Altmaier: Wirtschaftspolitik als "Bewerbungsschreiben" für Macron?

Peter Altmaier. Foto: Heinrich-Böll-Stiftung. Lizenz: CC BY-SA 2.0

Mittelständler und Wissenschaftlicher Beirat kritisieren den CDU-Politiker

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Als letzte Woche die wichtigsten deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute ihre gemeinsame Wachstumsprognose für Deutschland halbierten, erklärte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU das mit "Sonderfaktoren wie die Umstellung auf den neuen Autoabgasmessstandard WLTP und das Niedrigwasser im Rhein". Seinen Worten nach wird "die [bereits] im zweiten Halbjahr 2018 zu beobachtende Abkühlung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung [noch] im Verlauf dieses Jahres allmählich überwunden, und die Auftriebskräfte gewinnen wieder die Oberhand". Beobachter in den Medien zeigten sich teilweise ganz anderer Meinung - auch deshalb, weil gleichzeitig herauskam, dass die Aufträge für die deutsche Industrie stark sanken (vgl. Wirtschaftswachstumsprognose für Deutschland halbiert).

Nun wirft Reinhold von Eben-Worlée, der Präsident des Verbands der Familienunternehmen, dem deutschen Wirtschaftsminister in der FAZ vor, anstatt der angekündigten "Mittelstandsstrategie" eine "Anti-Mittelstandspolitik" zu machen. Ähnlich äußerten sich mittelständischen Unternehmen, deren Urteil über Altmaier der Zeitung zufolge ein Spektrum von der "Fehlbesetzung" bis zum "Totalausfall" umfasst.

"Europäische Champions"

Um nicht nur Altmaier, sondern auch die Öffentlichkeit an dieser Einschätzung teilhaben zu lassen, hat ihn der Familienunternehmensverband demonstrativ nicht zu seinem 70-jährigen Gründungsjubiläum im nächsten Monat eingeladen und fordert seine Mitglieder dazu auf, diese Feierlichkeit zu einer "Demonstration" gegen den Wirtschaftsminister zu machen, den er als "gewaltigen Kollateralschaden für seine Partei" bezeichnet.

Vor dem Familienunternehmensverband hatte der Wissenschaftliche Beirat im Wirtschaftsministerium scharfe Kritik an Altmaier geübt: Er machte ihm unter anderem den Vorwurf, auf Betreiben von Emmanuel Macrons Wirtschaftsminister Bruno Le Maire Subventionsregeln und das Kartellrecht unangemessen zu lockern, um der Vision des französischen Präsidenten von "europäischen Champions" entgegenzukommen.

Altmaier meinte auf solche Kritik hin, er erlebe auch "viel Zuspruch" und das "motiviere" ihn. Konkret kommt dieser Zuspruch von Frank Appel, dem Chef der deutschen Post. Er verlautbarte, Altmaier werde "Unrecht getan", weil man "nicht nur die Endkonsumenten, sondern […] auch die Wettbewerbsfähigkeit Europas im Auge haben" müsse. Um "im Wettbewerb mit den USA und China" mithalten zu können, brauche die EU die von Macron geforderten "Champions".

Oettinger verabschiedet sich in die Privatwirtschaft

In Paris dürften Altmaiers "industriepolitische Grundsätze" dem Focus-Gastautor Gabor Steingart nach sogar wie "Bewerbungsschreiben" wirken. Nicht für das französische Kabinett, sondern für die nächste EU-Kommission, bei der Macron ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hat.

Setzt er durch, dass nicht der CSU-Politiker Manfred Weber, sondern die Dänin Margrethe Vestager von der ALDE-Fraktion Kommissionspräsidentin wird (vgl. EU-Kommissionspräsidentschaft: Vestager statt Weber?), wäre ein Kommissarposten für einen Deutschen frei, weil der möglicherweise auch sprachlich etwas überforderte Digitalkommissar Günther Oettinger im August 2018 ankündigte, er werde sich in die Privatwirtschaft verabschieden (wo auf Personen mit so guten Kontakten wie den seinen zahlreiche entsprechend gut bezahlte Posten warten).

Dass Altmaier am 14. März 2018 deutscher Bundeswirtschaftsminister wurde, ist Folge einer Kabinettsrochade: Um noch einmal in einer Koalition mit CDU und CSU einzutreten verlangte die SPD nämlich das Finanzministerium, weshalb die CDU mit dem vorher sozialdemokratisch geführten Wirtschaftsministerium ein Gegengewicht setzen und gleichzeitig einen treuen Merkel-Intimus im Kabinett unterbringen wollte. Vorher war der seit 1994 beurlaubte EU-Beamte und ledige Hobbykoch, der über die so genannte "Pizza-Connection" schon früh eine Zusammenarbeitet mit den Grünen vorbereitete, unter anderem Bundeskanzleramtschef und Umweltminister.

Weil ein Kabinettsposten mit anderen zusammenhängt, ist unwahrscheinlich, dass die SPD im Falle eines Sturzes von Altmaier das Wirtschaftsministerium zurückbekommt. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil schloss sich gestern im Gespräch mit der Bild-Zeitung trotzdem der Kritik am Bundeswirtschaftsminister an und meinte, gerade im Bereich Digitalpolitik komme der gelernte Jurist "nicht voran". Gleiches ließe sich allerdings auch über Sigmar Gabriel, Brigitte Zypries und andere sozialdemokratische Bundeswirtschaftsminister der letzten beiden Jahrzehnte sagen.

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