Altersarmut in Deutschland: Sozialverband forderte gezielte Hilfen von Bundesregierung

Der Trend setzt sich fort: Immer mehr alte Menschen rutschen in die Armut. Volkssolidarität fordert höheren Beitragssatz. Warum nicht alle zur Armut kursierenden Zahlen die Realität wiedergeben.

Altersarmut ist in Deutschland primär weiblich und ostdeutsch – darauf wies der Volkssolidarität-Bundesverband am Donnerstag hin. Die Zahlen, auf die sich der Verband stützt, stammen aus der Antwort des Bundesarbeitsministeriums (BMAS) auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag, die am Donnerstag veröffentlicht wurde.

Telepolis hatte bereits Anfang Februar über den Anstieg der Altersarmut berichtet. Seit dem Jahr 2010 ist ein kontinuierlicher Anstieg der Altersarmut zu verzeichnen. Damals lag die Quote noch bei 12,6 Prozent. Seitdem verging kein Jahr, in dem es keinen Zuwachs gegeben hätte. Heute liegt sie bei 17,9 Prozent.

Susanna Karawanskij, Präsidentin der Volkssolidarität, erklärte nun: "Es ist zu befürchten, dass die Zahlen infolge der Inflation weiter angestiegen sind". Die Bundesregierung sei gefordert, umgehend gezielte Hilfe zu leisten und mittelfristig wirksame Maßnahmen gegen die zunehmende Altersarmut zu ergreifen.

Die Zahlen zeigen: Etwa jeder sechste Altersrentner erhält demnach Bezüge, die unter der Armutsgefährdungsgrenze von aktuell 1.135 Euro liegen.

Besonders betroffen waren in den zurückliegenden Jahren: Frauen. Bei ihnen war das Armutsrisiko stets deutlich stärker ausgeprägt als bei Männern. Im Jahr 2010 erhielten 13,8 Prozent von ihnen eine Armutsrente und 2021 waren es 19,3 Prozent.

Frauen erhielten auch deutlich niedrigere Renten als Männer. Im Jahr 2021 erhielten Männer im Durchschnitt 1.304 Euro, so bezogen Frauen im Schnitt lediglich 832 Euro.

Karawanskij erklärte den Unterschied damit, dass Frauen mehrheitlich in Berufen arbeiten, die schlechter bezahlt werden, etwa in der Pflege oder im Einzelhandel. "Aus schlechten Löhnen und Gehältern folgen dann auch niedrige Renten." Zudem würden auch deutlich mehr Frauen in Minijobs und in Teilzeit arbeiten.

Welt Online veröffentlichte am Donnerstag andere, weit dramatischere Zahlen. Knapp 6,8 Millionen Altersrentner hätten 2021 eine Rente von höchstens 853 Euro im Monat bekommen. Der Bericht berief sich auf eine BMAS-Antwort auf eine Anfrage der AfD.

Würden nur diese Zahlen betrachtet, ergäbe das eine immense Armutsquote unter Altersrentnern. Für das Jahr 2021 weist die Statistik der Deutschen Rentenversicherung fast 15 Millionen Altersrentner aus. Das entspräche einer Armutsquote unter Rentnern von knapp 45 Prozent.

Auf diesen Unterschied befragt, erklärte ein Referent der Volkssolidarität gegenüber Telepolis, dass diese Zahlen nicht die ganze Wahrheit widerspiegeln. Kleine Renten müssen nicht unbedingt Armut bedeuten. Wer nur kurze Zeit in Lohnarbeit war und deshalb auch nur wenig in die Rentenkasse eingezahlt hat, könnte als Unternehmer zu einem Vermögen gelangt sein.

Um zu beurteilen, ob jemand in Altersarmut leben müsse, müsste das gesamte Haushaltseinkommen herangezogen werden, schreibt auch Stefan Sell, Professor für Sozialpolitik an der Universität Koblenz, auf seinem Blog. Und dieses könnte mitunter grob unterschätzt werden.

Weitaus interessanter und den Finger auf eine wirklich große Wunde des bestehenden Rentensystems legend ist die Frage, wie es denn aussieht mit der Rentenhöhe bei Menschen, die nicht nur ein paar Jahre eingezahlt haben, sondern die – sagen wir mal – 40 lange Jahre ihren Beitrag direkt oder indirekt geleistet haben.

Stefan Sell

Danach hatte die Linken-Abgeordnete Heidi Reichinek gefragt. Sie wollte von der Bundesregierung wissen, wie viele Altersrentner nach 40 und nach 45 Beitragsjahren eine Rente unterhalb der Armutsgrenze erhalten. In Summe sind es nach BMAS-Angaben ungefähr 3,6 Millionen Männer und Frauen.

Die Volkssolidarität kritisiert, dass im Ringen um eine gute Rente bei den Regierenden vor allen der Beitragssatz im Vordergrund steht. Die offizielle Politik besage: Der Beitragssatz dürfe keinesfalls steigen. Das sei viel zu eng gedacht, meint Karawanskij.

"Bei unserem Nachbarn Österreich liegt der Beitragssatz um mehr als vier Prozent und dafür die Renten um bis zu 800 Euro höher", sagte sie. Statt bei 48 Prozent haltzumachen, sollte er auf wenigstens 53 Prozent des Nettoverdienstes angehoben werden. Die Rente dürfe "sich nicht danach bemessen, wie viel sie kostet, sondern ob sie einen Lebensabend für alle in Würde und Zufriedenheit ermöglicht".

Außerdem sollten mit Selbständigen, Beamten und Politikern auch die Gruppen in die gesetzliche Rente einzahlen, die bislang davon ausgenommen sind.

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