht, dass die Gewinne an die PKK gehen. Wir wollen, dass die Gewinne aus diesem Gebiet unter unserer Kontrolle auf irgendeine Weise an uns gehen."
80 Millionen Dollar Gewinn will die Türkei mit den Oliven erzielen. Der Landwirtschaftsrat von Afrin errechnete, dass die 18 Millionen Olivenbäumen in Afrin 14 Millionen hochqualitative Früchte liefern. Die diesjährige Olivenernte hätte dem Kanton eine Olivenernte von 200.000 bis 210.000 Tonnen grünen Oliven und eine Produktion von 40.000 Tonnen Olivenöl gebracht.
Seyit Aslan, Vorsitzender der türkischen Nahrungsmittelgewerkschaft Gıda-Is bezeichnete dies als Raub und Plünderung des Besitzes von Menschen, die aus Afrin vertrieben wurden. Gipfel ist, dass nach der Ernte die uralten Olivenbäume mit Planierraupen entwurzelt wurden, damit auch in der Zukunft die Lebensgrundlage der Bevölkerung zerstört bleibt
Das alles scheint Teilen des national-konservativen kurdischen Nationalrat ENKS (vgl. Syrische Opposition trifft sich in Nordsyrien), welcher der nordsyrischen Föderation eher ablehnend gegenübersteht, nun doch zu weit zu gehen.
Dreißig Mitglieder der Zukunftsbewegung (Şepêla Pêşeroja Kurd li Sûriyê) im ENKS traten Ende November aus und in die Demokratische Friedenspartei Kurdistan (Partiya Aştiya Demuqrat ya Kurdistanê - PADK) ein. Zentraler Kritikpunkt: Der ENKS sei der türkischen Regierung und Barzanis nordirakischer KDP hörig. Die Nachrichtenagentur ANHA sprach mit Ibrahim Ehmed, einem der ausgetretenen Mitglieder über seine Austrittsgründe.
Ehmed berichtete, der ENKS spiele praktisch keine Rolle mehr auf der politischen Bühne und in der kurdischen Bevölkerung. Alle Entscheidungen des ENKS würden aus der Türkei und dem Nordirak kommen. Die noch verbliebenen Personen des Nationalrates seien nur noch hinter eigenen Vorteilen her. Es gebe in Syrien nur noch ein paar Leute, die aber "auf dem Schoß des türkischen Staates" sitzen würden.
Er kritisierte, dass der ENKS sich nicht am Kurdischen Nationalkongress (KNK) beteilige und damit nicht seine Verpflichtungen gegenüber der kurdischen Bevölkerung erfülle. Auch hätte der ENKS gegenüber der Brutalität des türkischen Staates in Afrin geschwiegen. Letztlich spielt der ENKS in Afrin sogar eine aktive Rolle, denn er sitzt mit im Rat von Afrin, der von der Türkei eingesetzt wurde und dem von Kritikern vorgeworfen wird, dass in ihm auch (Ex-)Mitglieder des IS und der al-Nusra-Front sitzen.
Ehmed Ibrahim berichtete weiter, der ENKS hätte andauernd grundlose Anschuldigungen gegen die führende Partei der "Demokratischen Föderation Nordsyriens", die PYD verbreitet und behauptet, die PYD hätte die Veranstaltungen verboten. Dies entspreche nicht der Wahrheit.