"All die Träume, die wir einst hatten, sind in Rauch aufgegangen!"
Was weiß die CDU über ihre Kanzlerkandidatin, das wir noch nicht wissen?
Den Rolling Stones passt es nicht wirklich, dass Angela Merkels Wahlkampfauftritte von ihrem Hit „Angie“ beendet werden. Sie werden allerdings vorläufig auch nicht dagegen einschreiten. Vermutlich, weil sie sich vor Lachen den Bauch halten…
Angie, Angie, wann werden alle diese Wolken verschwinden?
Angie, Angie, wo werden wir enden?
Ohne Liebe in unseren Seelen und ohne Geld in unseren Taschen
Kannst Du nicht behaupten, dass wir zufriedengestellt sind
Rolling Stones Angie
Es hilft nichts, egal wie rebellisch und verlebt sie durchaus berechtigterweise aussehen, die Rolling Stones sind zu Klassikern geworden – jedenfalls jene Bandmitglieder, die Sex, Drugs & Rock'n Roll lebend überstanden haben – und Mick Jagger wurde am 12. Dezember 2003 von Prince Charles zum Ritter geschlagen und damit Sir Mick Jagger.
Seitdem werden die Songs der Stones gerne für die Zwecke des Establishments verwendet. So wurde die Vorstellung von Windows 95 vor exakt 10 Jahren mit „Start me up“ von den Stones begleitet – möglicherweise als dezenter Hinweis darauf, dass der Bootvorgang von Windows etwa genauso lange wie der Musiktitel benötigt. Bill Gates zahlte dafür auch entsprechend Tantiemen an die Plattenfirma der Rolling Stones.
Die Kanzlerkandidatin Angela Merkel und ihre Partei, die CDU, möchte sich auch gerne mit einem Stones-Song schmücken: Der Welthit „Angie“ von 1973 läuft zum Ende der aktuellen Wahlkampfveranstaltungen, damit ihn die Besucher auf dem Heimweg vor sich hin summen und so am 18. September singend wählen gehen. Die anfallenden GEMA-Gebühren zahlt die Partei, eine GEMA-Sprecherin bestätigte der DPA, die CDU habe mit der Organisation einen Pauschalvertrag für die Nutzung der Musik und deren Abgeltung geschlossen. Dieser schließe auch Musikaufführungen bei Wahlkampfveranstaltungen ein.
Allerdings hat die CDU nicht die Band oder ihre Rechteinhaber um Erlaubnis gefragt, denn hier geht es ja nicht nur um die Erlaubnis zur Aufführung, sondern auch um die Frage, ob die Künstler mit der politischen Botschaft der Angela Merkel einverstanden sind. Andernfalls haben sie durchaus das Recht zum Einspruch. Dies müsse zwischen dem Rechteinhaber – in diesem Falle den Rolling Stones – und dem Veranstalter direkt geklärt werden; die GEMA habe damit nichts zu tun, so die GEMA-Sprecherin.
Wie die DPA weiter meldet, gab es jedoch erst einmal dunkelgrünes, Verzeihung, selbstverständlich tiefschwarzes Licht: Weder die Band noch deren Musikverlag oder Rechtebetreuer wollen zur Zeit rechtliche Schritte gegen den Musikeinsatz unternehmen.
Der Geschäftsführer der TJ Musikservice GmbH, Jens Ehlers, der in Deutschland den Musikvertrieb Essex vertritt, nationaler Vermarkter der Rolling Stones, sagt der Leipziger Volkszeitung in der heute erscheinenden Ausgabe: „Wir halten den Ball flach und bitten die CDU lediglich darum, den Titel nicht zu Wahlkampfzwecken einzusetzen. So lange wir keine rechtlichen Schritte unternehmen, ist es der CDU unbenommen, den Titel einzusetzen, auch wenn wir klar mitgeteilt haben, dass weder die Autoren noch der Originalverlag der Rolling Stones dieses möchten“. In London sagte Stones-Sprecher Bernard Doherty gegenüber der DPA: „Wir sind nicht gefragt worden.“ Zu rechtlichen Schritten äußerte auch er sich nicht.
Dass die Rolling Stones keinen Einspruch erhoben haben, sondern vermutlich vor Lachen auf dem Boden liegen, was für eine komische Partei wohl ausgerechnet dieses Lied im Wahlkampf spielen will, erklärt sich allerdings, wenn man sich den Song einmal genauer anhört. Ähnlich wie Ronald Reagan, der einst Bruce Springsteens bitterböses Vietnam-Veteranenlied „Born in the USA“ nur aufgrund des Titels als vorbildlich-positiv-patriotisch lobte, will die CDU nun Angela Merkel mit einem zugegeben wunderschönen Musikstück assoziieren, das von leeren Taschen, Ziellosigkeit und in (Marihuana-) Rauch aufgegangenen verlorenen Träumen handelt.
Das hätten nicht einmal die Grünen so gut hinbekommen, die dennoch mit einem eigenen Anti-Angie-Rock des 28-jährigen Stuttgarter Musikers Steffen Strom dagegenhalten, der seit gestern im Internet angehört werden kann und auch im Wahlkampf verwendet werden soll. Strom singt darin "Nein, nein, Angie, ich schenk dir diesen Song, meine Stimme kriegst du nicht!". Sein ursprünglicher "Angie"-Song sollte ebensfalls von der CDU für den Wahlkampf vereinnahmt werden; aus Protest hat er den neuen Text geschrieben und diese Fassung den Grünen geschenkt, obwohl er kein Parteimitglied ist.
Angie, Du bist schön, ich hasse die Traurigkeit in Deinen Augen, aber ist es nicht Zeit, dass wir uns verabschieden?
All die Träume, die uns so viel bedeuteten, sind in Rauch aufgegangen
Angie, Angie, sie können jedenfalls nicht behaupten, wir hätten es nicht versucht
Rolling Stones Angie