"Alles Gen-Milch, ... oder was?"

Müllermilch zieht gegen Greenpeace vor Gericht

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Nachdem sich die Theo Müller GmbH & CO im Gegensatz zu vielen anderen Lebensmittelherstellern nicht auf einen Verzicht bei Gen-Fütterung festlegen will, startete Greenpeace kürzlich eine interaktive Satire-Kampagne (www.muell-milch.de). Diese soll nun gerichtlich gestoppt werden.

Screenshot der E-Card von Greenpeace

Umweltaktivisten sind bei Konzernen nicht unbedingt beliebt. Die Reaktionen auf öffentlichkeitswirksame Kampagnen sind von Unternehmen zu Unternehmen oder auch von Fall zu Fall unterschiedlich. Manchmal setzen sich Unternehmer mit Kritikern an einen Tisch, um Lösungen zu finden. Manchmal geht eine Sache aber gleich vor Gericht, wie jetzt im Fall Müllermilch gegen Greenpeace.

Der Hintergrund: Nachdem die neue Richtlinie zur Gentech-Kennzeichnung bei Lebensmitteln die Verfütterung von GVOs (gentechnisch veränderte Organismen) außen vor lässt und bei tierischen Produkten (außer bei Bio-Produkten) weiterhin nicht erkennbar sein wird, ob gentechnikfreies Futter verwendet wurde oder nicht, erhöhen Gentech-Gegner den Druck auf die Lebensmittelproduzenten und setzen auf die Macht der Konsumenten (Gentech-Kennzeichnung: Lob, Tadel und Gen-Detektive). Unternehmen wie Du Darfst/Unilever, Wiesenhof und Ritter Sport achten inzwischen darauf, dass ihre Zulieferer auf Gen-Futter verzichteten.

Nicht so Müllermilch, was Greenpeace wiederum veranlasste, eine Kampagne zu starten. Eine satirische E-Card, welche die Müller-Werbung mit Dieter Bohlen, den Becher-Girls und dem Kleinen Hunger persifliert, findet das Milch-Unternehmen aber offensichtlich gar nicht lustig. Ebenso wenig kann man sich mit dem von Greenpeace verwendeten Begriff "Gen-Milch" anfreunden. Das Unternehmen weist in einer Presseaussendung darauf hin, "dass Begriffe wie 'Gen-Milch' im Zusammenhang mit gentechnisch veränderten Komponenten in der Tierfütterung und Milch bzw. Milchprodukten nicht nur unberechtigt, sondern sogar irreführen und damit mehr als unseriös sind". Müllermilch klagt nun auf Unterlassung. Am 9. Juni findet am Landgericht Köln die mündliche Verhandlung statt.

"Müllermilch will Greenpeace den Mund verbieten und Verbraucheraufklärung zensieren", kommentiert Ulrike Brendel von Greenpeace das Vorgehen. In dem gerichtlichen Antrag würde außerdem behauptet, dass eine gentechnikfreie Fütterung von Milchkühen nicht möglich sei, was falsch wäre.

Tatsächlich stellt Müllermilch die Möglichkeit der gentechnikfreien Fütterung in einer Presseaussendung in Frage und beruft sich auf ein Positionspapier des Milchindustrieverbandes vom 2. April:

Der Einsatz von gentechnisch veränderten Komponenten in der Tierfütterung kann aufgrund der derzeitigen Marklage/Verfügbarkeit bei den weltweit gehandelten proteinreichen Futtermitteln grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden. Eine 'gentechnikfreie Fütterung' ist, falls überhaupt möglich auf Nischen beschränkt.

"Stimmt nicht", kontert Greenpeace, die auch eine eigene Info-Seite für Landwirte anbietet, die Bezugsadressen von gentechnikfreien Futtermitteln auflistet: "Die hier von Müllermilch zitierte Passage bezieht sich auf proteinreiche Futtermittel, wobei wohl Soja gemeint sein dürfte. Gentechnikfreies Soja ist aber heute noch ausreichend auf Markt vorhanden. Soja aus Brasilien ist noch zu 80 bis 90 Prozent gentechnikfrei", erklärt Christoph Then, Gentechnik-Experte von Greenpeace, im Telepolis-Gespräch. "Für manche gentechnikfreie Soja-Futtermittel werden geringe Aufschläge verrechnet. Man kann aber bei der Fütterung von Milchkühen auch auf Raps etc. ausweichen."

Bei Müllermilch würde man sich einfach zu wenig um die Sache kümmern, kritisiert Greenpeace:

Die Unternehmensgruppe Theo Müller behauptet alles getan zu haben, um Gen-Pflanzen im Tierfutter der Milchkühe auszuschließen, doch Greenpeace-Recherchen ergeben ein anderes Bild. Danach gibt es zurzeit keine Kontrollen der eingesetzten Futtermittel durch Müller und keine entsprechenden Verträge zur gentechnikfreien Fütterung. Zudem fand Greenpeace auf vier Müllermilch-Höfen in Futtermittel-Stichproben einen erheblichen Anteil genmanipulierter Soja.

Müller selbst hält laut einer Presseaussendung an der Strategie der "Vermeidung von gentechnisch veränderten Zutaten" in seinen Produkten fest.

So finden Sie von unseren Unternehmen der Müller-Gruppe keine Produkte, die hinsichtlich Gentechnik gekennzeichnet wären, da entsprechende Zutaten oder Verfahren für unsere Produkte nicht zum Einsatz kommen.

Generelle Ablehnung von "Gen-Food" scheint es im Hause Müller allerdings nicht zu geben. So heißt es in der oben zitierten Pressemitteilung einige Absätze weiter:

Unabhängig davon ist festzustellen, dass gekennzeichnete Erzeugnisse ebenso sicher und hochwertig sind wie Erzeugnisse, die nicht der Kennzeichnung unterliegen. Für die Sicherheitsbewertung von Lebens- und Futtermitteln ist bei uns das BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) zuständig. So wird eine Zulassung für gentechnisch veränderte Produkte nur dann erteilt, wenn sie keine nachteilige Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt haben und den Verbraucher oder Anwender nicht irreführen.

Gentechnikgegner verweisen aber darauf, dass man über gesundheitliche Auswirkungen derzeit einfach noch zu wenig weiß, zumal es keine Langzeitstudien gibt. Bei möglichen Umweltschäden hingegen gibt es aber inzwischen etliche Studien, die Böses ahnen lassen. So wurde der frühere britische Umweltminister Michael Meacher , der einst die ersten Großflächenversuche in Großbritannien angeordnet hatte, zu einem der vehementesten Gegner von Gentechnologie in der Landwirtschaft.