"Alien: Romulus": Schleimig, böse, unkaputtbar

Seite 2: Wenn die Menschen "zu schwach" und "zu fragil" sind ...

Damit erneuert dieser Film auch das aus "2001 - Odyssee im Weltall" bekannte Motiv eines Computers, der mächtiger ist als die Menschen und sie in Lebensgefahr bringt, um seine "Mission" zu erfüllen – der allerdings diese menschenfeindliche Mission auch in längeren Ausführungen positivistisch und zweckrational begründet.

Im Fall von Ash führt das zu einer kleinen Theorie des Fortschritts, die auf Kontrolle und Disziplinierung setzt, "nicht auf die Evolution warten kann", und der die Menschen als "zu schwach" und "zu fragil" erscheinen.

So handelt "Alien Romulus" unter anderem auch vom Verhältnis von Mensch und KI, und von Evolution: Der Film verortet die Urangst des Menschen, dass es etwas geben könnte, das sich als überlebensfähiger und stärker im "Kampf ums Dasein" im "Survival of the fittest" erweist, als der Mensch selbst, neu: Außer vom eigentlichen Monster kommt hier auch von "übermenschlicher", und unbeherrschter Computermacht tödliche Gefahr.

Zur interessantesten Figur des Films wird daher der Android Andy, ein Roboter, der den Menschen zum Verwechseln ähnlich sieht, und sich von diesen vor allem dadurch unterscheidet, dass er viel empathischer und selbstloser ist.

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Und dass er als den Sinn seines "Lebens" seine einzige Direktive beschreibt, die Aufgabe, alles zu tun, "was für Rain das Beste ist". Diesem Andy wird durch einige Kurven und Kehren der Handlung ein paar Mal der Computerchip mit dem eines anderen Roboters ausgetauscht.

So begegnet man hier in einer schönen Variation des klassischen Doppelgängermotivs eigentlich zwei Andys: einem bösen, dessen Auftrag das Interesse des Unternehmens ist, für das auch er über Leichen geht, und besagten, guten empathischen, ohne den Rain den Film nicht überleben würde.

Mit Stil und Selbstvertrauen

So ist dieser gelegentlich nostalgische "Reboot" der "Alien"-Reihe mit einer neuen, jüngeren Heldin eine würdige und gelungene Fortsetzung der früheren Filme, an die er zum Teil direkt anknüpft, ohne dass man sie dafür kennen müsste.

Genau genommen ist dies auch keine chronologische Fortsetzung, sondern eine Parallelgeschichte, die zwischen dem ersten und dem zweiten Film spielt, gewissermaßen "Alien 1.5". Ein "Midquel", das man angesichts der uninspiriert-epigonalen Prequels der Saga, die 2012 und 2017 herauskamen, leicht hätte unterschätzen können.

"Alien: Romulus" ist tatsächlich ein guter Sci-Fi-Thriller, der mit Stil und Selbstvertrauen realisiert wurde. Ein Film, der sich auf sehr smarte Weise zwischen "hoher" und "niedriger" Kultur bewegt, mit philosophischen Ideen und Genremotiven spielt, theoretische wie politische Debatten inspiriert und dabei viel Spaß macht. Ein Film für die Fans der frühen Filme, wie für eine neue Kinogeneration.

Schöne Kino-Momente und säurehaltige Alien-Blut-Gewitter

Während er bis zur nicht erwartbaren Showdown-Steigerung sein Pflichtenheft abarbeitet, gelingt es Fede Alvarez immer wieder, schöne Kino-Momente zu erschaffen. Das beginnt schon mit der Eröffnung, mit Bildern kosmischer Weite. Zu ihnen gehört auch die bis zum Schluss durchgehaltene Idee eines häufigen Wechsels zwischen Phasen der Schwerelosigkeit und der Schwerkraft.

Dies führt zu einer bemerkenswerten Passage: Nachdem Rain ein Dutzend Aliens getötet hat, findet sie sich plötzlich zwischen einem säurehaltigen Alien-Blut-Gewitter wieder, das in der Luft hängt.

Einige Szenen später wird ein freier Fall in einem schwindelerregenden, ins Nichts führenden Fahrstuhlschacht plötzlich gestoppt und dann wieder beschleunigt. In solchen Momenten gelingt es "Alien: Romulus", sich von seinen Vorläufern für Augenblicke zu emanzipieren, und den Zuschauern buchstäblich den Raum unter seinen Füßen wegzuziehen.

Androiden und KI als das, was das diffuse Alien-Monster immer schon war

Die Alien-Filme werden oberflächlich oft als ein fragmentiertes Franchise wahrgenommen, in dem jeder Film nur lose mit den anderen zusammenhängt. Sie sind nicht linear aufeinander aufgebaut, sondern eine komplexe Sammlung von Genrefilmen, die von Horror über Krieg bis hin zur Farce reichen. Bei näherer Betrachtung aber gibt es eindeutige Bezüge und "rote Fäden", die diese Filme zusammenhalten.

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Die Alien-Reihe ist eine Variation über die Idee des Bösen, über seine Ursprünge und seine Folgen. Das Böse wird hier verstanden als Ausbeutung, nicht zuletzt körperliche. Jeder Film erweitert diese Idee und schreibt sie zeitgemäß fort.

Das tut auch der neue Film, der die Franchise um zweierlei erweitert: Um ein neues "Final Girl", die Romantikerin Rain, ein jüngeres Alter Ego von Ellen Ripley, die hier fast etwas zu eindeutig in die Fußstapfen der Vorgängerin tritt. Und in der Aufmerksamkeit für androide Roboter und deren künstliche Intelligenz.

Sie kann die Menschen schützen, deren perfekte Kopie sie ist. Aber es bleibt eine immer präsente Ambivalenz: Je besser die Kopie, umso weniger menschlich erscheinen diese Hybrid-Wesen. Die Androiden und die KI sind jetzt das, was das schwarze diffuse Alien-Monster immer schon für uns Menschen war: unsere eigene Frage als Gestalt.