Alchemie im frühen Universum
Seite 2: Die Temperatur des frühen Universums
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Nochmals etwas detaillierter: Ein Rezept für ein Universum wie unseres fängt mit einem Schmelztiegel an, in dem eine ungeheure Temperatur herrscht. Der Temperaturbegriff ist nur ein anderer Name für die mittlere Bewegungsenergie der vorhandenen Teilchen. Es ist deswegen manchmal einfacher, statt sich die Temperatur vorzustellen, eher an die mittlere Energie der Photonen und die anderen Teilchen zu denken. In einem Ofen z.B., in dem 13 Mrd. Grad Kelvin herrschen, hat jedes Teilchen eine Energie von etwa 1,1 Megaelektronenvolt (MeV). Solche Teilchen sind wie Projektile. Mit 2,2 MeV kann man z.B. einen Deuteriumkern spalten.
Nach der Urknall-Theorie fängt das Universum fast wie eine Singularität an und expandiert ab dann unaufhaltsam. Da die Expansionsrate proportional zur Dichte der Energie und Materie ist, schwillt das Universum am Anbeginn der Zeit ultraschnell an. Wenn wir uns das gesamte Universum in einer Plancklänge komprimiert vorstellen, fällt es dann nicht mehr allzu schwer, sich eine solche schnelle Expansion auszumalen, da die Energiedichte gewaltig ist.
Von den Prinzipien der Thermodynamik ausgehend haben die Physiker eine Formel für die Temperatur berechnet für die Zeit in der das Universum durch die Energie der Photonenstrahlung und noch nicht durch Materie dominiert ist.2 Die Formel ist extrem einfach und besagt, dass die Temperatur T mit der Zeit t abfällt, wobei die Zeit in Sekunden ab dem Urknall gemessen wird:
T=((13 "Milliarden Grad Kelvin" ))/√t
Nach dieser Formel hatte das Universum eine Temperatur von 13 Mrd. Kelvin bei t=1 Sekunde. Das Universum kühlt auf die Hälfte der Temperatur bei t=4 Sekunden ab. Nach einer Million Sekunden (etwas mehr als 11 Tage) geht die Temperatur von den Milliarden in die Millionen Kelvin über. Der Abkühlungsvorgang ist, wie man sieht, außergewöhnlich schnell und Strahlung und Teilchen verlieren ihre Bewegungsenergie proportional zur Expansion. Teilchen, die sich bei einer gewissen Temperatur nicht zusammenbinden können, können es nur wenig später doch tun, wenn sie nicht mehr so schnell sind und sie sich anderen Kräften beugen müssen (wie z.B. die Kraft, die Atomkerne zusammenhält). Das sind die oben angesprochenen Phasenübergänge.
Abfolge der Epochen
Die Geschichte des frühen Universums ist deswegen die Geschichte dessen Temperatur. Es ist einfacher, die Abfolge der Epochen anhand der Temperatur aufzulisten, als nach der vergangenen Zeit in Sekunden, da alles so rasant verläuft. Einige Epochen (nach dem Abschluss der Periode der sogenannten kosmischen Inflation) sind in der Tabelle unten angegeben.3
Temperaturbereich | Ära | Zustand des Universums |
10^15K bis10^12K | Quarksepoche | Plasma aus freien Quarks, Elektronen, Photonen, Neutrinos, etc. |
10^12K bis10^10K | Hadronenepoche | Quarks bilden Protonen und Neutronen. Freie Elektronen, Photonen, Neutrinos, etc. |
1010K bis 10000K | Nukleosynthese | Protonen und Neutronen bilden Atomkerne. Neutrinos lösen sich vom Plasma. |
10000K bis 3000K | Materiendominanz | Es gibt jetzt mehr Energie im Form von Materie als in Form von Strahlung. |
bei 3000K | Rekombination | die Elektronen binden sich an Kerne und bilden elektrisch neutrale Atome |
Man sollte allerdings anmerken, dass diese Abfolge der Epochen feiner oder grober gegliedert werden kann, je nachdem, wie viele Phasenübergänge man berücksichtigt. Ich habe diese einfache Einteilung gewählt, weil wesentliche Punkte auf dem Weg zu unserer heutigen Welt damit leichter erklärt werden können.
Zuerst muss berücksichtigt werden, dass Energie sich transformieren kann aber letztendlich immer in Teilchen kondensiert. Deswegen sagen einige Physiker reine Energie gibt es nicht, es gibt nur ihre Verkörperung in das eine oder das andere Elementarteilchen.4 Wenn Teilchen kollidieren, verwandelt sich ihre gesamte Energie in neue Teilchen. Die Wahrscheinlichkeit mit der das geschieht, hängt von der Energie der an der Kollision beteiligten Partikeln ab. Außerdem müssen die elektrische Ladung und andere Größen, wie der Spin, erhalten bleiben. Wenn man aber ein "Energiebudget" hat, kann man es im Prinzip unter all den Teilchen in der Tabelle der Elementarteilchen aufteilen. In Abb. 3 sind die Quarks violett angemalt, die Leptonen grün und die kräfteübertragenden Teilchen rot. Das Higgs-Boson überträgt keine Kraft, gibt aber den Teilchen ihre Masse.
Wenn man jetzt ein Plasma aus all diesen Teilchen im Frühuniversum bei großer Temperatur hat, kollidieren sie alle miteinander mit Geschwindigkeiten, die wir heute nur mit Teilchenbeschleunigern erreichen können. Einige Teilchen sind, wie man der Tabellen entnehmen kann, viel massiver als andere. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie nach einer Kollision erzeugt werden, ist niedriger. Es gibt viel mehr Alternativen um ein Energiebudget aufzuteilen, wenn zuerst die niedrigen Energien "bedient" werden und dann die Höheren. Das Teilchenplasma erreicht dann ein Gleichgewicht von Vernichtung und Erzeugung, das durch die sogenannte Maxwell-Boltzmann-Verteilung beschrieben wird. Es ist wie in der Atmosphäre: Unten am Meer ist der Luftdruck höher als auf dem Berg, wo Luftatome eine höhere potentielle Energie besitzen. Die niedrigeren Energiezustände werden präferentiell ausgefüllt. Der Luftdruck (und die Anzahl der Luftatome) nimmt daher mit der Höhe exponentiell ab.
Dies bedeutet, dass es bei der Quarkerzeugung einfacher ist "u" und "d" Quarks als Produkt zu haben als "t" Quarks mit ihren gewaltigen Massen. In der Quarksepoche gibt es aber genug Energie aus den Kollisionen, sodass alle Elementarteilchen erzeugt werden können. Deren jeweiligen Konzentrationen entsprechen aber ihren jeweiligen Energien.
Jedoch sollte man sich die Tabelle oben als doppelt vorhanden vorstellen. Antimaterie besteht im Prinzip aus denselben Teilchen aber statt Elektronen haben wir Positronen mit umgekehrter Ladung. Für alle Quarks gibt es auch entsprechende Antiquarks. Elektronen und Positronen können sich gegenseitig vernichten - auch Quarks und Antiquarks. Das Resultat kann ein hochenergetisches Photon sein. Umgekehrt kann ein hochenergetisches Photon sich in ein Elektron und ein Positron verwandeln.
Einer der großen Mysterien der heutigen Astronomie ist deswegen, warum es kaum Antimaterie im Universum gibt. Im Übergang von Quarks- zu Hadronenepoche haben sich Materie und Antimaterie gegenseitig vernichtet und sich in Photonen verwandelt. Es gab aber eine gewisse Asymmetrie bei der ursprünglichen Produktion der Elementarteilchen, sodass unter dem Strich mehr Materie als Antimaterie vorhanden war.
Einen Hinweis in diese Richtung liefert die Tatsache, dass es im Universum fast eine Milliarde Photonen für jedes Baryon gibt. Das Ungleichgewicht könnte die frühere Asymmetrie von Materie und Antimaterie widerspiegeln. Wenn es aus je einer Milliarde Materieteilchen eine Milliarde Antiteilchen minus 1 gegeben hätte, würde ein einziges Teilchen aus Materie am Ende der gegenseitigen Vernichtung von Materie und Antimaterie übrigbleiben und dazu fast eine Milliarde Photonen. Der Prozess hat einen Namen: Baryogenese, d.h. der Vorgang der Vernichtung von Antimaterie, sodass am Ende fast nur Materie und kaum Antimaterie übrigblieb. Der nach der Baryogenese entstandene Überschuss an Photonen wird Baryonen-Photonen-Ungleichgewicht genannt.
Einfachheit (und Komplexität) des Universums
Es klingt alles sehr kompliziert, aber das Resultat ist am Ende etwas einfacher. Etwa 98% des Universums besteht aus Wasserstoff und Helium, den leichtesten Elementen. Etwa 99,5% der Masse im Universum geht auf das Konto von Protonen und Neutronen. Protonen bestehen aber aus zwei "u" und aus einem "d" Quark. Neutronen aus einem "u" und zwei "d" Quarks. D.h. etwa 99,5% des Universums wird von "u" und "d" Quarks und dazu Elektronen, die die Atome elektrisch neutral halten, gebildet. Es ist eine Welt mit vielen LEGO-Bausteinen aber nur drei Elementarteilchen stellen die meiste Materie im Universum her. Der Anzahl nach sind aber die Photonen vorherrschend wegen des Baryonen-Photonen-Ungleichgewichts.
Die Astronomen haben schon seit vielen Jahren die Temperaturen in den unterschiedlichen Epochen des Universums berechnet. Damit kann man die Anzahl der in der Ursuppe erzeugten Elementarteilchen ermitteln und so die Anzahl der Atomkerne veranschlagen, die bei der Nukleosynthese gebildet wurden. Die theoretischen Berechnungen passen zu den astronomischen Beobachtungen. Jede alternative Theorie zum Big-Bang sollte in der Lage sein diese Häufigkeit der leichten Elementen im Universum erklären zu können.
Die Herstellung der schwereren Elemente geschah ab dann in den Sternen, wo durch Fusionsprozesse Kerne zusammenschmelzen konnten. Es gibt aber verschiedene Arten von Sternen mit unterschiedlichen Temperaturen und thermischen Bedingungen. Die periodische Tabelle in Abb. 4 zeigt, wo die verschiedenen Elemente gebacken worden sind. Jede Farbe identifiziert einen anderen "Heizkessel". Besonders interessant sind die Elemente, die in Neutronensternen gekocht werden, wie Gold, Silber und Platin. Als 2017 die Gravitationswellen von zwei Neutronensterne registriert wurden, die zusammengeschmolzen sind, konnten Astronomen ihre Teleskope auf die Kollisionsstelle richten. Sie haben die Spektren analysiert und bestätigt, dass Gold vor allem in Neutronensternen gebildet wird.5
Abb. 4 zeigt vor allem was für ein hochkomplexer Vorgang die Erschaffung eines Universums ist. Alles fängt mit einer Singularität an, aber ab dann kommen Phasenübergänge, Nukleosysnthese, Fusion- und Fissionprozesse ins Spiel, bis wir in Millionen von Jahren eine Welt wie unsere erhalten.