Afrin: Exzessive Gewalt durch türkische Besatzung

Seite 3: Deutschland finanziert kurdenfeindliche Politik in Afrin

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Unter dem Deckmäntelchen der Demokratisierung der syrischen Bevölkerung flossen über das sogenannte "Europäische Zentrum für Kurdische Studien" (EZKS) mehr als 800.000 Euro an den ENKS und seine Verbündeten, wie die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Inge Höger und weiterer Abgeordneter der Linken vom April 2014 erkennen lässt.

Die Bundesregierung fördert im Rahmen ihres Engagements für eine politische Transition aktuell auch ein Projekt des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien (EZKS). Ziel des Projekts ist der Kapazitätsaufbau des Kurdischen Nationalrats, um dazu beizutragen, dass die syrischen Kurden, die in Opposition zum syrischen Regime stehen, ihre Positionen in die Entscheidungsfindung des oppositionellen Hohen Verhandlungskomitees einbringen können. In der Vergangenheit wurden darüber hinaus EZKS-Projekte in Nordsyrien gefördert, die auf eine Demokratisierung der syrischen Bevölkerung abzielten.

Antwort der Bundesregierung

Finanziert wurde damit unter anderem die Öffentlichkeitsarbeit des ENKS und ein Radiosender, um die Propaganda gegen die "demokratische Föderation Nordsyrien" zu unterstützen. Mit der Unterstützung der Türkei ist Deutschland indirekt auch mit den Menschenrechtsverletzungen in Afrin verbunden.

Deutsche Panzer und deutsche Waffen waren beim Einmarsch der Türken zu sehen und sie kommen heute noch zum Einsatz. Der Spiegel berichtet in einem Video über die eingangs erwähnte Konferenz in Amûde und die Menschenrechtsverletzungen der türkischen Soldaten an den Bewohnern Afrins. Demnach erhalten die Bewohner beispielsweise einen "Ausweis", auf dem "Yabanci" (dt. Ausländer) steht.

Die Bewohner werden damit in ihrer eigenen Stadt zum Ausländer gemacht. Nur mit einem solchen Ausweis haben die Menschen Zugang zu Lebensmittelhilfen. Letztendlich verstößt diese Politik der Türkei gegen das Haager Abkommen. Es ist neben den Genfer Konventionen das wichtigste Abkommen und somit ein wesentlicher Teil des humanitären Völkerrechts.

"Die Haager Landkriegsordnung ist für die Vertragsparteien und ihre Nachfolgestaaten in den Beziehungen untereinander weiterhin gültiges Vertragsrecht. Ihre Prinzipien gelten darüber hinaus seit einigen Jahrzehnten als Völkergewohnheitsrecht. Sie sind damit auch für Staaten und nichtstaatliche Konfliktparteien bindend, die dem Abkommen nicht explizit beigetreten sind." (…) Artikel 25 legt fest, dass unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnungen oder Gebäude nicht angegriffen werden dürfen. Bilder und Videos belegen jedoch, wie die Menschen in Afrin, vor allem die verbliebenen Alten in den Dörfern, von der sogenannten FSA nach wie vor angegriffen, gedemütigt oder ermordet werden.

Artikel 27 besagt: "bei Belagerungen und Angriffen sind religiöse und wissenschaftliche Einrichtungen sowie Gebäude, die der Kunst oder der Wohltätigkeit dienen, ebenso wie historische Denkmäler und Krankenhäuser, so weit wie möglich zu schonen". Luftaufnahmen zeigen, wie das türkische Militär ezidische und christliche Heiligtümer bewusst bombardierten. Die Tagesschau berichtete mehrfach über das Krankenhaus in Afrin, das von türkischen Kampfjets bombardiert wurde.

Nach Artikel 28 dürfen Städte und Siedlungen nicht geplündert werden. Es ist reichlich durch Fotos und Videoaufnahmen dokumentiert, wie die türkische Armee und ihre Verbündeten plündernd und brandschanzend durch die Dörfer marodieren. Es mehren sich auch Berichte, die FSA würde Schutzzölle erheben und Häuser für ihre nachkommenden Familien beschlagnahmen.

Ist Afrin jetzt Teil der türkischen Provinz Antakya?

Die Konferenz im Europaparlament: "Die EU, die Türkei, der Mittlere Osten und die Kurden"

Die vergangene Woche abgehaltene Konferenz im EU-Parlament stand unter dem Motto: "Der kurdische Faktor in der Weltpolitik - Krise, Herausforderungen und Lösungen". Besprochen wurden Themen wie zum Beispiel: "Die Türkei als Staat, der seiner Rechtstaatlichkeit beraubt wird", "Abdullah Öcalan und die Lösung für die Krise im Mittleren Osten" und "Friedenskraft im Mittleren Osten: Frauen".

Interessant ist, wenn man die Ergebnisse der drei internationalen Konferenzen zu den Kurden in jüngster Zeit vergleicht, welche Quintessenz daraus zu ziehen wären. Mit Sicherheit wird die Türkei in der Bewertung schlecht wegkommen. Ob sich die Politik dadurch zu einer Änderung ihrer Kurdenpolitik aufraffen kann, ist aber fraglich, denn obwohl auch auf Bundestags- und auf EU-Ebene festgestellt wurde, dass der Einmarsch der Türkei völkerrechtswidrig ist, wird der Türkei kein Einhalt geboten.

Im März dieses Jahres verurteilte Kanzlerin Merkel in einer Regierungserklärung das Vorgehen der Türkei in Afrin zwar aufs Schärfste - Konsequenzen folgten daraus aber nicht.