Reporter ohne Grenzen kritisieren Yahoo
Die Journalistenorganisation fordert, dass Yahoo die Selbstverpflichtungserklärung zur Zensur gegenüber der chinesischen Regierung wieder zurückzieht
Das Internet in China wächst nach Ansicht der chinesischen Regierung sprunghaft. Ende Juni 2002 gab es, wie People's Daily berichtet, nach dem China Internet Network Information Center (CNNIC) 45,8 Millionen Internetbenutzer, fast 20 Millionen mehr als noch 2001. Die Zahl der Websites ist um 20 Prozent auf angeblich 293.213 angestiegen. Der chinesische Internetnutzer ist wöchentlich über 8 Stunden im Netz, erhält 6,5 Emails (ohne Spam) und verschickt 5,3. Doch mit dem Internet ziehen auch Gefahren für das Regime ein, das versucht, möglichst weitgehende Kontrolle über die Internetinhalte auszuüben. Und wer in den vielversprechenden Markt will, muss nun eine Selbstverpflichtungserklärung unterschrieben, wie dies auch Yahoo gemacht hat und deswegen von der Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) scharf gerügt wird.
Die vom Ministerium für Informationsindustrie im März dieses Jahres den Internetprovidern zur Unterzeichnung vorgelegte "Provisional Regulation on Management and Control of Internet Publications" dient der weiteren Kontrolle der Internetinhalte, die schon lange geplant war (Chinas Regierung führt schärfere Internetgesetze ein). Für die chinesische Regierung sollen damit die Rechte und Pflichten der Medien im Internet festegelegt werden, "um eine gesunde und geordnete Entwicklung des Publikationsgeschäfts im Internet zu fördern", wie People's Daily dies zum Ausdruck brachte (China macht das Netz dicht). Ab 1. August muss jede Internetpublikation von den Behörden genehmigt worden sein.
So werden also nicht nur die Mails überwacht, der Zugang zu ausländischen Websites gesperrt oder die Internetnutzung in Cybercafes kontrolliert, sondern die Selbstverpflichtungserklärung beinhaltet auch, dass "keine schädlichen Dokumente oder Informationen, die die nationale Sicherheit oder die gesellschaftliche Stabilität gefährden, Gesetze oder Regeln verletzen, falsche Informationen, Aberglauben oder Obszönität verbreiten könnten, hergestellt oder verteilt werden" dürfen. Dazu gehören alle Inhalte, die von den Informationsanbietern im Netz zum "Browsen, Lesen und Herunterladen" angeboten werden.
Um diese Aufgabe zu leisten, müssen spezielle Redakteure eingestellt werden, die für die Kontrolle verantwortlich sind. Auf den Homepages muss die von den Behörden ausgegebene Lizenzierungsnummer angegeben sein. Sollten falsche oder ungerechte Informationen veröffentlicht werden, müssen diese nicht nur richtig gestellt werden, sondern seien Schadensersatzansprüche zu gewärtigen. Die Contentanbieter müssen überdies mindestens 60 Tage lang alle Inhalte vorrätig halten, um sie auf Verlangen den Behören vorzulegen. Als Strafe droht die Schließung der Website.
Diese Verpflichtung sollen bereits über 300 Contentanbieter unterzeichnet haben, darunter auch Yahoo China. Während man dies dort bestätigte, ist man bei Yahoo.com offenbar zurückhaltender und äußert sich nicht dazu. In einem offenen Brief an Terry Semel, den Direktor von Yahoo.com, fordert die Organisation Reporter ohne Grenzen jetzt, dass das Unternehmen die Entscheidung zurücknimmt und von der Selbstzensur der Inhalte auf der eigenen Seite absieht: "Indem Sie Ihr Recht auf Meinungsfreiheit aufgeben und die Zirkulation der Information im Netz behindern und Ihren Kunden einen reichhaltigen und unterschiedlichen Inhalt vorenthalten, zerstören Sie die Grundlagen des Internet und der Demokratie. Und Sie handeln gegen die Geschichte Ihres eigenen Unternehmens."
Das Internet, so RSF, sei seinem Wesen nach eine "Waffe gegen Zensur" und diene dem freien Informationsaustausch der Bürger, Völker und Kulturen. Das habe Yahoo immer verteidigt und sei darin auch ein Pionier gewesen, selbst wenn es um umstrittene Websites gegangen ist. Noch vor kurzem erst habe RSF im Namen der Freiheit hinter Yahoo gestanden, als der Prozess in Frankreich über die Sperrung der Auktionsseiten für Nazi-Andenken stattgefunden hat (Hyperaktive Pariser Richter).
RSF weist darauf hin, dass die chinesische Regierung von Anfang an versucht hat, das Internet zu kontrollieren und zu überwachen. Bislang seien 22 Menschen eingesperrt worden, weil sie Dokumente heruntergeladen hätten, in denen Demokratie gefordert oder die Regierung kritisiert wurde. Viele Websites seien bereits geschlossen worden. Tausende von inoffiziellen Internetcafes wurden geschlossen. Erst im Juni diente ein Brand in einem Internetcafe dazu, wieder entschieden gegen diese vorzugehen. In Peking wurden am 17. Juli wieder 30 offiziell angemeldete Cybercafes eröffnet, die keine Jugendlichen unter 18 Jahren mehr einlassen dürfen, zwischen Mitternacht und 8 Uhr Morgens geschlossen haben sowie verhindern, dass ein Zugriff auf Glücksspiele und Computerspiele, die Gewaltdarstellungen enthalten, möglich ist. Vermutlich dürfte die Internetbenutzung überwacht werden.