An den Absichten, nicht an den biometrischen Daten sollt ihr sie erkennen

Die TSA testet das System einer israelischen Firma, das in drei Minuten Terrorverdächtige anhand von Veränderungen des Hautwiderstands erkennen soll

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Mit dem 11.9. kehrte die Sicherheitshysterie diesseits und jenseits des Atlantiks ein. Endlich konnten all die Ideen, die Sicherheitspolitiker schon immer vor sich her trugen, ohne große Diskussion und mit der alle Kritik erschlagenden Parole vom Kampf gegen den globalen Terror eingeführt werden. Milliarden werden investiert, mitunter auch für technische Systeme, die zwar kaum Anschläge verhindern werden, dafür aber Stück für Stück das staatliche Wissen über die einzelnen Schritte jeden Bürgers mehren und so dem "Ideal" des Big-Brother-Staates entgegen kommen.

Ein gutes Beispiel ist das Vorhaben, ausgehend vom US-Visit-System, aber gerne auch von den europäischen Staaten aufgegriffen, digitale Ausweise mit biometrischen Merkmalen einzuführen. Das soll, so versprechen die Politiker, die damit vermutlich eher ein Konjunkturprogramm für die Industrie auflegen, natürlich wieder dem Schutz vor dem Terror dienen. Biometrisch identifiziert werden die Bösen schnell aus der Menge herausgegriffen, so wird suggeriert. Das Fälschen von Ausweisen werde schwieriger gemacht und irgendwie das Reisen einfacher.

Abgesehen aber von Problemen, die mit der Technik und ihrer Zuverlässigkeit einhergehen, oder die aus immer größeren Datenbanken entstehen, deren Informationen nicht erst, wenn eine autoritäre Regierung an die Macht gelangt, auch in falsche Hände kommen können, verspricht die Identifikation via biometrischer Merkmale mehr, als eingehalten werden kann, besonders wenn es um Selbstmordattentäter geht, die zuvor niemals auffällig geworden sind und es nach dem Anschlag niemals wieder werden. Wer nicht bekannt ist und auch keine offensichtlich gefälschten Dokumente besitzt, wird auch durch eine biometrische Identifikation an einer Grenze oder bei einer Kontrolle nicht verdächtig werden.

Dass die gelegentlich eher an Voodoo-Zauber erinnernden teuren technischen Sicherheitssysteme keinen wirklichen Schutz bieten, weiß man beispielsweise in Israel, wo man seit langem unter der Terrorgefahr lebt. Gefährlich sind nicht die Personen, die man bereits kennt, sondern vorgeschickt werden von den Drahtziehern Menschen, die auf keiner Liste stehen und auch sonst höchst unauffällig sein können. Die israelische Startup-Firma Suspect Detection Systems (SDS) schlägt daher eine andere Technik vor, die zwar noch mehr in die "Privatsphäre" eingreift, aber womöglich in der einen oder anderen Form tatsächlich Zukunft in vielerlei Hinsicht haben könnte: eine Art Lügendetektor.

Gegründet haben SDS u.a. der ehemalige Leiter der Lügendetektorabteilung der israelischen Polizei, Yeshayahu Horowitz , der ehemalige Abteilungsleiter vom israelischen Geheimdienst Mossad, Amiram Levin. Der Geschäftsführer Shoval erklärt: "Unser System führt eine erste Bewertung innerhalb von drei Minuten aus. Wenn das System einen Verdächtigen identifiziert, kann er zu einem Beamten geschickt werden, um die Überprüfung abzuschließen." Auch beim israelischen Außenministerium hat man das System namens SDS-VR-1000 einer Meldung wert befunden, das automatisch Verdächtige erkennen soll, die nicht bereits auf entsprechenden Listen stehen, und damit Personal oder Zufallskontrollen ersetzen können.

Angeblich sei die Gründung von SDS, wie Shoval behauptet, nicht nur vom 11.9., sondern auch vom Film Minority Report angeregt worden, also von der Idee einer Technik zur Prävention von Verbrechen (Kullernde Augen und die Suche nach den wahren Bildern). Eines aber habe der 11.9. gezeigt:

Unsere Schlussfolgerung für das grundsätzliche Problem war, dass der internationale Terrorismus klug genug geworden ist, es Terroristen zu ermöglichen, in das Zielland ohne Waffen und mit ihrer eigenen Identität zu gelangen. Deswegen können sie dann einen strategischen Terrorangriff von Innen her starten, ohne die Mittel dafür mit sich zu tragen.

Wenn potenzielle Terroristen, sofern sie aus dem Ausland kommen, nicht auf den Terrorlisten stehen und mit ihrer eigenen Identität, biometrische Daten hin oder her, ins Land einreisen, dann könnte man diese als Verdächtige nur anhand ihrer Absichten erkennen. Die sind aber nicht von ihren Fingern oder ihrer Iris ablesbar, sondern, wie man bei SDS meint, von ihrer emotionalen Reaktion auf bestimmte Fragen, die man über die Abnahme von physiologischen Daten wie bei einem Lügendetektor erfassen könne. Die Hauptangst eines Selbstmordattentäters sei es nämlich, entdeckt und festgenommen zu werden.

Verdächtige sollen durch ihre Reaktion auf bestimmte Worte in die Falle gehen

Weil es an der Grenze schnell gehen muss, hat SDS, gefördert vom israelischen Verteidigungs- und Handelsministerium, eine Technik entwickelt, die angeblich in drei Minuten Verdächtige mit einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit erkennt. Der Einreisende legt dabei seinen Ausweis vor und gleichzeitig eine Hand auf einen Sensor, der den Hautwiderstand misst. Dann werden ihm, möglicherweise auch über Kopfhörer, festgelegte Fragen in der Sprache des Herkunftslandes gestellt. Verdächtig wird, wer bei diesem Prozess messbare Furcht zeigt. Ob das nur Terroristen betrifft, mag eine Sache sein, die andere dürfte sein, dass dann, wenn die Fragen standardisiert sind, wie es der Fall zu sein scheint, die Reaktion auf sie vorneweg trainiert werden kann. Der Hautwiderstand ist keineswegs ein absolut sicherer Indikator.

Allerdings meint Shovall, dass die Kombination von Worten eine Verdächtigen entsprechend reagieren lassen würden. Terroristen würden vor ihrer Tat eingewiesen werden. Wenn man also das Wort "briefing" oder das hebräische "tadrikh" sagt, würde eine Person, die kein Breiding erhalten habe, apathisch reagieren, der Terrorist aber nicht. Der würde auch bei Erwähnung des Sprengstoffs "Semtex" verdächtig reagieren. Das klingt wahrscheinlich so simpel, wie es ist. Man sucht nach einem Unterschied der Reaktion auf bestimmte Worte, die angeblich einen Terroristen zu erkennen geben, der einen Anschlag ausführen will. Andere Verbrecher wie "Drogenhändler, Schmuggler oder Pädophile" wären davon aber noch nicht betroffen. Allerdings will man bei Erfolg die Technik auch für Kriminelle oder für Angestellte in Sicherheitspositionen weiter entwickeln.

Die Technik, so wird versichert, sei im Übrigen ganz harmlos. Die Prozedur mache keinen Gebrauch von einem "Profiling", also von Merkmalen, die eine bestimmte Gruppe kennzeichnen, und sie würde auch keine Verletzung von Menschenrechten mit sich bringen. Aussortiert würden nur Verdächtige, die wirkliche Bewertung müssten dann Menschen vornehmen.

Gleichwohl wirbt die Firma damit, dass ihre Technik einzig darauf ausgerichtet sei, Terroristen zu identifizieren Zudem sei sie ein "einzigartiges Produkt", das nur "im kulturellen und politischen Klima Israels" entwickelt werden konnte. Immerhin scheint man schon einen ersten Erfolg im Ausland erzielt zu haben. So will die Transportation Security Administration (TSA) in diesem Jahr noch das System am Flughafen von Atlantic City testen. Davon erhofft man sich bei SDS eine Verfeinerung der Wortkombinationen, um "ein Profil der Reaktion eines normalen Pakistani oder Inders" bilden zu können.

Das SDS-System geht auch ganz konform mit den Sicherheitsstrategien der Bush-Regierung. In der "Nationalen Strategie zur Homeland-Sicherung" von 2002, das Präsident Bush höchstpersönlich vorstellte, wurde eine ganze Palette an Techniken präsentiert, um Amerika zu schützen. Gewünscht wurde auch die Entwicklung von "Systemen zur Entdeckung feindlicher Intentionen" (Systeme zum Erkennen der bösen Absichten von Terroristen). Allerdings hat SDS auch Konkurrenz: Technischer Zauber zur Abwehr des Bösen und Ein Gehirnscan als Lügendetektor.