Alles im Fluss

Seite 2: Beim Baden mit Elsa Martinelli

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Hollywood setzt auf den Wiedererkennungswert von Handlungselementen und von Stars, die nicht mit jedem neuen Film bei Null anfangen, sondern die Rollen mitbringen, die sie vorher gespielt haben. Im Kopf des Zuschauers entsteht so eine Fortsetzungsgeschichte, der Film um Film neue Kapitel hinzugefügt werden. Kirk Douglas, der in The Big Sky untröstlich darüber ist, dass sich Teale Eye für Boone und nicht für ihn entscheidet, durfte das am Missouri Versäumte mehr als nachholen, als er in The Indian Fighter (1955) als Scout Johnny Hawks (!) aus dem Bürgerkrieg zurückkehrte, um Frieden zwischen den Sioux und den weißen Siedlern zu stiften. (Hank Worden, Poordevil in The Big Sky, ist wieder als indianischer Whiskeyliebhaber mit dabei.)

The Indian Fighter

An dem Film fällt auf, mit welcher Geschwindigkeit André de Toth, einer der unbesungenen Regiehelden Hollywoods, die Actionszenen inszeniert (sogar der Siedlertreck ist im Laufschritt unterwegs), damit er mehr Zeit hat, sich den im Einklang mit der Natur lebenden Indianern und ganz besonders der schönen Onathi (Elsa Martinelli) zu widmen. Im Indianergebiet erklingt eine bukolische Flötenmusik, als würde gleich ein Faun oder eine Nymphe aus der grünen Landschaft auftauchen, und Onathi begegnen wir erstmals, als sie ihre Kleider ablegt, um im Fluss ein Bad zu nehmen. Zufällig kommt gerade Johnny Hawks durch den Wald geritten, der Onathi beim Baden zusieht, während er seinerseits von Grey Wolf beobachtet wird, dem grimmigen Onkel der Indianerin. Schon ist der erste Konflikt etabliert.

The Indian Fighter

Es gehört zu den Klischees des Indianerfilms, dass man der Heldin am Fluss begegnen kann. Aber mit Elsa Martinelli hielt die Nacktheit im bislang eher prüden Western Einzug. Was heute sehr dezent wirkt, war damals sensationell. Der stramme Kirk, der auch produzierte und immer so wirkt, als würde gleich sein Hemd aufplatzen (mindestens das Hemd), wenn er Onathi sieht, musste sich bestimmt voll ins Zeug legen, um Elsas nackten, durch Gebüsch und Wasser nur teilweise verdeckten Körper durch die Zensur zu bringen.

Man merkt dem Film die Freude an, mit der Douglas, de Toth und der Drehbuchautor Ben Hecht mit der Publikumserwartung spielen. Manche Dialoge könnte auch Humphrey Bogart in einem Film noir sprechen. Einige der Nebendarsteller treten im Wald als Indianer und im Fort als Kavalleristen vor die Kamera, was nicht etwa der Sparsamkeit des Produzenten geschuldet, sondern als ironischer Kommentar zur Besetzungspraxis Hollywoods zu verstehen ist. Johnny trägt mit Grey Wolf ein Duell zu Pferde aus, mit Lanzen und mit Tomahawks, das jedem Ritterturnier Ehre machen würde. Und einen Scout, der mit dem von ihm geführten Siedlertreck einen Umweg über die Berge macht, weil er sich davon ein Schäferstündchen mit der schönen Indianerin verspricht, hatte man so auch noch nicht gesehen.

The Indian Fighter

Am Ende muss sich Johnny Hawks zwischen dem Leben der Indianer und dem der Siedler entscheiden, zwischen der schwarzhaarigen Onathi und der properen Pioniersfrau Susan - eine Entscheidung mit autobiographischer Komponente, weil Susan von Diana Douglas gespielt wird, Kirks Ex-Frau (und Michaels Mutter). Bis zum Schluss muss man befürchten - bzw., je nach Standpunkt: darf man hoffen -, dass er die Brünette nehmen wird, wie es sich gehört. Aber dann fragt er Häuptling Red Cloud, seinen künftigen Schwiegervater, auf wessen Seite einmal sein Enkel kämpfen soll, den er und Onathi ihm bald schenken werden. Dem kann sich auch der Häuptling nicht verschließen. Das letzte Gefecht zwischen Weißen und Indianern fällt danach aus.

The Indian Fighter

Der böse Weiße (Walter Matthau in einer seiner frühen Schurkenrollen) und der böse Indianer sind unschädlich gemacht, weshalb nun keiner mehr da ist, der Onathi am Fluss töten könnte, wie das Debra Paget in Broken Arrow widerfährt. Susan und die Pioniere ziehen weiter, um in Oregon ein Haus zu bauen und Apfelbäume zu pflanzen. Johnny und Onathi bleiben lieber im naturbelassenen Paradies, baden jetzt gemeinsam und sehen den Siedlern mit strahlendem Lächeln hinterher. Dann lassen sie sich aus dem Bild treiben, um das Red Cloud gegebene Versprechen einzulösen. "Den meisten Eindruck an diesem gelungenen Werk, für das Kirk Douglas auch als Produzent zeichnet", schreibt Joe Hembus im Western-Lexikon, "hat immer der Spaß gemacht, mit dem er und die Martinelli ihre Rassenmischung betreiben." Man kann es auch so formulieren wie der französische Kritiker Patrick Bureau, der in The Indian Fighter "eines der schönsten pantheistischen Poeme" sieht, "die der Western uns geschenkt hat." Recht hat er.

The Indian Fighter

Auch Debra Paget darf mal heiraten

Mitte der 1950er, als das Hollywood-Studiosystem tief in der Krise steckte und wagemutige, (halb) unabhängige Produzenten wie Kirk Douglas die Bühne betraten, öffnete sich kurz ein Zeitfenster, in dem solche Filme wie The Indian Fighter möglich waren und sogar ein Publikum finden konnten, ohne zuvor von Studiobossen verstümmelt zu werden. Davon profitierte auch Debra Paget, die in White Feather (1955) dieselbe Rolle spielt wie in Broken Arrow, diesmal aber nicht dafür umgebracht wird, dass sie den weißen Helden liebt.

Nach einem Drehbuch, an dem auch Delmer Daves mitschrieb, hätte ein sehr guter Film entstehen können. Leider beweist Robert Webb, was für ein grottenschlechter Regisseur er war. Weil Webb viele grüne Wiesen und noch mehr Statisten zur Verfügung hatte, und weil das CinemaScope-Format gefüllt werden musste, stehen beim Palaver gelangweilte Kleinstdarsteller im Hintergrund herum, oder wir sehen den Indianern (und manchmal auch der Kavallerie) dabei zu, wie sie von hier nach dort reiten. Das wirkt schon bald ermüdend, weil "Dramaturgie" für diesen Regisseur ein Fremdwort war. So ist ein (von Lucien Ballard eindrucksvoll photographierter) Film dabei herausgekommen, der wenigstens irgendwie gut gemeint ist.

White Feather

Der Landvermesser Josh Tanner (Robert Wagner) reist 1877 im Auftrag einer Immobilienfirma nach Fort Laramie in Wyoming. Unterwegs trifft er den Häuptlingssohn Little Dog (Jeffrey Hunter) und American Horse (Hugh O'Brian), zwei halbstarke Cheyenne-Indianer, die ihn erst beschnuppern und sich dann mit ihm anfreunden. Little Dog hat eine schöne Schwester, Appearing Day (Paget), in die sich Josh verliebt. Während sich die jungen Leute näher kommen, muss sich Häuptling Broken Hand entscheiden, ob er Krieg gegen die Weißen führen oder mit seinen Cheyenne in ein ihnen zugewiesenes Gebiet abziehen soll. Broken Hand unterschreibt den Friedensvertrag. Little Dog und American Horse wollen lieber sterben, als in einer Reservation zu leben. Dabei wird ihnen von der Kavallerie geholfen. Appearing Day bleibt bei Josh Tanner.

White Feather

Wie es dann weiterging, erzählt John Ford in Cheyenne Autumn: mit einem Völkermord in mehreren Etappen. So ist das Ende voll bitterer Ironie, die wohl nicht beabsichtigt war. Während Debra Paget als Gattin von Robert Wagner weiterleben darf, ziehen ihre unter sich bleibenden Stammesgenossen in den Tod (so sagt das der Film natürlich nicht). Die interessanteste Figur ist Ann Magruder (Virginia Leith), die Tochter des rassistischen Ladenbesitzers. Webb, der Meister der Subtilität, zeigt sie erstmals neben einem Bett. Mit der sanften, gutaussehenden Ann reitet Josh aus, sie könnte er einmal heiraten. Dann klärt ihn ihr Vater darüber auf, dass sie für die Ehe nicht mehr zu gebrauchen sei. Als 13-Jährige wurde sie von einem Mann missbraucht. Gleich nach dieser Enthüllung kommt Little Dog mit seiner schönen Schwester zum Fort und bringt ein Geschenk. Ann wird an den Rand gedrängt.

White Feather

Man konnte nicht immer wieder dieselbe Geschichte von der Indianerin erzählen, die sich in den weißen Mann verliebt und am Schluss getötet wird. Also mussten Mittel und Wege gefunden werden, die im Grunde verpönte rot-weiße Paarbeziehung akzeptabler zu machen. White Feather führt - auf eher plumpe Weise - vor, wie das funktionieren könnte: man bietet eine Alternative an, die noch "schlimmer" ist. In diesem Fall wäre das eine Ehe Josh Tanners mit Ann Magruder, die keine Jungfrau mehr und außerdem "beschmutzt" ist, weil sie vergewaltigt wurde. Mag sein, dass dieser Film die Indianer mag. Die Frauen mag er nicht.

Mit insgesamt vier Filmen zum Thema, an denen er in den 1950ern beteiligt war, gilt Delmer Daves als Hollywoods Experte in Indianerfragen. Am besten ist The Last Wagon (1956, wieder Regie). Richard Widmark spielt Comanche Todd, der in einer Identitätskrise steckt, weil er als Weißer bei Indianern aufgewachsen ist. Am Anfang rächt er sich an den Weißen, die seine Frau und seine beiden Kinder ermordet haben. Dann rettet er die Überlebenden eines von den Apachen massakrierten Siedlertrecks. In die junge Jenny verliebt er sich. Am Ende sind sogar einige - nun geläuterte - Rassisten seine Freunde. Der Film ist ungewöhnlich, weil er es so hinbiegt, dass Comanche Todd trotz der von ihm geübten Selbstjustiz nicht sterben muss (das Gesetz der Indianer steht über den Regeln des Hollywood Production Code).

The Last Wagon

Statt als Siedler ein neues Leben anzufangen, wie es zu erwarten wäre, reitet Todd am Schluss mit neuer Sofort-Familie (Jenny und ihr kleiner Bruder) zurück zu den Comanchen. Das ist Daves' Spezialität: Subversives mit gebremstem Schaum. Durch die Liebe zu Jenny wird die Gefahr gebannt, dass Witwer Todd ein zweites Mal eine Indianerin heiraten und mit ihr wieder Kinder haben könnte. Die Botschaft lautet: Leben bei den Indianern - gern; mit ihnen Rassenmischung betreiben - bitte nicht. Sonst kommt doch noch einer und bringt alle um, die nicht ins Schema passen. (The Last Wagon ist aber trotzdem sehr sehenswert.)

Wozu es führt, wenn sich der weiße Held für die Indianerin entscheidet, muss auch Kirk Douglas erfahren. Ihm sind wir zuletzt mit Elsa Martinelli beim fröhlichen Paar-Baden begegnet. In The Last Train from Gun Hill (1959) von John Sturges (ein inoffizielles Remake von Delmer Daves' 3:10 to Yuma) hat er es zum Marshall gebracht. Am Anfang ist er glücklich mit einer Indianerin verheiratet. Prompt kommen zwei Cowboys, um sie zu vergewaltigen und umzubringen. Einer der beiden Mörder ist der Sohn von Craig Belden. Craig ist der beste Freund des Marshalls und Herrscher von Gun Hill, was es doppelt schwer macht, den Täter festzunehmen.

The Last Train from Gun Hill

Craig Belden wird überraschenderweise von Anthony Quinn verkörpert, Hollywoods Ethno-Schauspieler für alle Lebenslagen. Quinn war immer zur Stelle, wenn ein Mexikaner, Spanier, Grieche, Franzose, Zigeuner, Italiener, Hunne oder Eskimo gebraucht wurde. Aber als Großgrundbesitzer Belden würde man ihn nicht erwarten. Das wirkt wie eine Überreaktion. Weil Kirk Douglas eine Indianerin geheiratet und mit ihr sogar ein Kind gezeugt hat, müssen alle anderen Charaktere im Film weiße Angloamerikaner sein - auch Anthony Quinn, der sich nie ganz von den Anfangsjahren seiner Hollywood-Karriere befreien konnte, in denen er regelmäßig aufgeboten wurde, wenn der weiße Held einen ethnisch Andersartigen verprügeln sollte.

Seminole

Natürlich hatte man Anthony Quinn auch schon als Indianer erlebt, zum Beispiel als Yellow Hand in Buffalo Bill (1944). In Seminole (1953), einem studiodiktierten Frühwerk von Budd Boetticher, tritt er als Osceola auf, der Häuptling der Seminolen. Als solcher will er nicht nur Frieden, sondern auch die Ehe mit Revere Muldoon (Barbara Hale), seiner weißen Jugendfreundin, die außerdem noch von Rock Hudson begehrt wird (nur im Film). Man ahnt, was kommt: Weil bei solchen Beziehungen lieber die roten als die weißen Partner umgebracht werden, muss diesmal der Häuptling daran glauben. Schuld ist nicht das Drehbuch, sondern Kajeck, der kriegslüsterne Seminole (Hugh O'Brian übt hier schon für seine Rolle als halbstarker Cheyenne in White Feather). So muss es sein, damit die Welt schön übersichtlich bleibt.

Das große Schlachten

Ein untypischer Indianerfilm ist Richard Brooks' The Last Hunt (1955), der erste der großen Psychopathen-Western. Hintergrund ist die Ausrottung der Büffel. Das war mutig in einem Land, in dem ein Mann wie William F. Cody, besser bekannt als "Buffalo Bill", zum Helden der Populärkultur aufgestiegen war. Codys Ruhm gründete sich unter anderem auf einen Wettbewerb um die Weltmeisterschaft im Büffelschießen, bei dem er innerhalb von acht Stunden 69 Tiere tötete (sein Gegner brachte es nur auf 46). Anschließend durfte er sich "Champion Buffalo Hunter of the Plains" nennen. Das sinnlose Abschießen der Büffel, deren Fleisch von den Weißen nicht gebraucht wurde und verrottete, steht in enger Verbindung zum Genozid an den Indianern, deren Lebensgrundlage damit zerstört wurde. Deutlich wird der Zusammenhang in einer der verstörendsten Szenen von John Fords The Searchers. Ethan Edwards (John Wayne) steigert sich da in einen Blutrausch, als er Bisons tötet, weil dann die Comanchen verhungern müssen. Der Ethan Edwards des Films zieht Indianern genauso die Kopfhaut ab wie Buffalo Bill im echten Leben. Nach Custers Tod am Little Big Horn schloss sich Cody einer Strafexpedition an, in deren Verlauf er Yellow Hand (alias Anthony Quinn, siehe oben) tötete und skalpierte.

The Searchers

Mit dem Bau des Northern Pacific Railway durch Staaten wie Oregon, North Dakota und Montana trat das Abschlachten der Büffel in seine Endphase, weil die Eisenbahn die Jäger in das Herzland der großen Herden brachte und den Abtransport der Beute erleichterte. Norman B. Wiltsey macht in The Great Buffalo Slaughter folgende Angaben: 1881 transportierte die Eisenbahn 50 000 Büffelhäute, 1882 waren es schon 200 000, 1883 ging die Zahl auf 40 000 zurück, und 1884 waren die Tiere so stark dezimiert, dass nur noch 300 Häute verfrachtet wurden. Für ein Bisonfell wurden 2 Dollar gezahlt, dann 5, bald 30, und 1885 waren die Felle so selten geworden, dass ein Jäger 75 Dollar pro Stück erhielt.

Von dieser Endphase des großen Abschlachtens erzählt The Last Hunt. Robert Taylor spielt den Rassisten Charley Gibson, der im Bürgerkrieg die Lust am Töten gelernt hat. Gibson wird Büffeljäger, weil sich so der Spaß mit dem Geschäft (und der Ausrottung der Indianer) verbinden lässt. Der Film nimmt kein Blatt vor den Mund und sagt im Dialog ganz explizit, dass Charley beim Töten in sexuelle Ekstase gerät, also einen Orgasmus hat. Vom Abschlachten längst genug hat dagegen sein Partner Sandy McKenzie (Stewart Granger), der früher die Armee mit Büffelfleisch belieferte und nur mitmacht, weil er Geld braucht, nachdem seine Rinder von einer Büffelherde totgetrampelt wurden. Als Abhäuter sind der sarkastische, für das unverblümte Aussprechen unangenehmer Wahrheiten zuständige "Woodfoot" (Lloyd Nolan) und Jimmy (Russ Tamblyn), Sohn einer indianischen Mutter und eines irischen Vaters, mit dabei.

The Last Hunt

Die Außenaufnahmen entstanden in Naturschutzgebieten in South Dakota, wo Brooks und sein Team auch das jährliche Ausdünnen der größten Büffelherde Nordamerikas filmen durften. Die lange Sequenz, in der Charley und Sandy beim geschäftsmäßigen Massakrieren der letzten großen Herde gezeigt werden, wird dadurch noch frostiger, dass man das echte, in der Realität ökologisch begründete Abschießen von Büffeln sieht (in vielen Ländern wurden diese Einstellungen wegzensiert; ein paar davon tauchen in Winnetou wieder auf, wenn Santer auf die Jagd geht - er schießt sogar denselben weißen Büffel wie Charley Gibson). Das finanzielle Desaster war damit vorprogrammiert. The Last Hunt wurde auch dadurch nicht populärer, dass der Film mit der Idee abrechnet, das Abschießen von Tieren (mit dem Gewehr als Penisersatz) habe etwas mit Virilität zu tun. Brooks in einem Interview:

Man kann sich vorstellen, mit welchem Widerwillen und welchem schlechten Gewissen man sich diesen Film ansieht. Die Amerikaner müssen unweigerlich an die Tiere denken, die sie selbst jagen und schießen, und sie merken, dass da kein großer Unterschied besteht: Man drückt ab, das Tier fällt um etc. Kurz gesagt: Der Film vermittelte seinem Publikum das Gefühl, es bestehe selbst aus Mördern. Man kann es ihm nicht verdenken, dass es nicht wild darauf war, sich den Film anzuschauen.

Kalte Welt

Es gab bis dahin auch nur wenige Filme, die Indianer als so rechtlose Wesen zeigten wie The Last Hunt. Noch schockierender wird das dadurch, dass sie viel zu schwach sind, um sich zur Wehr zu setzen. Es gibt weder einen Geronimo noch einen Cochise, sondern nur ein paar versprengte Sioux, die versuchen, der Jagdgesellschaft die Maultiere zu stehlen und von Charley genauso problemlos abgeschossen werden wie die Büffel. Am Leben lässt er nur eine namenlose Indianerin (wieder mal Debra Paget) mit ihrem kleinen Kind. Die Frau beansprucht er als Jagdbeute. Sie wird seine Köchin und seine Sexsklavin. Auch so etwas hatte man im Western bis dahin nicht gesehen. Die Frau muss bei ihm bleiben, weil das Kind sonst verhungern würde.

The Last Hunt

Sandy erfährt, dass die Indianerin eine Missionsschule besucht hat und dass das Kind nicht ihres ist. Das sind wieder diese Drehbucherfindungen, mit denen die Beziehung des weißen Helden zur roten Squaw akzeptabler gemacht wird. Sogar ein Film wie The Last Hunt kann scheinbar ohne sie nicht auskommen. Eine jungfräuliche Indianerin ist besser als eine, die von einem Stammesgenossen geschwängert wurde. Charley hat sie zumindest physisch nicht vergewaltigt, weil er impotent ist, wenn er nicht töten kann. Das führt ihn in Bereiche, in denen man auch Ethan Edwards (The Searchers) antreffen kann. Der Indianerhass beider Charaktere ist in Wirklichkeit ein Selbsthass. Das Wilde und Primitive, das sich in ihrem eigenen Wesen findet, projizieren sie auf den Indianer. Charley Gibson wird am Ende zur pathetischen Figur, weil es unter den dahinvegetierenden Sioux keinen mehr gibt, der als Projektionsfläche dienen und die alten Klischeebilder transportieren könnte.

Als die Spannungen in der Gruppe unerträglich werden, flieht Sandy mit der Indianerin, um sie in die Reservation der Sioux zu bringen. Aber dort gibt es nur ausgehungerte Gestalten, die bei anbrechendem Winter vergeblich auf die versprochene Lebensmittellieferung der Regierung warten und froh sind, Sandys Maultiere essen zu dürfen. In The Searchers überfällt die Kavallerie ein Lager der Comanchen und richtet ein Gemetzel an. The Last Hunt führt vor, wie man durch Passivität dasselbe Resultat erzielen kann. Der Film zeigt uns die wesentliche kulturelle Errungenschaft, welche die Weißen den Indianern gebracht haben: die in der Reservation verhungerten Sioux werden jetzt in Holzsärgen beigesetzt.

The Last Hunt

Als Sandy und die Indianerin den Armeeposten in der Stadt erreichen, finden sie dort die Reste der für die Reservation bestimmten Rinderherde vor. Die Kavallerie hat sie einfach nicht hingebracht. Auf dem Rückweg werden die Flüchtenden von Charley eingeholt. Inzwischen hat er auch Woodfoot umgebracht, und er leidet unter Wahnvorstellungen. Durch das massenhafte Abschlachten der Büffel ist er endgültig verrückt geworden. Jimmy, Sandy und die Indianerin verbringen die eisig kalte Nacht in einer Höhle. Charley erschießt einen einsamen Büffel und zieht ihm das Fell ab, um sich darin zu wärmen. Als Sandy am nächsten Morgen zu ihm geht, um sich mit ihm zu schießen, ist Charley zu Eis erstarrt. Sandy und die Indianerin lieben sich. Gemeinsam reiten sie durch die trostlose Winterlandschaft davon. Zurück bleiben Charleys erstarrter Leichnam, die Skelette der massakrierten Büffel und eine indianische Begräbnisstätte. In The Big Sky gibt es dunkle, gespenstisch anmutende Bilder, die andeuten, dass die utopische Reise auf dem Fluss in einen Albtraum umschlagen könnte wie in Heart of Darkness von Joseph Conrad. Mit The Last Hunt hält endgültig der Horrorfilm im Western Einzug.

The Last Hunt

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