EU-Kommissionspräsidentschaft: Vestager statt Weber?
Angela Merkel soll bereit sein, den CSU-Politiker zu opfern, wenn Ursula von der Leyen dafür NATO-Generalsekretärin wird
Der CSU-Politiker Manfred Weber ist Kommissionpräsidentschaftskandidat der christdemokratischen EVP-Fraktion im Europaparlament. Auf dem CSU-Europaparteitag in Nürnberg verschreckte der Wildenberger gestern mit Forderungen nach einer deutlich stärkeren weltpolitischen Rolle der EU und nach einer gelenkte Industriepolitik unter anderem den Außenhandelsverband BGA, der vor "wettbewerbsfeindlichen Tönen" warnte. Dabei war Weber aber nicht alleine, sondern wurde von der neuen CSU-Führung unterstützt.
Der neue Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder sprach den fast preußisch-wilhelminisch klingenden Satz: "Entweder Europa verabschiedet sich von der Weltbühne oder es kehrt machtvoll zurück!" - und die bislang vor allem als Softwarepatentbefürworterin und Immaterialgüterrechtsmaximalistin aufgefallene Angelika Niebler (vgl. Es muss nicht immer Seehofer sein) verabschiedete sich vom ehemals ihre Partei prägenden Föderalismus mit der Forderung, weil "einzelne Staaten aus egoistischen Motiven Europas Handlungsfähigkeit lähmen können", müsse man in Brüssel unbedingt Mehrheitsentscheidungen einführen.
Christ- und Sozialdemokraten wahrscheinlich ohne gemeinsame Mehrheit
Bereits in den Tagen und Wochen davor war Weber mit einem eher polternden Tonfall aufgefallen: In Polen kündigte er an, Russland in die Schranken zu weisen (vgl. Weber will als EU-Kommissionspräsident Nord Stream 2 blockieren), und den Briten legte er erst eine Zustimmung zum Theresa Mays Ausstiegsdeal und anschließend Neuwahlen in einer Art und Weise nahe, die in anderen europäischen Ländern eher nicht gut ankam (vgl. Brexit-Deal: Vierter Versuch?).
Inzwischen gilt nicht mehr als praktisch sicher, dass der Niederbayer der Nachfolger von Jean-Claude Juncker wird: Die EVP, die ihn nominierte, dürfte zwar größte Fraktion im Europaparlament werden, ist aber sehr weit von einer absoluten Mehrheit entfernt. Den aktuellen Umfragen nach reicht es dafür nicht einmal bei einer Fortsetzung der informellen großen Koalition mit den Sozialdemokraten. Deshalb benötigen die EVP und die S&D wahrscheinlich die liberale ALDE-Fraktion als Mehrheitsbeschaffer - und deren Preis könnte der Posten der Kommissionspräsidentin für ihre Kandidatin Margrethe Vestager sein.
Benelux, Frankreich und Ciudadanos für Vestager
Auf der Ebene der EU-Mitgliedsländer wird die Dänin bislang vom niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte, vom belgischen Premierminister Charles Michel, vom Luxemburger Premierminister Xavier Bettel und vom französischen Regierungsparteichef Stanislas Guerini offen unterstützt. In Spanien stehen die Ciudadanos hinter ihr, die sich in Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der christdemokratischen PP und den regierenden Sozialdemokraten liefern.
Den Informationen des European nach "munkelt" man in Brüssel außerdem, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel werde sich dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron "nicht widersetzen, wenn der nach der Europawahl Vestager durchsetzen wolle": "Im Gegenzug könnte sie ihre CDU-Vertrauten Ursula von der Leyen zur NATO-Generalsekretärin befördern und Peter Altmaier zum EU-Kommissar."
Salvini will Mitte April europäisches Wahlbündnis AEPN vorstellen
Dass sich EVP, S&D und ALDE auf den sozialdemokratischen Kandidaten Frans Timmermans als Kommissionspräsidenten verständigen, gilt als eher unwahrscheinlich. Der Niederländer machte sich in der EVP unter anderem mit seiner Kritik am österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz unbeliebt. Kurz' rechte Hand Karoline Edtstadler reagierte darauf mit Verweisen auf die sozialdemokratischen Länder Malta und Rumänien, die "in Sachen Korruption traurige EU-Spitzenreiter" seien und in denen Timmermans anscheinend "andere Standards" gelten lasse.
Die FPÖ, die Kurz Timmermans Ansicht nach "nicht im Griff hat", soll sich dem italienischen Lega-Europaabgeordneten Marco Zanni zufolge Matteo Salvinis neuem europäischem Wahlbündnis "Allianz der europäischen Völker und Nationen" (AEPN) anschließen, das der italienische Innenminister Mitte April offiziell vorstellen will. Ob Salvini auch als Kommissionspräsidentenkandidat dieses Bündnisses antritt, ist noch unklar. In jedem Fall will er aber die Zeit zwischen Mitte April und dem 18. Mai überwiegend dem Europawahlkampf widmen und dabei auch in Deutschland, Österreich und Frankreich persönlich dafür werben, "die EU nicht zu zerstören, aber zu ändern".
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