Alle Zeichen weisen auf eine weltweite Rezession hin

In Deutschland beginnen die Banken, Hilfen in Anspruch zu nehmen, Kapitalbedarf hat offenbar auch die Deutsche Bank

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Die Bank von England (BoE) sieht nun auch die britische Wirtschaft in die erste Rezession seit 16 Jahren rutschen. Die Ansicht wird vom Internationalen Währungsfonds (IWF) betätigt. Der IWF teilte am Dienstag mit, alle großen europäischen Volkswirtschaften steuerten auf eine Rezession zu. Doch schon in der bisherigen Aufschwungphase hat sich die Kluft zwischen Arm und Reich vertieft und über die Rettungspakete, die nun europaweit von Banken in Anspruch genommen wird, wird die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinander gehen.

Die deutlichen Hinweise darauf, dass sich praktisch alle großen Weltwirtschaften in oder vor einer Rezession befinden, hat die Stimmung an den Börsen am Dienstag wieder deutlich eingetrübt. Die Wirkungen der Rettungspakete verpuffen an der Tatsache, dass sich die weltweite Finanzkrise nun zur Weltwirtschaftskrise auswächst.

Die Börsen in Europa drehten schon am Dienstag wieder ins Minus, der Leitindex der Frankfurter Börse Dax schloss mit 4.784 Punkten, einem Minus von 1,1 %. An anderen europäischen Finanzplätzen sah es ähnlich aus. Der Trend verstärkte sich in den USA und nach einer Berg- und Talfahrt schloss der Dow Jones Index nur noch knapp über der 9000-Punkte-Marke, bei einem Minus von 2,5 % gegenüber dem Vortag. Der technologieorientierte Nasdaq verlor sogar 4,1 %. Daraufhin stürzten die Börsen in Asien zum Teil regelrecht ab. In Tokio schloss der Leitindex Nikkei mit einem Minus von knapp 6,5 Prozent und Abstürze werden heute auch an europäischen Börsen erwartet.

Denn während man bei Europäischen Zentralbank (EZB) das Licht am Ende des Tunnels sehen will, warnte der IWF davor, dass alle großen Volkswirtschaften in die Rezession abdriften. Der IWF sieht "a confluence of multiple adverse shocks", welche die ökonomische Aktivität in Europa stark belasten. Eine Verbesserung der Lage sei erst Ende 2009 zu erwarten, heißt es in dem Bericht. Die europäischen Länder sollten nicht zögern, auch fiskalpolitische Maßnahmen zur Stützung des Wachstums zu ergreifen, wirbt der IWF für Konjunkturprogramme. Auch das bisher starke Wachstum in europäischen Schwellenländern werde stark zurückgehen. Einige litten wegen ihrer hohen Staatsverschuldung besonders am schwindenden Vertrauen ausländischer Investoren. Auch hier sollten Notfallpläne eine "harte Landung" dämpfen.

Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank bestätigt die Prognose des IWF. In einem Interview sagte Norbert Walter: "Ich sage ganz klar: Die alte Welt ist in einer Rezession, und 2009 werden wir durchschnittlich ziemlich nah an der Null liegen. Die Risiken lassen allerdings auch eine deutliche Abweichung nach unten zu." Allerdings werde Deutschland nicht so stark leiden. Den Auslöser der Krise macht er in den geplatzten Immobilienblasen aus, weshalb in Ländern, die davon betroffen sind, "die Rezession besonders ausgeprägt ausfallen" werde. Amerikaner, Briten, Iren und Spanier würden "brutal betroffen" sein, erklärte Walter.

Das klingt nicht nach der Entspannung, wie sie erneut in der Europäischen Zentralbank (EZB) ausmacht. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk macht das EZB-Direktionsmitglied Jürgen Stark auf Entspannung. Das schlimmste Teil der Finanzkrise sei überwunden, meinte er: "Vor etwa zehn Tagen haben wir den bisherigen Höhepunkt erlebt." Doch definitiv festlegen will er sich dann doch nicht, weil wir uns weiter "in einem Umfeld extrem hoher Unsicherheit" bewegten, wage er keine exakte Prognose. Dabei stützt sich Stark auf die "Hoffnung", dass die Rettungspakete greifen, um das "Vertrauen unter den Banken zu stärken", so als sei das Vertrauen die Ursache der Krise. Er will auch nicht die Gefahr sehen, dass die zusätzliche Liquidität, die dem Markt zur Verfügung gestellt wird, die Grundlage für eine noch höhere Inflation in der Zukunft legen. "Das ist nicht so."

Und das sieht wiederum die Bank von England (BoE) ganz anders, die sich in den vergangenen Monaten wesentlich deutlicher ihrer Aufgabe gewidmet hat, als Zentralbank für Geldwertstabilität zu sorgen. Die EZB ließ sich dagegen immer deutlicher für politische Ziele einspannen und machte erfolglos Konjunkturpolitik. Die Krise habe die Inflationsgefahr erhöht, sagte Notenbank-Chef Mervyn King. Zudem werde sie sich negativ auf das Verbrauchervertrauen und das Geschäftsklima auswirken. King sieht die Ökonomie Großbritanniens in der ersten Rezession seit 16 Jahren: “We now face a long, slow haul to restore lending to the real economy, and hence growth of our economy, to more normal conditions”. Allerdings hofft er, dass das in der vergangenen Woche rekapitalisierte Bankensystem und ein niedriger Ölpreis dämpfend wirken. Der Weg zurück zur Marktstabilität sei noch weit, ist King überzeugt. Man darf gespannt sein, ob er im November erneut die Leitzinsen senken wird, wozu er sich in einer konzertierten Aktion diverser Zentralbanken hinreißen ließ.

Inzwischen wird auch klar, dass der Finanzbedarf der Banken deutlich höher ausfällt als bisher angenommen wurde. So braucht die Bayerische Landesbank insgesamt Link auf /blogs/8/117731, das ist deutlich mehr, als bisher angenommen wurde. Und Bayerns Finanzminister Erwin Huber (CSU) will weitere Risiken nicht ausschließen. Huber, der auch Chef des Verwaltungsrats der BayernLB ist, sagte der "Passauer Neuen Presse": "Wie es weitergeht, weiß freilich niemand." 5,4 Milliarden erhält die BayernLB aus dem 500 Milliarden Euro schweren staatlichen Rettungsfonds, 700 Millionen wird der Freistaat aus Privatisierungsmitteln bereit stellen und weitere 300 Millionen kommen von den bayerischen Sparkassen. Es ist das erste deutsche Geldinstitut, welches das Rettungspaket in Anspruch nimmt.

Wie beim Debakel um die Hypo Real Estate (HRE) werden die Finanzlöcher immer größer. Der Finanzbedarf der BayernLB belastet nun sogar die Koalitionsverhandlungen der CSU mit der FDP. Die FDP ist verärgert darüber, dass nur scheibchenweise Informationen zum Milliardenloch geliefert würden. Überrascht über deren Geldbedarf zeigte sich nun auch der noch amtierende Ministerpräsident Beckstein, der offensichtlich von Huber nicht ausreichen informiert wurde. Am Wochenende hätten noch völlig andere Zahlen im Raum gestanden, erklärte Beckstein.

Auch Deutsche Bank und Commerzbank in Nöten?

Obwohl sich der Deutsche Bank Chef Josef Ackermann angeblich schämen würde, wenn er Staatsgeld annehmen müsste, gibt es auch bei der Deutschen Bank offenbar Finanzlöcher. Dass steht in einem Bericht der US-Bank Merrill Lynch. Sie ist der Ansicht, dass das Defizit sogar besonders groß ist. Nach einer Analyse des europäischen Bankensektors kam Merrill Lynch zu dem Ergebnis, dass die Deutsche Bank bis zu 8,9 Milliarden Euro brauche. Damit wird auch eine zweite wesentliche Aussage von Ackermann hinterfragt, der behauptet hatte: "Wir sind eine der stärksten und am besten kapitalisierten Banken der Welt." Auch bei JP Morgan geht man davon aus, dass der Verschuldungsgrad der Deutschen Bank besonders hoch ist, der Eigenkapitalanteil betrage sogar nur 1,5 %. Hier spricht man auch Klartext, was die Rettungspläne angeht. "Das Problem der hohen Verschuldung bleibt ungelöst. Auch die Hilfen der Regierung werden nicht ausreichen, um den Abbau der Verbindlichkeiten unnötig werden zu lassen und eine Rezession zu stoppen", sagen die Analysten von JP Morgen.

Merrill Lynch vergleicht die Deutsche Bank zum Beispiel mit der spanischen Großbank BBVA. Deren Eigenkapitalanteil an den Vermögenswerten liege fast vier Mal so hoch und bei 5,47 %. Dabei sieht es auch bei spanischen Banken nach Ansicht von Merril Lynch nicht gut aus, denn auch die BBVA habe einen Kapitalbedarf von 2,4 Milliarden Euro. Direkt hinter der Deutschen Bank lägen beim Kapitalbedarf aber die französischen Banken BNP Paribas. Die BNP benötige 7,3 Milliarden Euro und die Société Générale 6,5 Milliarden. Tatsächlich hat die BNP Paribas schon 2,55 Milliarden und die Société Générale 1,7 Milliarden aus dem französischen Rettungsfonds geschöpft.

Somit dürften sich die Analysten von Merrill wohl auch bei der Deutschen Bank nicht völlig irren. Und auf deren Liste taucht ein weiteres deutsches Institut ganz oben auf. So benötige auch die Commerzbank 6,2 Milliarden Euro. Interessant ist auch, dass direkt hinter der Commerzbank die große spanische Bank Santander steht, die 6 Milliarden benötige. Das steht im krassen Widerspruch zu den Thesen der spanischen Regierung, dass die spanischen Banken sehr gesund seien. Ohnehin glaubt das niemand, nachdem auch Madrid Link auf /blogs/8/117445, das sogar auf bis zu 30 Milliarden Euro an Eigenkapitalhilfen ausgeweitet wurde.

Einige Banken schmieren sogar schon ab. So musste die Santander zur Rettung der "Reichenbank" Banif ansetzen. Die Filiale für Großanleger der Santander hat bei der Lehman-Pleite mindestens 400 Millionen Euro verloren. Unklar ist derzeit, ob Banif liquidiert wird oder weiter bestehen kann. Schwer angeschlagen dürfte auch die Sparkasse Caja Madrid sein. Bei der Sparkasse häufen sich die Kreditausfälle, die offiziell schon mit 3,6 % angegeben werden, weil viele Familien die Immobilienkredite nicht mehr bedienen können. Die Ausfallquote hat sich zwischen September 2007 und September 2008 verfünffacht. Trotz allem behauptet die Bank, dass sie in den ersten drei Quartalen noch einen Gewinn von 1.1 Milliarden Euro erzielt haben soll.

Finanzkrise vertieft die Kluft zwischen Arm und Reich weiter

Allgemein darf nun davon ausgegangen werden, dass die Finanzkrise und die Rezession die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter öffnen wird. In Deutschland haben sich die Einkommensunterschiede und der Anteil der Armen sogar im vergangenen Aufschwung deutlich verstärkt.

Wie in keinem anderen Land der 29 OECD-Mitgliedsstaaten ging die Schere auseinander. 2005 lebten 11 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, fünf Jahre zuvor waren es noch 9,2 Prozent, geht aus einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor. Besonders betroffen von Armut sind Kinder. Die Quote stieg hier seit 1985 von 11 auf 16 %. Mitverantwortlich für das Auseinanderklaffen der Einkommen ist nach Einschätzung der OECD auch der wachsende Niedriglohnsektor.