Alles für den Schutz der Freiheit

Mit immer unglaubwürdigeren Beschwörungen des 11.9. versucht die unter Druck geratene US-Regierung, die Einschränkung der Bürgerrechte zu rechtfertigen und weitere Verschärfungen der Gesetzgebung durchzusetzen

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Auch weiterhin will die Bush-Regierung die Anschläge vom 11.9. benutzen, um der Strafverfolgung größere Kompetenzen zu gewährleisten, die zugleich die Bürgerrechte einschränken. Das zweite Patriot-Gesetz liegt unter dem Titel Domestic Security Enhancement Act of 2003 bereits in der Schublade. Justizminister Ashcroft preist die nach dem 11.9. verabschiedeten Gesetze und Präsident Bush forderte neue Kompetenzen. In den USA - wie auch anderswo - dient der Kampf gegen den Terrorismus - wie von Kritikern vorausgesehen - zunehmend dazu, die Macht des Staates auszudehnen.

Den Menschen in den USA wird eingeredet, dass neue Gesetze, die die Macht der Geheimdienste und Strafverfolgungsbehörden erweitern, nur dem Kampf gegen Terroristen dienen. Wer mit dem Terrorismus nichts zu tun habe, brauche auch nichts zu befürchten. Die große Bedrohung durch den neuen Feind mache es notwendig, nicht nur präventive Kriege zu führen, sondern den Feind auch im Inland frühzeitig zu erkennen und auf den Feind vorbereitet zu sein, "der uns wegen dem hasst, was wir lieben - die Freiheit" (George Bush am 10.9. 2003 bei der Forderung nach einem Ausbau der Patriot-Gesetzgebung). An allen Fronten werde derselbe Krieg gegen dieselbe Feinde geführt. Um ihre Freiheit zu bewahren, sollen die Bürger, ganz in der oft gebrauchten Rhetorik der wehrhaften Demokratie, Freiheit aufgeben.

Beseitigung "unvernünftiger Hindernisse"

Man benötigt jedes zur Verfügung stehende Mittel, um seinen Job im Dienst des amerikanischen Volks ausführen zu können. Das Repräsentantenhaus und der Senat haben die Verpflichtung, so schnell als möglich in diesen Angelegenheiten zu handeln. Befreien Sie die Hände unserer Strafverfolgungsbeamten von ihren Fesseln, so dass sie kämpfen und den Krieg gegen den Terror gewinnen können..:US-Präsident Bush in seiner Rede am 10.9.2003 an der FBI-Academy

Bush forderte den Kongress auf, "unvernünftige Hindernisse" zu beseitigen. So müsse seiner Ansicht nach die Todesstrafe auf Taten im Rahmen des Terrorismus erweitert werden. Des Terrorismus Beschuldigte sollen zudem nicht mehr auf Kaution frei kommen und Strafverfolgungsbehörden sollen auch ohne Gerichtsbeschluss Informationen verlangen oder Verdächtige vernehmen dürfen. Das wäre eine weitere Einschränkung der Befugnisse der unabhängigen Richter (Gegen milde Richter und Pornographie).

Wie der Bericht über Datenschutz und Menschenrechte, der eben von den Bürgerrechtsorganisationen EPIC und Privacy International herausgegeben wurde und die Lage in 55 Staaten dokumentiert, festhält, wurden weltweit Bürgerrechte nach dem 11.9.2001 eingeschränkt und in vielen Ländern neue Gesetze verabschiedet, die dazu neigen, "die Überwachung der Kommunikation und die Durchsuchungs- und Beschlagnahmungsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden zu stärken, die Datenschutzmaßnahmen zu schwächen, den Datenaustausch zu intensivieren und Profilierungs- und Identifizierungsverfahren auszubauen".

Der Bericht hebt hervor, dass diese Trends keineswegs neu sein, die Terroranschläge hätten aber für die Legitimation gesorgt, dass sie in ungeahnter Geschwindigkeit umgesetzt werden konnten. Zudem hätten manche Gesetze realisiert werden können, die schon länger in der Schublade lagen und zuvor keine Chance hatten. Zweckdienlich sei es auch gewesen, den Begriff des Terrorismus oder der Terroristen zu erweitern. Damit wurden die Gesetze, die nur der Terroristenbekämpfung dienen sollten, auch für andere Zwecke einsetzbar, "beispielsweise der Unterdrückung von Dissidenten und der allgemeinen Überwachung und Profilierung der Aktivitäten der Menschen".

Terroristengesetzgebung auf normale Kriminalität ausgeweitet

Das werfen amerikanische Bürgerrechtsorganisationen nun auch dem US-Justizministerium vor, das nicht nur bei der Anwendung des eilig nach dem 11.9. durchgesetzten Patriot-Gesetzes mit dem Rechtssystem fast nach Gutdünken verfuhr, beispielsweise im Umgang mit Verdächtigen und besonders mit den sogenannten "ungesetzlichen Kämpfern". Die Bush-Regierung steht, vornehmlich durch Überwachungsprojekte des Verteidigungsministeriums wie TIA oder durch das Bekanntwerden von Patriot II, bereits auch aus republikanischen Kreisen unter Druck (In den USA wächst die Kritik am "Krieg gegen den Terror" und an der Art, wie er geführt wird). Justizminister Ashcroft ist daher im August zu einer Werbetour durch die USA gestartet, um den Erfolg der Gesetzgebung zu demonstrieren und Bedenken von Kritikern zu zerstreuen (Nach dem Patriotismus kommt der Sieg). Zu diesem Zweck wurde auch eine Website eingerichtet: Preserving Life and Liberty.

Wir haben die schmerzvollen Lektionen des 11. Septembers gelernt. Einst hatten wir eine Kultur der Behinderung der Strafverfolgung, die Kommunikation und Koordination unterbunden hat, jetzt haben wir einen neuen Geist der Justiz geschaffen. Wir haben Amerikas Verteidigung geschaffen - die Verteidigung des Lebens und der Freiheit - auf der Grundlage der Prävention, gestützt durch Kooperation, gebaut auf Koordination und verwurzelt in den Verfassungsfreiheiten. Der 11. September hat uns gelehrt, dass die Terroristen die Strafverfolgung im Hinblick auf Technologie, Kommunikation und Information überholt hatten. Daher haben wir für die Mittel gekämpft, die notwendig sind, um das Leben und die Freiheit der amerikanischen Bürger zu schützen.

US-Justizminister Ashcroft

Nach Ashcroft hat der Patriot Act die USA vor einem weiteren Anschlag geschützt. Ohne näher darauf einzugehen, seien dank im zahlreiche Erfolge im Krieg gegen den Terrorismus erzielt worden. Beispielsweise seien über 500 Ausländer, die in Verbindung mit der Untersuchung der Anschläge vom 11.9. standen, ausgewiesen worden. Bekanntlich hatte das Justizministerium willkürlich nach dem 11.9. Hunderte von muslimischen Ausländern verhaftet und monatelang eingesperrt. Eine Verbindung zu den Attentätern konnte ihnen nicht nachgewiesen werden, sie hatten sich vornehmlich Verletzungen der Aufenthaltsgenehmigungen schuldig gemacht. Dann habe man noch vier mutmaßliche Terroristenzellen ausheben und 255 Menschen anklagen und 132 verurteilen können. Zudem wurden nicht nur über 1.000 neue Jobs beim FBI geschaffen, sondern habe man die Terrornachforschungen verdoppelt und mehr als 18.000 Durchsuchungsbefehle und Vernehmungen ausgeführt.

Rohrbombe als Massenvernichtungswaffe

Die Gelegenheit wurde aber auch genutzt, die neuen Befugnisse allgemeiner anzuwenden, beispielsweise gegen Geldschmuggler und zur Beschlagnahmung von Geldern, die Buchmacher, Betrüger oder Drogenhändler im Ausland versteckt haben. Dabei haben Strafverfolger recht eigenwillig den Terrorismusbegriff interpretiert, beispielsweise für eine Anklage im Juni wegen "Terrorismus mit Verwendung einer Massenvernichtungswaffe", was eine Rohrbombe betraf, die den Beschuldigten selbst verletzt hatte. Der Vorwurf, chemische Waffen herzustellen, wurde gegen einen Mann vorgebracht, der illegal Amphetamine in seinem Laboratorium produzierte. Nach Staatsanwalt Jerry Wilson sei das kein Missbrauch des Gesetzes, schließlich seien chemische Massenvernichtungswaffen so definiert, dass damit jede Substanz gemeint ist, "die so hergestellt wird oder die Kapazität besitzt, dass sie Tod oder schwere Verletzung verursacht".

Dan Dodson, Sprecher der National Association of Criminal Defense Attorneys, sagt, dass das Verteidigungsministerium ein halbes Jahr nach der Verabschiedung des Patriot-Gesetzes Seminare durchgeführt habe, um die neuen Abhörbefugnisse auch auf Fälle anzuwenden, die nichts mit Terrorismus zu tun haben. Stefan Cassella, zuständig für Rechtsfragen der Abteilung für Fälschung und Geldwäsche im Justizministerium, sagt denn auch, die Abgeordneten hätten gewusst, dass das Gesetz sich war primär gegen den Terrorismus richte, aber auch Befugnisse enthalte, die lange auf der Wunschliste der Strafverfolger gestanden hatten und auf eine Vielzahl von Fällen angewendet werden können.

Wer im Dienst der Vorhersehung handelt, kann große Freiheiten beanspruchen

Die Bürgerrechtsorganisation ACLU weist darauf hin, dass die Kritik an der die Bürgerrechte einschränkenden Gesetzgebung in den USA zunehme. Bereits 160 Gemeinden, Städte und Staaten haben ihren Protest gegen das Patriot-Gesetz kund getan und sich zur " Civil Liberties Safe Zone" erklärt.

Ashcroft jedenfalls suchte den skeptischer und vergesslicher werdenden Amerikanern den 11.9. mit Durchhalteparolen einzuhämmern und ohne wirkliche Belege zu versichern, dass die USA ohne das Patriot-Gesetz schutzlos dastehen würden und Leben sowie Freiheit gefährdet seien.

America MUST remember. It is my commitment to you that we WILL remember. In the war against terror, we will not falter and we will not fail.

Der US-Verteidigungsminister macht in seinem religiösen Hang vielleicht am deutlichsten, dass der 11.9. für die US-Regierung zu einem unverzichtbaren, geradezu heiligen Ursprung geworden ist, der nicht dem Vergessen anheimfallen darf und aus dem die Regierung ihre Legitimation bezieht. Ashcroft vergleicht den Krieg gegen den Terrorismus mit dem Amerikanischen Bürgerkrieg. Auch damals hätten die Toten auf dem Schlachtfeld ihr Leben für die Freiheit geopfert. Das sei auch heute wieder das Vermächtnis der Toten vom 11.9., an die man sich erinnern müsse, da "die Geschichte" die Sache der Freiheit "uns heute wieder aufgegeben hat". Und so kommt alles zusammen, um die Einschränkung der Bürgerechte und weitere strengere Gesetze zu überhöhen:

Die Vorsehung, die Amerika die Verantwortung auferlegt hat, die Welt in Freiheit zu führen, hat Amerika auch ein großes Vermächtnis übergeben: die Sicherheit zu gewährleisten, die Freiheit schützt. Wir akzeptieren dieses Vermächtnis nicht mit Ärger oder Arroganz, sondern mit Glauben. Mit dem Glauben, dass Freiheit das größte Geschenk unseres Schöpfers ist. Mit dem Glauben, dass die Freiheit verteidigt und geschützt werden muss. Und mit dem Glauben, dass die Freiheit solange nicht von der Erde verschwinden darf und wird, solange es ein Amerika gibt.