"Amerika führt die Welt"
Kurz vor den Kongresswahlen setzt sich US-Präsident Obama als Weltführer und oberster Kriegsherr in Szene
Für die Strategen im Weißen Haus ist der erneute lange Krieg gegen den Terror eine Gelegenheit, die Führungskraft des bislang angeschlagenen Präsidenten sechs Wochen vor der Kongresswahl zu stärken. Barack Obama erklärte denn auch in seiner wöchentlichen Ansprache, dass unter seiner Führung nun "Amerika die Welt anführt". Die Führung der USA sei, so Obama, "die eine Konstante in einer unsicheren Welt". Die Amerikaner stehen mit 60 Prozent (Gallup-Umfrage vom 20./21.9.) mehrheitlich hinter dem Krieg gegen den IS, aber deutlich weniger als hinter dem Afghanistankrieg (90 Prozent) oder dem Irak-Krieg (76 Prozent).
Obama betonte, dass Amerika nicht nur den Kampf gegen den Islamischen Staat mit einer "breiten Koalition" führt, sondern auch den gegen die "russische Aggression in der Ukraine". Er habe noch mehr Nationen in dieser Woche aufgerufen, sich der USA anzuschließen und damit auf der "richtigen Seite der Geschichte" zu stehen. Und natürlich führt Amerika auch im Kampf gegen Ebola und sogar in dem gegen die Klimaerwärmung.
Man habe den eigenen Teil gemacht und fordere die anderen Nationen auf, den ihren zu realisieren. So hätten die USA in saubere Energie investiert und die CO2-Emissionen gesenkt. Vor den Vereinten Nationen hatte sich Obama ebenfalls bereits gerühmt, dass die USA die Emissionen mehr als jede andere Nation reduziert haben. Dumm nur, dass ausgerechnet das eigene Energieministerium am Freitag berichtet hat, dass in der ersten Hälfte des Jahres die Emissionen wieder im Vergleich zu den beiden vorgegangenen gestiegen sind. Vermutlich ist das eine Folge des anziehenden Wirtschaftswachstums, andererseits ist der Rückgang der Emissionen bis 2012 wohl vor allem auf die Wirtschaftskrise zurückzuführen. Immerhin sind erneuerbare Energien seit 2012 um 7 Prozent gestiegen, sie decken nun 12 Prozent der gesamten Energie ab.
Nach Obama würden die Menschen auf der ganzen Welt erwarten, dass die USA vorangehen. Die Amerikaner seien schließlich "die Erben eines stolzen Vermächtnisses der Freiheit". Man habe diese Woche der Welt gezeigt, "dass wir darauf vorbereitet sind, das Notwendige zu tun, um das Vermächtnis für die kommenden Generationen zu sichern".
Obama trägt zwar weniger dick als seine Vorgänger auf, aber der Anspruch ist dennoch klar, die US-Regierung sieht die USA weiterhin als die Supermacht, der sich andere anschließen sollen, um auf der "richtigen Seite der Geschichte" zu stehen. Man rettet die Welt vor den Folgen der Klimaerwärmung und schützt sie vor der gefährlichen Seuche, die USA, so die Botschaft, setzen auch Staaten unter Druck, die der amerikanischen Ordnung nicht gehorchen, und sie bekämpfen das Böse. Obama hatte zuvor immer mal wieder den Islamischen Staat als Krebsgeschwür bezeichnet. Das Wort nahm er jetzt nicht in den Mund, aber als Ziel nannte er weiterhin, die Terrorgruppe zu zerstören oder auszumerzen, als könne man sie einfach herausschneiden. Den Gegner als Krebsgeschwür zu bezeichnen, erinnert zudem an die "Vernichtungspolitik des Völkermords" der Nazis. Andrian Kreye verwies in der SZ gestern darauf, dass Obama mit dieser Rhetorik "den unendlichen Krieg" verschärfe.
Für Obama bzw. für die Demokratische Partei ist fraglich, ob der nun sich als Weltführer und oberster Kriegsherr in Szene setzende Präsident kurz vor den Kongresswahlen, bei denen die Republikaner wieder die Mehrheit auch im Senat übernehmen können, das Ruder noch herumreißen kann. Nach Umfragen trauen die Menschen weiterhin den Republikanern eher zu, die USA vor dem Terror zu schützen. Anfang September sagten dies 55 Prozent der Befragten, mehr noch als 2002. Damals lagen die Republikaner um 19 Punkte vorne, jetzt sind es 23 Punkte, da den Demokraten nur 32 Prozent zutrauen, die USA vor dem Terror zu schützen. Bis vor kurzem war dies kein so großes Problem, da auch in den USA die Angst vor dem Terrorismus fast kein Thema mehr war. Mit dem Islamischen Staat und der Reaktion von Obama, diesen als direkte Bedrohung der USA darzustellen, dürfte sich die Stimmung im Land verändert haben, möglicherweise nicht zugunsten von Obama und den Demokraten.