Amnesty weist auf einen Anstieg der Internetrepression in China hin

Westliche Unternehmen wie Cisco oder Microsoft, die angeblich Technologien zur Internetkontrolle nach China verkaufen, werden von der Menschenrechtsorganisation an ihre Verantwortung erinnert

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Kürzlich hat die Organisation Reporter ohne Grenzen China als das "weltweit größte Gefängnis" für Internetnutzer bezeichnet. In dem von der kommunistischen Partei beherrschten Land sitzen trotz aller Öffnung weiterhin Tausende von politischen Gefangenen im Gefängnis. Darunter auch Journalisten und nach Zählung von Reporter ohne Grenzen derzeit 48 Internetbenutzer wegen der fehlenden Meinungsfreiheit. Wie schon die Reporter ohne Grenzen kritisiert nun auch Amnesty International erneut westliche Unternehmen, an der Unterdrückung der Menschenrechte sich zu beteiligen.

Reporter ohne Grenzen und Amnesty International hatten schon vor zwei Jahren darauf aufmerksam gemacht, wie westliche Unternehmen mehr oder weniger direkt an der Internetzensur beteiligt sind oder diese unterstützen. So mussten Internetunternehmen, die in China auf den Markt gehen wollten, 2002 eine Selbstverpflichtungserklärung unterschreiben, die eine Kontrolle auch politischer Inhalte beinhaltete (Reporter ohne Grenzen kritisieren Yahoo).

Vor dem Besuch von Bundeskanzler Schröder in China im Dezember des letzten Jahres schickte die Organisation einen erneuten Appell an die Chefs großer Unternehmen wie Cisco, Microsoft, Intel, IBM, Yahoo oder Alcatel, sich nicht an der Internetzensur oder an der Verfolgung von Internetnutzern durch ihre Produkte oder Dienste zu beteiligen, sondern sich für größere Freiheit einzusetzen und bei ihren Geschäften die Repression im Land zu berücksichtigen. Nach Angaben der Organisation gab es keine einzige Antwort. Symbolisch entließ die chinesische Regierung aufgrund der großen Kritik zumindest die Psychologiestudentin Liu Di zusammen mit zwei weiteren Cyberdissidenten (Geschäfte im "weltweit größten Gefängnis" für Internetnutzer).

Nach dem neuesten Bericht von Amnesty International ist die Zahl der Personen, die im Verbindung mit dem Internet verurteilt wurden, im Jahr 2003 um 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Dazu hat auch die Sars-Epidemie beigetragen, denn festgenommen wurde auch eine unbekannte Zahl von Internetnutzern, die von der Regierung Unerwünschtes über das Internet verbreitet hatten. Mit der steigenden Zahl der Internetnutzer nehme auch die Kontrolle zu. So sei auch die Überwachung von Firmen wie Betreiber von Internetcafes oder Internetprovider im letzten Jahr schärfer geworden. Amnesty beobachtet aber auch, dass trotz der schärferen Kontrolle und Strafverfolgung auch der Internetaktivismus zunehme und die Internetbenutzer sich teilweise solidarisieren. Amnesty hat 55 Personen erfasst und die Fälle von 33 dokumentiert, die wegen ihrer Meinungsäußerung im Internet oder dem Herunterladen von Informationen zu Gefängnisstrafen zwischen 2 und 12 Jahren verurteilt wurden.

Die chinesische Regierung überwacht die Internetaktivitäten und blockiert Tausende von Websites, die als gefährlich oder subversiv gelten (Gefiltertes Internet für China). Bis 2005 müssen alle Internetcafes - man geht von 110.000 im ganzen Land aus - Überwachungssoftware installiert haben, mit der sich die persönlichen Daten aller Nutzer und die Internetaktivität registrieren lässt. Zudem werden die Behörden darauf aufmerksam gemacht, wenn ein Nutzer verbotene Inhalte betrachtet. Erst im Dezember 2003 mussten 30 große News- und Informations-Websites wieder eine Selbstverpflichtungserklärung unterzeichnen, dass sie die Übermittlung verbotener Inhalte verhindern werden.

In dem aktuellen Bericht verweist Amnesty darauf, dass man schon vor zwei Jahren mehrere Unternehmen wie Cisco Systems, Microsoft, Nortel Networks, Websense und Sun Microsystems darauf aufmerksam gemacht habe, dass ihre nach China verkauften Produkte zur Überwachung und Verfolgung von Internetnutzern eingesetzt worden seien. Einige Unternehmen hätten daraufhin abgestritten, dass ihre Geschäfte Menschenrechtsverletzungen begünstigen. So sagte Ciso, dass es die Angelegenheit der chinesischen Regierung sei, wenn sie das Internet überwachen wolle: "Wir sind grundsätzlich politisch neutral." Und Microssoft antwortete, dass man den Menschen auf der ganzen Welt stets die beste Technologie liefern wolle, aber "nicht kontrollieren kann, wie sie letztendlich eingesetzt wird." Amnesty bezeichnet solche Antworten als "unangemessen", weil sie nicht auf die Verantwortung der Unternehmen eingehen. Es sei an der Zeit, dass die Unternehmen, die mit China Geschäfte machen, sich für die Meinungsfreiheit und die Gefangenen einsetzen.

Nach Amnesty verletzen die Unternehmen die im August 2003 verabschiedeten UN Human Rights Norms for Business, nach denen Unternehmen versuchen müssten, dafür zu sorgen, "dass die Güter und Dienste, die sie liefern, nicht für Menschenrechtsverletzungen gebraucht werden". Mark Allison, Autor des Berichts, meint zumindest, dass "Microsoft sich mehr um Menschenrechtsverletzungen kümmern und seinen Einfluss geltend machen sollte, um Beschränkungen der Meinungsfreiheit zu lockern und Menschen aus dem Gefängnis zu holen. Es ist beunruhigend, dass man dort diese Probleme nicht zu haben scheint."