Ampel-Krise: Will die FDP rechts abbiegen?
Die Wirtschaftsliberalen haben bei Landtagswahlen schlecht abgeschnitten. Einige machen dafür ihre Koalitionspartner im Bund verantwortlich. Welche "Alternativen" sehen sie?
Es sieht nicht gut aus für die FDP in den Umfragen. Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, müsste sie in etwa mit einer Halbierung ihres Stimmenanteils von 2021 rechnen. Damals hatte sie immerhin 11,5 Prozent geholt, momentan käme sie – je nach Umfrageinstitut – auf fünf bis sechs Prozent.
Bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen am 8. Oktober sah es sogar noch schlechter aus – in Bayern verpasste die FDP mit drei Prozent den Wiedereinzug, in Hessen schaffte sie in mit fünf Prozent gerade noch. Schuld sind nach Meinung vieler Wirtschaftsliberaler jedoch nicht sie selbst, sondern ihre Koalitionspartner im Bund.
Während die Kanzlerpartei SPD in Umfragen tatsächlich signifikant unbeliebter geworden ist – sie rutschte von 25,7 Prozent im Jahr 2021 auf 15 bis 17 Prozent in den letzten Wochen ab – bewegen sich die Grünen als einzige Ampel-Partei in etwa auf dem alten Niveau: mit 13 bis 16 Prozent im Vergleich zu 14,8 Prozent bei der letzten Bundestagswahl.
Minuspunkt soziale Kälte?
Als kleinster Juniorpartner stellt die FDP unter anderem mit Christian Lindner den Finanzminister, dem in den letzten Wochen und Monaten vielfach soziale Kälte vorgeworfen wurde – vor allem in der Debatte um Kinderarmut und Kindergrundsicherung.
Als mögliche Ursache für den Mangel an Popularität unter Wahlberechtigten wird das in der FDP allerdings kaum identifiziert, zumal Lindner die Leistung vor allem für zugewanderte Familien in Frage gestellt hatte.
In einem "Weckruf Freiheit!" fordern nun 26 Parteimitglieder und Kommunalpolitiker aus Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Bayern, Hamburg, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen von der Bundestagsfraktion und dem Parteivorstand: "Die FDP muss ihre Koalitionspartner dringend überdenken".
Die FDP sei bei den Landtagswahlen für die Leistungen der Bundesregierung abgestraft worden, geben sich die Unterzeichnenden sicher. Keiner von ihnen hat allerdings ein überregionales Mandat.
In dem Brandbrief, der mehreren Medien vorliegt, ist auch von "Alternativen" die Rede: "Wir fordern den Parteivorstand auf, sich mit diesen Alternativen ernsthaft auseinanderzusetzen und ggfs. nach anderen Koalitionspartnern zu suchen, die für die Interessen Deutschlands und nicht für eine quasireligiöse Ideologie arbeiten."
Schnittmengen zwischen FDP und AfD
Letzteres sorgt nun für Spekulationen, ob hiermit die Unionsparteien oder die "Alternative für Deutschland" gemeint sind, zumal auch AfD-Anhänger mit Blick auf die Grünen von einer "Klimareligion" reden.
Anders als die AfD leugnet aber die FDP den menschengemachten Klimawandel zumindest nicht – sie will nur verbindliche Klimaschutzziele aufweichen und auf "Technologieoffenheit" setzen, um die Katastrophe später einzudämmen.
Allerdings gibt es wirtschafts-, finanz- und sozialpolitisch die größten Überschneidungen zwischen FDP und AfD, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) anhand von Antworten der Bundestagsparteien auf mehrere Fragen herausgearbeitet hat.
Bemerkenswert ist, dass die AfD sich noch stärker und umfassender für eine marktorientierte Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik ausspricht als die FDP – obwohl die beiden Parteien recht unterschiedliche Wählerklientele haben. Dabei ist interessant, dass die Antworten der AfD auf die 38 Fragen die stärkste Korrelation mit der FDP und die geringste mit Bündnis 90/Die Grünen und den Linken haben.
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)
Die Zielgruppen unterscheiden sich vor allem dadurch, dass es der AfD in größerem Umfang gelingt, Menschen anzusprechen, die damit gegen ihre eigenen Interessen wählen – nämlich auch Erwerbslose in "abgehängten" Regionen, während die FDP überwiegend von Besserverdienenden und Jüngeren gewählt wird, die zumindest noch die Hoffnung haben, eines Tages zu den Besserverdienenden zu zählen.
Die AfD könnte momentan bundesweit mit 19 bis 23 Prozent rechnen – als Unsicherheitsfaktor gilt hier allerdings die geplante Parteineugründung durch die Ex-Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht.
Sie könnte laut einer Umfrage vor wenigen Tagen mit 14 Prozent rechnen, allerdings auf Kosten mehrerer Parteien – die AfD käme dann laut der Erhebung noch auf 17 Prozent, die FDP würde mit fünf Prozent gerade noch den Wiedereinzug in den Bundestag schaffen. Das macht jedoch kaum einen Unterschied zu Umfragen, in die das Wagenknecht-Projekt noch nicht einbezogen wird.