Allgemeinheit zahlt fast 5.000 Euro pro Pkw und Jahr

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Energie- und Klimawochenschau: Von den sozialen Kosten des Autofahrens, ungenügenden Klimaambitionen der Energieversorger und annullierten Ölförderlizenzen im Golf von Mexiko

Vergangene Woche hatten wir über die anhaltende Dürre am Horn von Afrika berichtet. Etwas weiter südlich hat hingegen ein Tropensturm schwere Schäden und Todesopfer verursacht. Der Tropensturm Ana zog am 22. Januar über Madagaskar und traf am 23. auf das afrikanische Festland, wo er in Teilen Mosambiks, Malawis und Simbabwes Häuser und Ernten zerstörte. Es wurde von 12 Todesopfern in Mosambik und Malawi berichtet. Vor knapp zwei Jahren hatte der Zyklon Idai in dieser Region großflächige Überschwemmungen verursacht und mehr als 1000 Todesopfer gefordert.

In Kalifornien, seit Jahren bekannt für immer verheerendere Wald- und Buschbrände, brach am 21. Januar bei Big Sur ein Brand aus, der 278 Hektar verwüstete. Ein solcher Brand mitten im Winter stellt auch in Kalifornien noch eine Besonderheit dar. In Big Sur hatte es im Januar, also mitten in der Regenzeit, fast gar nicht geregnet, berichtet der San Francisco Chronicle. Durch die seit zwei Jahren anhaltende Dürre sei viel vertrocknetes Buschwerk vorhanden gewesen, dass dem Feuer Nahrung gegeben hätte.

Dürre herrscht auch nach wie vor im Bundesland Sachsen, und zwar in den tiefen Bodenschichten. Das ergibt eine Auswertung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und des Sächsischen Landesamts für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie.

Ein hohes Niederschlagsdefizit, neue Temperaturrekorde und eine extreme Sonnenscheindauer haben in den vorangegangenen Trockenjahren bis in den August 2021 hinein zur stärksten Grundwasserdürre seit Beobachtungsbeginn vor 100 Jahren geführt. Trotz einer leichten Entspannung im Wasserhaushalt ab der zweiten Jahreshälfte 2021 wirken die Folgen der Trockenheit nach.

DWD

Sachsenweit fehle seit Anfang 2018 etwa ein halber Jahresniederschlag. An zwei Dritteln der Grundwassermessstellen läge die Höhe des Grundwassers noch 42 Zentimeter unter den jahreszeitlich üblichen Werten.

Wie ebenfalls hier berichtet, wollen neun Kinder und junge Erwachsene, unterstützt durch die Deutsche Umwelthilfe, erneut vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Da auch das novellierte Bundesklimaschutzgesetz nicht ausreiche, um die nationalen Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten, legten sie vergangene Woche Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht ein. Die DUH rechnet vor:

Das der Bundesrepublik zustehende Treibhausgasbudget zur Begrenzung der Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad wird mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits 2023 überschritten. Selbst das nationale Restbudget für eine Begrenzung auf 1,8 Grad würde bei Einhaltung aller im aktuellen Klimaschutzgesetz enthaltenen Ziele im Jahr 2030 fast erschöpft sein.

Dies hätte zur Folge, dass kurz nach dem Jahr 2030 keine Treibhausgase mehr emittiert werden dürfen – das Gesetz sieht jedoch erst ab dem Jahr 2045 Treibhausgasneutralität vor.

Deutsche Umwelthilfe

Im Klartext: Um 1,5 Grad-konform zu sein, dürfte Deutschland schon im nächsten Jahr keine Treibhausgasemissionen mehr ausstoßen.

Privatautos: Teuer und sozial ungerecht

Kommen wir zu einer weiteren interessanten Berechnung: Die deutsche Gesellschaft subventioniert jeden und jede Autofahrer:in mit durchschnittlich mit rund 5.000 Euro im Jahr. So hoch ist der öffentliche Anteil an den sozialen Kosten des privaten Pkw-Verkehrs laut einer im Fachjournal Ecological Economics veröffentlichten Studie.

Das Phänomen der externen Kosten – etwa Kosten verursacht durch Gesundheits- oder Umweltschäden – ist natürlich lange bekannt und nicht leicht zu beziffern. Die enorme Höhe der hier veranschlagten Kosten mag aber doch überraschen.

Einbezogen haben die Wissenschaftler:innen Stefan Gössling, Jessica Kees und Todd Litman zehn verschiedene soziale oder externe Kostenarten, darunter Luftverschmutzung, Lärmbelastung, Schaffung und Erhalt der Straßeninfrastruktur, Parken im öffentlichen Straßenraum und Kosten des Klimawandels.

Die Summe dieser Kosten wurden beispielhaft für einen Kleinwagen, einen Mittelklassewagen und einen SUV berechnet und ergaben beim Kleinwagen 4.674 Euro pro Jahr, beim Mittelklassewagen 4.755 Euro pro Jahr und beim SUV 5.273 Euro pro Jahr.

Die Wissenschaftler:innen fanden auch heraus, dass die Mehrheit der Autobesitzer:innen die eigenen Ausgaben für den Pkw-Besitz und Gebrauch um gut die Hälfte unterschätzen. Tatsächlich entfallen auf die Besitzer:innen von Kleinwagen noch Kosten von 6.704 Euro pro Jahr, von Mittelklassewagen von 7.657 Euro und von SUV von 12.899 Euro.

Im Verhältnis zu den Haushaltseinkommen geben aber die Halter:innen von Kleinwagen am meisten für ihr Auto aus, da diese meist von Menschen mit niedrigen Einkommen gefahren werden.

"Für einen ungelernten Arbeiter entsprechen Kauf und Betrieb eines neuen VW Golf 41 Prozent des Nettoeinkommens, ein Wert, der vergleichbar ist mit den durchschnittlichen Wohnkosten für einen Ein-Personen-Haushalt in Deutschland", so die Autor:innen der Studie.

Besitzt ein Haushalt einmal einen privaten Pkw, führten die hohen Fixkosten und die subventionierte Straßen- und Parkplatzinfrastruktur dazu, dass dieser auch für möglichst viele Wege genutzt würde und öffentliche Verkehrsmittel vergleichsweise teuer erschienen.

Die Schlussfolgerung der Untersuchung ist, dass das deutsche Transportsystem ineffizient ist und die Kosten unfair verteilt sind. Haushalte mit kleinen Einkommen seien in diesem System benachteiligt und Fußgänger:innen, Radfahrer:innen und Nutzer:innen öffentlicher Verkehrsmittel trügen einen unverhältnismäßigen Anteil der externen Kosten des Autofahrens.

Für Stadtbewohner:innen enthält die Studie auch den Hinweis, dass ein Abo für den öffentlichen Nahverkehr mit durchschnittlich 930 Euro pro Jahr weitaus günstiger ist als der private Pkw-Besitz. Und auch wenn überregionale Bahnfahrten und gelegentliche Taxifahrten berücksichtigt würden, lebe es sich immer noch günstiger. Vorausgesetzt, dass die öffentlichen Verkehrsanbindungen überhaupt vorhanden sind.

Energieversorger ohne fossile Ausstiegsziele

Die Verantwortung für den Ausstieg aus den fossilen Energien liegt nicht nur bei den Staaten sondern auch bei den Energieversorgern. Dass die meisten ihre Ankündigungen, die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Netto-Null zu senken, nicht mit den notwendigen Maßnahmen flankieren, zeigt ein Bericht von Europe Beyond Coal (EBC) und des Thinktanks Ember. Wie die Organisation urgewalt mitteilt:

Mit Blick auf das Netto-Null-Szenario der Internationalen Energieagentur (IEA) enthält keiner der untersuchten Geschäftspläne von Energieversorgern alle notwendigen Meilensteine für den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe und den beschleunigten Einsatz erneuerbarer Energien.

urgewald

Betrachtet wurden 21 europäische Energieversorger, wovon nur neun planen, bis 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen. Pläne für einen Ausstieg aus fossilem Gas bis zum Jahr 2035 suche man vergeblich. Laut der im Mai 2021 veröffentlichten Roadmap der Internationalen Energieagentur IEA müssten die Industrieländer bis 2030 aus der Kohle aussteigen und bis 2035 bei der Stromerzeugung Netto-Null erreichen.

Ein wichtiges Instrument, das den Energieunternehmen in die Hände spielt, bleibt der Energiecharta-Vertrag. Dieser gewährt den Unternehmen Schutz ihrer Investitionen vor staatlichen Eingriffen, etwa durch staatliche Klima- und Umweltauflagen und erlaubt ihnen Klagen gegen Staaten vor internationalen Schiedsgerichten.

Auf diesem Weg konnte etwa Vattenfall von Deutschland eine Milliardenentschädigung für den Atomausstieg erstreiten. RWE und Uniper klagen aktuell gegen den beschlossenen Kohleausstieg bis 2030 in den Niederlanden, wie das Portal Energiezukunft.eu berichtet.

Der Energiecharta-Vertrag soll bis Juni 2022 reformiert werden, doch über die anstehenden Reformen wird noch verhandelt.

Auch andere Investitionsschutzabkommen gewähren Unternehmen Klagemöglichkeiten gegen Staaten vor internationalen Schiedsgerichten. Zumeist geht es um hohe Entschädigungssummen, bzw. darum, die Staaten durch Entschädigungsforderungen unter Druck zu setzen, sodass diese beispielsweise vor strengen Umweltgesetzen zurückschrecken.

Einer Analyse des International Institute for Sustainable Development (IISD) zufolge wählen immer mehr fossile Energieunternehmen den Weg vor die Schiedsgerichte. Bis Ende 2020 machten deren Klagen rund 20 Prozent der vor den Schiedsgerichten verhandelten Fälle aus, wobei in über der Hälfte der Fälle Inhalt und Ergebnis der Verfahren geheimgehalten wurden.

In 76 Prozent der Fälle war das Ergebnis für die fossilen Konzerne positiv, sei es durch ein für sie günstiges Urteil oder einen vorher ausgehandelten Vergleich.

"Die Häufigkeit von Fällen bezüglich fossiler Brennstoffe im ISDS-System [Investor-Staat-Streitbeilegung, Anm. d. Verf.] ist besonders im Kontext des Klimawandels besorgniserregend, in dem der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zwingend ist, um die Ziele des Pariser Abkommens einzuhalten", schreibt das IISD.

Dabei rechnet das Institut für die Zukunft mit einer Zunahme von Klagen des fossilen Sektors gegen staatliche Maßnahmen.